Gemeinderat,
2. Sitzung vom 23.5.2001, Wörtliches Protokoll
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Realität, denn selbst dann, wenn in sechs Wochen
beziehungsweise im Laufe des Jahres die großen Institutionen ihre Pforten
öffnen werden und dann möglicherweise auch große Mengen von japanischen
Touristen und Touristinnen, um die ja das Museumsquartier in den letzten Wochen
heftig geworben hat, auch in das Museumsquartier stürmen werden, bleibt doch
eine ganz zentrale und entscheidende Frage noch immer offen, und das ist die
Frage nach der inhaltlichen Gesamtausrichtung des Museumsquartiers.
Die Architektur des Museumsquartiers ist durch
jahrzehntelange Diskussionen - leider muss man sagen - ein bisserl aufs
Mittelmaß nivelliert worden: kein Leseturm, keine starken visuellen oder
symbolischen Zeichen, die vielleicht auch den Architekturkritikerinnen und
-kritikern zu schreiben geben würden, wie wir das an Hand eines
Guggenheim-Museums in Bilbao verfolgen haben können - nein, die "Kronen
Zeitung" hat wieder einmal gesiegt, und wir haben leider keinen Leseturm
im Museumsquartier.
Das sollte uns aber nicht davon abhalten zu
überlegen: Was können denn symbolische Zeichen sein, die dieses Museumsquartier
trotzdem zu einem spannenden Ort machen, über den geredet werden wird? - Wir
glauben, die Quadratmeterzahl alleine kann kein Maß der Dinge sein. Tatsache
ist doch, dass das Museumsquartier in erster Linie über eine Nutzung und einen
spannenden Nutzungsmix überhaupt erst für eine breite interessierte
Öffentlichkeit interessant wird.
Die Frage ist also: Soll das Museumsquartier alleine
der touristischen Nutzung dienen? - Wir glauben, nein. Wir glauben, das
Museumsquartier soll lebendig sein, ein Ort der künstlerischen Produktion, der
Auseinandersetzung mit neuen künstlerischen Tendenzen und Strömungen, ein Ort
des theoretischen Diskurses und der Diskussion, ein Ort, an dem alte auf neue
Medien treffen können, ein Ort der Vielfalt.
Warum ist das überhaupt eine Frage, die für Wien
wichtig ist? - Oft hat man ja leider in den letzten Jahren den Eindruck gehabt,
dass die Stadt Wien als nur 25-prozentiger Miteigentümer sich eher elegant aus
der Affäre ziehen will und sich da sehr zurückhält. Wir glauben, dass das ein
bisserl zu wenig ist. Man stelle sich vor, das Burgtheater, das ja auch eine
Institution des Bundes ist, würde plötzlich Theater auf Vorstadtniveau machen.
Das würde dann auch die Bundeshauptstadt Wien treffen, das würde uns auch nicht
glücklich machen. Und ich denke, ähnlich verhält es sich mit dem
Museumsquartier.
Vor ziemlich genau einem Jahr hat der Wiener
Gemeinderat einem Resolutionsantrag zugestimmt, der von den Grünen eingebracht wurde, und in diesem
Resolutionsantrag wurde festgehalten, dass sich der Gemeinderat sehr
nachdrücklich für den Erhalt der kulturellen Vielfalt im Museumsquartier
ausspricht. Ganz konkret ging es da um die "basis wien", um das
Depot, um Public Netbase, um die Zeitung "springerin".
Ein Jahr später hat sich aber leider sehr wenig
geändert an dieser Situation. Der Herr Bürgermeister hat zwar einen sehr netten
Brief an die Frau Bundesministerin Gehrer geschrieben, aber leider, leider die
so genannten Drittnutzer, die schon von mir angesprochenen Institutionen, haben
immer noch nicht klare Angaben darüber erhalten, ob sie einziehen, unter
welchen Bedingungen sie einziehen und wann sie wieder einziehen werden.
Dass diese Institutionen international erfolgreiche
Arbeit leisten und Spannendes für das Museumsquartier beitragen, haben sie,
glaube ich, in den letzten Jahren schon ziemlich eindrucksvoll gezeigt. Das
Depot hat fast jeden Tag in den letzten Jahren spannende Diskussionen zum
theoretischen Diskurs in der Kunst geboten, und der Publikumszuspruch hat,
glaube ich, eindeutig gezeigt, dass es dafür nicht nur ein Publikum gibt,
sondern dass wir dafür dann auch international durchaus anerkannt werden.
Ähnlich verhält es sich auch mit den anderen so
genannten Drittnutzern. Da dieser Begriff "Drittnutzer" ein bisserl
ein verunglückter ist, weil er sozusagen die Einführung der
Mehrklassengesellschaft in diesem Museumsquartier anzeigt, werden diese
Drittnutzer jetzt Fixstarter genannt, nur muss man sich jetzt natürlich schon
fragen: Was heißt denn das genau? Welche Räume bekommen diese Fixstarter? Wie
viel Platz soll denn der Theorie und der Diskussion, den neuen Medien und dem
experimentellen Zugang gegeben werden? Wo wird denn dieser Platz sein? Wie viel
wird dieser Raum kosten? Wer bestimmt denn über diese Mietkosten? Und werden
sich diese Institutionen, wenn sie dann einziehen können, auch wirklich 137 S
pro Quadratmeter leisten können? Wie lange werden sie bleiben können? - Es
verlangt ja niemand Mietverträge auf 100 Jahre für diese Institutionen,
aber ein Mindestmaß an Planung muss man auch diesen Institutionen zugestehen.
Und dann gibt es noch das sagenumwobene
Quartier 21, eine Erfindung der Geschäftsführung des Museumsquartiers, mit
der eigentlich ziemlich gescheiten Intention, ein lebendiges Labor in diesem
Museumsquartier zu schaffen, das kleinteiliger ist, das flexibler ist, das
kurzfristiger und projektorientiert angelegt ist, also ein Labor, das
eigentlich eine gute Idee wäre. Leider hört man, dass der Stand der
Einreichungen nicht sonderlich befriedigend ist - das ist sehr bedauerlich -
und dass nunmehr die Mitglieder des Beirats Quartier 21, des berühmten
Netzwerkes 21 - hier bitte die Wahl der Worte auch zu beachten:
Drittnutzer Quartier 21, Netzwerk 21, es gibt auch ein
Quartier 9 -, eingeladen worden sind, eigene Projektideen einzubringen,
weil leider doch der Zuspruch der Institutionen in dieser Stadt nicht so
erfreulich groß ist.
Und hier fragen wir schon, mit welcher Legitimation dieses
Netzwerk 21 nun vorhat, im Museumsquartier Programm zu machen. Man sieht
ganz deutlich, in der Frage Quartier 21 und in der Frage des Wiederein-
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