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Mitschrift

Film: Kunsthistorisches Museum, alte Meister

Julya Rabinowich: "Meine Eltern waren nicht sicher, wie lange sie in Österreich überhaupt bleiben würden. Denn ursprünglich war nicht geplant, hier zu bleiben. In dieser Zeit, wo keiner damit rechnete, dass wir hier bleiben, rannten sie jeden einzelnen Tag in das Kunsthistorische Museum und schleppten mich jedes Mal mit. Die ersten paar Tage war ich noch recht angetan. Und dann begann die Zeit des großen Leidens. Denn mit siebeneinhalb weiß man einfach nicht immer was damit anzufangen, von früh bis spät mit alten Meistern unterwegs zu sein. Es war auch relativ wenig Raum familienstrukturtechnisch gegeben, etwas anderes werden zu wollen als Malerin. Es hat noch sehr lang gedauert, bis die Entwicklung der Geschichten aus den Bildern dann tatsächlich Oberhand gewonnen hat. Und ich für mich dann bewusst entschieden habe: Ich habe früher gemalt und verwende jetzt keine Farben mehr dafür, sondern Worte."

Film: Cafe Diglas

Julya Rabinowich: "Nachdem die Familie seht stark über das Bild geprägt wurde. Ich würde sagen: in ihrer Daseinsberechtigung über das Bild geprägt wurde, da beide Eltern Künstler waren, also beide bildende Maler und meine Großmutter, die Kunsthistorikerin gewesen ist, gab es für mich recht wenig Entkommen aus diesem System des Bildes."

Bild: Nina Werzhbinskaja-Rabinowich

Bild: Boris Rabinowich

Julya Rabinowich: "Und ich hatte auch immer das Gefühl, dass das System des Wortes ein weniger erwünschtes war. War mir aber von Anfang an das Wichtigere."

Film: Bücherwand

Julya Rabinowich: "Geschrieben habe ich schon als Kind, so mit neun, zehn. Dann später einen furchtbaren Roman, der Gott sei Dank niemals verlegt wurde. Das wäre nämlich mein Ende gewesen mit achtzehn. Das heißt, ich habe mich relativ lange schon an der Schiene der Literatur entlang bewegt. Es war mir nur nicht klar, dass das tatsächlich mein Mittelpunkt des Lebens werden würde."

Film: Cafe Diglas

Julya Rabinowich: "Nachdem ich unter anderem auch selbst miterlebt habe, wie hart es war, sprachlos in der Gesellschaft zu sein und war für Nachteile damit verbunden waren, und auch was für Ungerechtigkeiten, war das natürlich mein erster Punkt, an dem ich dann persönlich ansetzen wollte, als ich begonnen habe, mit Flüchtlingen zu arbeiten. Eine Art Aufwiegen des Schiefhängens."

Film: Bild "Spaltkopf"

Julya Rabinowich: "Im Zuge der Psychotherapien, die ich begleitet habe als Dolmetscherin, habe ich nebenbei geschrieben. Ich war noch auf Angewandten, habe bei noch Attersee studiert, hatte mein Diplom noch nicht. Eineinhalb Jahre vor dem Diplom kamen diese Spaltkopfbilder auf. Und interessanterweise kamen zuerst die Bilder und erst danach kam der Spaltkopf in das Buch hinein. Denn vom Buch gab es bereits hundert Seiten, die anders aufgebaut waren. Und nach diesen hundert Seiten wurde mir klar, als ich schon eine ganze Serie Spaltköpfe gemacht hatte, dass der natürlich ein wichtigstes Teil des Buches ist."

Film: Titelseite Buch "Spaltkopf"

Julya Rabinowich: "Und eine der Inspirationen zum Spaltkopf war die Beobachtung in diesen Psychotherapien. Wie die Menschen sich verhalten haben, wenn sie im Setting, in der Sitzung begonnen haben, Dinge zu verdrängen. Da änderte sich bei allen das Gesicht in gleicher Art und Weise. Und die Stimme änderte sich. Es wirkte fast so, als wären sie besessen in diesem Moment."

Film: Blättern im Buch

Julya Rabinowich: "Da hatte ich erst die Idee, diesen Spaltkopf zu erfinden, der als eine Art Entität Kontrolle über den Menschen übernimmt in dieser Phase der Verdrängung. Also ein Sinnbild der Verdrängung ist, die sich selbstständig macht, die Macht entwickelt je länger man nicht hinschaut. Darum kommt ja auch im Buch die Szene vor, in dem das Kind, das große Angst vor diesem Spaltkopf hat, mit dem die Kinder geschreckt werden, fragt: 'Was kann man denn dagegen tun?'. Und die Mutter sagt: 'Man muss ihn sehen, dann hat er keine Macht mehr über einen'."

Film: Wohnung

Julya Rabinowich: "Die Tagfinsternis, das Theaterstück, ist eigentlich mein erstes Theaterstück gewesen, das ich ganz stark überarbeitet habe. Ich habe es lange bevor über die Sau-Alm berichtet wurde geschrieben."

Film: Webseite NÖ Landestheater

Julya Rabinowich: "Lange bevor es so absolut eindeutig war, was teilweise hinter verschlossenen Türen abgeht. Insofern war mir damals nicht einmal bewusst, wie aktuell dieses Stück war. Weil ich habe einfach nur verarbeitet, was ich nicht habe verschweigen können. Es war mir unmöglich. In der Betreuung habe ich damit natürlich direkten Kontakt gehabt. Also ich habe direkte Schilderungen der Missstände oder der Problemstellungen innerhalb eines solchen Asylverfahrens täglich gesehen als ich diese Stück schrieb."

Film: Wohnung

Julya Rabinowich: "Es war einfach oft so, dass die gesellschaftskritischen Themen meine Arbeit stark beeinflusst haben."

Film: Buch "Die Erdfresserin"

Julya Rabinowich: "Die Erdfresserin war für mich bis jetzt mein politischstes Buch und das ist auch gut so. Dieses Thema, dieses Schicksal ließ sich für mich kaum von der Politik trennen."

Film: Wohnung

Julya Rabinowich: "In meinem letzten Buch, einem Jugendbuch, das bei Hansa erscheinen wird nächstes Jahr, habe ich aktuelles Tagesgeschehen einfließen lassen. Es kommt ein Bombenanschlag vor. Es kommt eine Parallele zum IS vor. Die Rekrutierung von jungen Menschen wird zumindest thematisiert. Es ist ein Buch für Jugendliche. Ich dachte mir, dass es für mich persönlich wichtig war, diesen Aspekt hineinzubringen."

Film: Titelseiten Bücher "Herznovelle", "Spaltkopf"

Film: Kunsthistorisches Museum, alte Meister

Julya Rabinowich: "Meine Großmutter war Kunsthistorikerin. Dieses Bild einer am Schreibtisch schreibenden Frau, die täglich dort sitzt und der Papierstapel neben ihr wird immer höher und höher. Und das Bild der Frau, die diesen Papierstapel irgendwann einmal abgibt und dann kommt ein gebundenes Buch hervor, das begleitet mich seit meiner Kindheit. Ich glaube, dass mir diese Selbstverständlichkeit, mit der sie das getan hat, sicherlich auch erleichtert hat, in das Schreiben hinein zu gehen. Es war etwas, das ich kannte. Diese Rollenbilder sind für Männer selbstverständlich. Sie wachsen auf mit Vorbildern von machenden Männern. Von Machern. Und Frauen haben diese Vorbilder oft nicht. Sie hatte keine Zweifel an sich im Bereich ihrer Arbeit. Und das war für mich natürlich mehr als prägend."

Film: Buchseite "Herzrasen"

Archiv-Video vom 18.12.2014:
Bitte beachten Sie, dass die Inhalte (Termine, Kontaktmöglichkeiten,...) möglicherweise nicht mehr aktuell sind.

Frauenpreis 2

Frauenpreisträgerin 2014 Julya Rabinowich

Länge: 7 Min. 30 Sek.
Produktionsdatum: 2014
Copyright: Stadt Wien

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