Gemeinderat,
2. Sitzung vom 23.5.2001, Wörtliches Protokoll
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Sparmaßnahmen im Bildungsbereich und eine Unterschriftenaktion
gestartet. Der Bürgermeister hat faktisch der Öffentlichkeit und den
Lehrerinnen und Lehrern und den Eltern zugerufen, "spart nicht bei der
Zukunft unserer Kinder, weil Sparen bei der Bildung dumm ist". Und blitzartig
haben 78 000 Menschen diese Unterschriftenaktion unterschrieben. Aber
nicht, weil der Bürgermeister der Bundesregierung etwas zugerufen hat, sondern
weil die Leute gedacht haben, sie haben einen Mitstreiter gefunden, weil die
Leute geglaubt haben, das ist an sich eine Haltung und ein Versprechen. Sie
haben gedacht, sie hätten in Wien einen Bürgermeister, der ihnen sagen will,
schaut her, ich gehöre nicht zu denen, die bei der Zukunft der Kinder sparen
und ich weiß, dass Sparen bei der Bildung dumm ist und ich werde es selbst auch
nicht tun. Das ist das, was sich die Leute gedacht haben.
Zweiter Punkt: Ich beziehe mich jetzt noch einmal auf
diese Veranstaltung, wo Herr GR Vettermann und Herr GR RUDOLPH ja auch waren
und wir haben es alle gehört und ich habe in der Veranstaltung extra noch
einmal darauf hingewiesen. Er hat gesprochen von einer Bildungsmilliarde, um
Lehrerabbau zu verhindern. Und das ist auch so angekommen bei den Lehrerinnen
und Lehrern und die haben das auch geglaubt und für bare Münze genommen. Er hat
sich sehr gut und drastisch ausgedrückt, mir hat das damals wahnsinnig gut gefallen
und ich habe extra noch einmal darauf verwiesen. Herr GR Vettermann hat gesagt,
mit Klauen und Zähnen sowie 1 Bildungsmilliarde im Gemeindebudget, will
die Wiener SPÖ die Schulen gegen die Einsparungspläne der Regierung
verteidigen. Ich gestehe, im ersten Augenblick habe ich das Bild vom Jack
Nicholson als Wehrwolf vor mir gehabt, im zweiten Augenblick hat es mir aber
wirklich sehr gut gefallen und ich habe noch einmal darauf hingewiesen, wie
froh ich bin, dass die SPÖ jetzt im Wahlkampf, und zwar vor der Wahl, sagt, was
Sache ist, nämlich dass sie diese Einsparungen kompensieren will und wird. Es
waren aber nicht nur rote Aktionisten und Bildermaler unterwegs, sondern es hat
sich auch der Finanzstadtrat zu Wort gemeldet und ebenfalls 200 Millionen
angekündigt, Zitat: "Wir reagieren damit auch auf die Kürzungen im
Bildungsbereich auf Bundesebene."
Es war daher gerechtfertigt und richtig, dass die
Lehrerinnen und Lehrer angenommen haben, sie bekommen Unterstützung von der SPÖ
und das war auch ein Teil des Wahlkampfs der SPÖ. Und, meine Damen und Herren
von der SPÖ, man kann nicht im Wahlkampf und vor der Wahl etwas anderes sagen
als danach. (Beifall bei den GRÜNEN.) Und man kann vor allem nicht nach
der Wahl etwas anderes tun und es kann nicht so sein, dass der Bildungssprecher
Versprechungen macht und dann die zuständige Stadträtin nach der Wahl sagt, das
haben wir nie gesagt, die GRÜNEN irren sich und die GRÜNEN fallen einfach auf
die Medien herein. So war es nicht, es war ganz anders.
Nach diesem Szenarium vor der Wahl möchte ich Ihnen
sagen, was jetzt nach der Wahl ist. Jetzt nach der Wahl wird offenbar, welche
Großbaustelle ÖVP und SPÖ gemeinsam in Wien im Pflichtschulbereich errichtet
haben. Die Schlaglöcher werden jetzt alle deutlich sichtbar und Sie wissen
genau, wer als Erster in diese Schlaglöcher hineinfallen wird, nämlich die
Kinder, die weniger privilegiert sind, die Kinder, die nicht aus
Bildungshäusern stammen, die Kinder, die nicht aus gut betuchten Elternhäusern
stammen, das sind die Kinder mit speziellen Behinderungen.
Das ist nicht die Elite, denn für die Elite werden
Sie sich schließlich auch in Zukunft einsetzen, aber für die anderen Kinder
setzen Sie sich nicht ein. Sie können Ihre Sir-Karl-Popper-Schulen errichten
und verteidigen, aber zeigen Sie uns einmal, wo Sie die Kinder, die ganz
normalen Kinder, die vielen Kinder dieser Stadt, unterstützen und ihnen helfen
wollen. Wir haben jetzt folgende Situation, mit der wir konfrontiert sind: 380
oder sogar mehr Lehrerinnen weniger in Wien. Wir haben massive Einbußen bei
allem, was Innovation bedeutet. Wir haben große Probleme bei den
Mehrstufenklassen, bei Freinet, und wir haben natürlich nicht nur Lehrerinnen,
die in Pension gehen, sondern wir haben auch Lehrerinnen, die sich derzeit in Karenz
befinden und nicht zurückkehren, obwohl sie zurückkehren wollen.
Das heißt, unter dem Strich ist ganz klar, ist eines
ganz klar und wir werden das im Stadtschulrat auch noch oft diskutieren: Es
wird auf dem Rücken der Kinder gespart. Und diejenigen, die sparen, sind jetzt
nicht nur ÖVP und FPÖ, sondern erstaunlicherweise auch die SPÖ, die ihr
Versprechen offensichtlich nicht wahrt, die ihr Versprechen nicht ... (GR
Mag Sonja Wehsely: Nennen Sie uns ein Beispiel!) Ein Beispiel. Ich sage
Ihnen viele Beispiele. Die Freinet-Klassen werden eingespart, die gibt es
einfach nicht mehr. Die Lehrerinnen dürfen nur noch 22 Stunden arbeiten.
Alles, was unverbindliche Übungen heißt, fällt einfach weg. (Die
Gemeinderäte der GRÜNEN halten jeder einen Zettel mit der Aufschrift
"Nicht nur im Wahlkampf, Herr Bürgermeister!" in Richtung der SPÖ.) Im
Grunde genommen haben wir es zu tun mit einer ausgedehnten Bildungskatastrophe,
deren Folgen in den nächsten Jahren zu spüren sein werden.
Meine Damen und Herren! Ich möchte Ihnen dieses hier
zeigen (Die Rednerin hält einen Zettel mit derselben Aufschrift wie die
Zettel ihrer Fraktionskollegen hoch.), dieses hier zeigen. Und ich
hätte gerne, dass die SPÖ das ernst nimmt, nicht nur im Wahlkampf, Herr
Bürgermeister, und nicht nur im Wahlkampf, sehr geehrte Damen und Herren von
der SPÖ, gilt das. Spart nicht bei der Zukunft unserer Kinder, hat der
Bürgermeister gesagt, und jetzt soll er es bitte tun. Weil Sparen bei der
Bildung dumm ist, hat der Bürgermeister gesagt (GR Mag Sonja Wehsely:
Jawohl!), und jetzt soll er es bitte tun.
Die GRÜNEN fordern daher: Erstens, dass diese
380 Lehrerinnen und Lehrer selbstverständlich nicht
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