Mitschrift
Ich bin ein echtes "Wiener-Kind", unter Anführungszeichen. Ich heiße Marianne Krupicka. Meine Vorfahren kommen aus der Tschechoslowakei, aber eigentlich nicht, weil mein Vater ist schon ein Wiener gewesen. Der jetzt auch kein Wiener mehr ist. Also jetzt ist er im Himmel, aber er war ein Perchtoldsdorfer, früher hat das zu Wien gehört. Und dann ist es schon aus mit Wien. Weil meine Mutter ist Düsseldorferin. Meine Großmutter Holländerin, eigentlich kommen sie aus Spanien. Die Tschechoslowaken ... Mein Bruder ist Franzose, er und meine Schwester sind in Frankreich geboren. Wir haben in zwei Generationen fünf Nationen. Und ich bin die einzige echte Wienerin, ich bin in Wien geboren. Meine Mama war, ich hab's schon erwähnt, eine Düsseldorferin. Mein Papa war ein Wiener. Beide haben sich in Toulouse kennengelernt. Mein Vater hat unabhängig von meiner Mutter Arbeit gesucht. In Wien hat's eine hohe Arbeitslosigkeit gegeben, in den 20er Jahren oder Anfang der 30er Jahre waren hier keine Jobs. Und meine Mutter ist mit ihrer Mutter, sie war damals zwölf, aus familiären Gründen auch nach Toulouse zu den Flugzeugwerken. Und dort haben sich meine Eltern kennengelernt, haben geheiratet und Kinder bekommen. Dann sind sie nach Wien und dann bin ich gekommen. Wie ich sagte, bin ich die einzige echte Wienerin. Aber das mit Leib und Seele und Herz. Aber ... meine Eltern sind keine Wiener. Ich bin auch nicht so typisch wienerisch aufgewachsen. Im Gegenteil, meine Mutter hat, als sie wieder Deutsch sprach, in Frankreich hatte sie natürlich Französisch gesprochen, sehr "piefkonisch" geklungen. Also, das Düsseldorferisch ist ihr wieder eingefallen. Und sie hat bis zum Schluss ... Immerhin hat sie die längste Zeit ihres Lebens in Wien verbracht, nämlich ... 40 Jahre ... oder 50 Jahre. Aber sie hat bis zum Schluss nicht Wienerisch gekonnt. Das haben mein Vater und ich ihr beigebracht. Wir haben gesagt: Mama, das heißt so. Sie hat alles falsch betont. Aber Deutsch war's auch nicht mehr in dem Sinne, weil als ihre Verwandten uns in Wien besucht haben, haben die wieder gemeint, sie spreche Wienerisch. So ein derartiges Kauderwelsch, es war sehr lustig. Meine Mutter war in Frankreich Frisörin. Also Coiffeuse oder wie das heißt. Und mein Vater war Maschinenbauer, deswegen hat er auch bei den Flug- zeugwerken in Toulouse gearbeitet. Als er nach Wien gekommen ist, hat er in seinem Beruf weitergearbeitet. Meine Mutter hat so Teilzeitarbeiten gehabt, aber eigentlich war sie dann Hausfrau. Ich bin im dritten Wiener Gemeindebezirk aufgewachsen. Und zwar im Weißgerberviertel. Der dritte Bezirk wird ja eingeteilt in Fasan-, Weißgerber- und Erdbergviertel. Ich bin im Weißgerberviertel aufgewachsen. Die Schulzeit, also Volksschule, war sensationell. Soweit ich mich noch erinnern kann, das ist ja ein bisschen her, hat mir die viel Spaß gemacht, das war am Kolonitzplatz. Dann war ich in der Hauptschule in der Hörnesgasse, auch im dritten Bezirk. Und dann, was war da noch, schulisch? Natürlich, die Handelsschule der Wiener Kaufmannschaft. Der anständige Beruf! Also ich bin eine kaufmännische Angestellte. Das ist der "anständige" Beruf. Parallel dazu hab ich schon in der Volksschule Hauptrollen gespielt, aber nicht die Prinzessin, das hat mich nicht interessiert, sondern den Kasperl, den Hofnarr und sonstige blöd-lustige Geschichten. Auch in der Hauptschule ... Die Hauptschule war sehr kreativ, weil wir einen Schülerchor hatten. Da sind von allen Klassen die Kinder zusammengestellt worden. Da war ich dabei, auch als Solistin. Ich durfte auch mit zu einem Schüleraustausch. Drei Wochen nach England. Das haben normalerweise nur die Vorzugsschüler bekommen, aber ich auch, weil ich Klavier gespielt und gesungen hab. Ich war auch schon in der Hauptschulzeit am Konservatorium der Stadt Wien im Kinderchor. Damals hatte ich schon mit zwölf Jahren Aufführungen bei den Wiener Festwochen. Meine erste Gage mit zwölf war fünf Schilling, das werde ich ewig erinnern. Da sind wir ins Funkhaus gefahren und haben einen Kinderfunk gemacht. Also Musik, Musik, Musik eigentlich. Und dazwischen oder "daneben" alles, was Pflicht betrifft. Es war in der Kindheit schon festgelegt, dass ich was mit Musik zu tun haben werde. Ich habe mit sechs Jahren Klavier gelernt, auch sechs Jahre lang. Gar nicht so gern. - Das heißt, immer gern Klavier gespielt, aber nicht gern gelernt, wie die meisten Kinder. Da war ich ganz ähnlich. Im Kinderchor der Stadt Wien habe ich schon Einzelunterricht bekommen. Das war für die ... Es klingt immer so blöd, weil's mich betrifft, aber ich war halt so eine Ausnahme in der Musik, und deswegen hab ich auch Solopartien gesungen. Ich habe klassischen Gesang studiert. Auch aus dem Grund, weil es für mich wichtig war, aber ich hätte natürlich viel lieber Jazz oder Musical oder so erlernt. Nur das hat's damals nicht gegeben, man hat durch die Klassik müssen und das hab ich alles parallel gemacht. Ich hatte mit 14 eine Band, wo ich auch Klavier gespielt hab, so eine Schülerband. Also, das war ganz eindeutig. Und ich hätte auch mit 15 nach Hamburg fahren können. Da hätte ich sogar einen Plattenvertrag bekommen, ich glaube, Polydor war das damals. Nur meine Mutter sagte: "Nein, erst wenn du 18 bist, darfst du." Na gut, dann hab ich noch die Zeit überbrückt von 16 bis 18. So hab ich noch bei Persil gearbeitet, in der Buchhaltung, ich sag immer, irrtümlich. Aber gut, das musste sein. Kaum war ich 18, sagte ich: "Mama, es ist soweit. Darf ich jetzt kündigen?" So war's auch, und dann bin ich schon auf Achse gewesen. Als Bandsängerin mit Bill Grah war ich schon in Stockholm. Also, so hat's begonnen, die wirkliche hauptberufliche Geschichte als Musikerin. Ja, Tingelzeit. Tingelzeit hat bedeutet, dass du jeden Monat woanders gespielt hast. In halb Europa. Und das hab ich gemacht. Erst nur als Sängerin, und dann hab ich selber eine Band gegründet, hab auch Klavier gespielt und E-Bass erlernt. Ich war dann Bassistin. Ich hab mich von der Band getrennt, mit der ich in halb Europa unterwegs war. Und ich wollte eigentlich nur ein paar Wochen länger in Wien bleiben, bei meinen Eltern, und dann eine Band gründen, um wieder auf Achse zu gehen. Und in der Zeit hab ich ... Den Al Fats Edwards hatte ich schon gekannt, mit dem hab ich Duette gesungen. Ein Schwarzer, den der Fatty George von Paris nach Wien gebracht hat. Und der sagte: "Du, komm einmal in die Fledermaus-Bar, wenn du eh ein paar Wochen da bist." "Der Gerhard Bronner sucht immer irgendwelche Sängerinnen." Und ich dachte, na ja, vielleicht will er. Ich wollte ja eh, nur, wie gesagt, wollte ich nur kurze Zeit bleiben und dann wieder auf Tournee. Und dann bin ich wirklich runter und hab dem Gerhard Bronner vorgesungen. Damals waren wir ja per Sie. "Was können Sie singen?", fragte er in seinem Roten Salon, er hatte da so einen extra Raum, wo ein Klavier stand. Ich war damals 23. Und ich: "Was ich singen kann? Na ja, alles eigentlich." Ich hatte ja ein unheimliches Repertoire. Das hat er nicht geglaubt und hat irgendwelche Standards anklingen lassen. Da hab ich dann gleich mitgesungen. Das war für sie damals ein kleines Phänomen. Das ging bis "Take Five", das hat er auch noch gespielt und ich hab's gesungen. Dann hatte ich ihn restlos begeistert und bin in der Fledermaus-Bar engagiert worden. Allerdings zum Tanz und im Dunklen. Das hat mir Spaß gemacht. Ich war eine Barsängerin und es waren sehr gute Musiker dort. Ich glaub, Richard Österreicher auch, bin mir aber nicht sicher. Und er hatte in der Zeit parallel "Die Große Glocke". Eine Fernsehsendung, eine Cabaret-Sendung. Die man jetzt, Gott sei Dank, wieder sieht auf ORF III. Dort hat er einmal das Musical "Hair" auf Wienerisch gemacht. Das wurde sehr aufwendig arrangiert. Also, original eigentlich. Das hat der Johannes Fehring produziert, der auch immer die musikalische Leitung beim Bronner hatte. Und da haben sie eine Sängerin gebraucht. Und ich hatte damals nur englische Sachen gesungen. Dann hat er mich eines Abends gefragt, ob ich mir zutrauen würde, auf Wienerisch zu singen. Weil das war auf Wienerisch, eine Parodie, geschrieben von Peter Orthofer. Und na, warum soll ich als Wienerin nicht Wienerisch singen können. Da entstand "Aquarius", also "Der Wasserkopf". Und "Let the sun shine in" - "Machts die Fenster auf". Das war ein Medley in der "Großen Glocke". Und das war so ein durchschlagender Erfolg, beim Publikum wie auch der Presse. Deswegen entstand damals die Idee, das war so Februar/März, Anfang '70: Das könnten wir eigentlich weitermachen mit der Mendt. Nämlich Wienerisch und moderne Musik. Für diese Zeit, wo so eine Hochzeit des Wiener Jazz war, war ich noch zu klein. Allerdings hab ich dann im Jahre '60, wo ich bei den "Spitzbuben" gesungen hab ... Da war ich Teenager-Sternchen und durfte jeden Abend zwei Liedlein singen, tagsüber ging ich in die Schule. Und da war der Helmut Reinberger der Bassist, "die breite Masse". Und der hat mir sehr viele Lieder, respektive Sängerinnen nahegelegt. Internationale, von Sarah Vaughan bis Ella Fitzgerald. Die Ella hab ich schon gekannt, aber auch Eydie Gormé und so weiter, also diese internationalen. Die haben sich alle in den 50er Jahren sehr damit beschäftigt, also so Leute wie Hans Salomon, der auch, was das betrifft, eine Generation vor mir ist, oder eben der Joe Zawinul. Oder der ... Carl Drewo, Hans Koller ... Die habe ich alle dann später kennengelernt. Aber zum Beispiel den "Strohkoffer", den kenn ich nur aus Erzählungen. Oder "Fatty's Saloon" - das ist alles ein bisschen vor meiner Zeit. Mitte der 60er Jahre bin ich quasi eingestiegen und da war ich schon unterwegs. Und dann ist "Die Glock'n" entstanden, die die Signation war von der "Großen Glocke". Der Hans Salomon hat's nicht für mich speziell komponiert, sondern die Komposition hat's schon gegeben. Aber der Gerhard Bronner hat den Text dazu geschrieben. Dann sind wir ins Studio. Und im Mai ist die Single auf den Markt gekommen und war, glaube ich, gleich Nummer Eins. Glaube ich! Aber ich war sehr lang vertreten in den Hitparaden. Das hieß noch nicht Charts, sondern Hitparaden. Ja, wenn ich in Wien war ... Gerade ab der "Glock'n" war ich öfters dann in Wien, immer so ein paar Tage, dann bin ich wieder wohin geflogen worden, habe dort eine Fernsehsendung gemacht, ein Theaterstück oder so. Und wenn ich in Wien war, war ich auch in der Fledermaus-Bar. Da hab ich mich immer getroffen mit dem André Heller, Georg Danzer und dem Rene Reitz, das war ein persönlicher Freund von uns. Da sind wir einmal dort gesessen. Da waren auch Torberg und Carl Merz und Qualtinger. Denen haben wir zugehört, wie sie ihre Lebensweisheiten von sich gegeben haben. Und der Bronner war der Guru, also bei dem ... hat man sich versammelt. Dann sind wir hinübergegangen ins Café Hawelka. Dort saß dann die junge Szene, also die jungen Maler, die jungen Schriftsteller, die jungen Bildhauer und Musiker. Da haben wir also dann die Buchteln von der Frau Hawelka gegessen. Dann sind wir vielleicht zurück in die Fledermaus-Bar, haben wieder Musik gehört. Und dann sind wir noch zu irgendjemandem nach Hause und haben noch weiter musiziert. Wir haben sehr viel musiziert und hatten sehr viel Spaß dabei. Aber das war sehr individuell, ich kann nicht sagen, dass ganz Wien das so gemacht hätte. Aber wir waren so eine eingeschweißte Gruppe, das war sehr lustig, wir hatten wirklich viel Hetz. Ich habe den Austropop eingeläutet. Wir sind Pioniere im gesamt deutschsprachigen Raum gewesen. Das wussten wir damals natürlich nicht. Weder Bronner, noch Fehring, noch ich. Aber das hat so sensationell eingeschlagen. Im Herbst ist dann die LP produziert worden, mit tollen Titeln, die ging dann auch auf den deutschen Markt. Dann bin ich herumgereicht worden von Hamburg bis Zürich. Ja, war schön! Die Schauspielerei war so: Ich habe '68, wie ich mal kurz in Wien war, mit meiner Mutter "Funny Girl" gesehen. Den Film mit der Barbara Streisand. Und ich dachte: Pah, eine super Rolle, also wenn ich mal ... .. dann ... Hm, das wär schön! Und genau diese Rolle haben sie mir angeboten, das war meine erste Theaterrolle 1972. Da hab ich aber vorher ein Special ... Ich durfte die Hauptrolle in einem ZDF-Special singen. Eine Parodie auf das Showbusiness. Also, es war nicht ... Es war sehr aufwendig! Heinz Liesendahl hat das damals gemacht, ein ganz toller Regisseur. Und da haben sie mich engagiert und es war super. Ja, und dann kam Gene Reed. Der hat mich in dieser Produktion gesehen und hat gesagt, er will mich als "Funny Girl" haben. Das war für mich natürlich ein Wahnsinn. Und ... da gab es aber eine Klausel in dem Vertrag: Wir einigen uns nach drei Wochen Probezeit, ob ich überhaupt spielen könne. Ich hab ja nie gespielt, immer nur gesungen. Ja, und dann hab ich's anscheinend geschafft und war das "Funny Girl". So begann auch die Bühnen- und schauspielerische Karriere. Die Premiere war dann am 31. Dezember, also Silvester '72, im Opernhaus Essen. Und das Schöne war ... Auch das gibt's ja kaum mehr, dass Theaterdirektoren herumfahren. Aber in dem Fall war's so. Ich machte einmal die Garderobentür auf - in Essen im Ruhrgebiet - und vor mir kniete wirklich Rolf Kutschera. Der Direktor vom Theater an der Wien. Das war ... phänomenal. Ich wusste gar nicht, wie mir geschieht. Er hat mich engagiert, und ich hab im Theater an der Wien "Das Apartment" gespielt. Das war '73. So war das dann immer, singen und spielen, singen und spielen, und dann auf einmal, da war ich auch sehr stolz ... .. '77 ... '78 ... Ich glaube, '77 war das, da engagierte mich Johannes Schaaf an die Josefstadt für "Glaube, Liebe, Hoffnung", Ödön von Horváth, in einer Sprechrolle. Das war meine erste Sprechrolle, wo ich keinen Ton sang. Da wusste ich: Jetzt hab ich's auch als Schau- spielerin einigermaßen erreicht. Meine gastronomische Karriere hat sich in Grenzen gehalten. Das war eigentlich der Wunsch vom Vater meines Kindes, der wollte immer Wirt werden. Und seine Schwester hatte die Konzession. Und ich dachte mir: Ja, warum eigentlich nicht? So ein zweites Standbein, etwas ganz Sicheres. Die Idee hat mir natürlich auch gut gefallen. Somit haben wir uns zusammengesetzt und gesagt: Gut, machen wir ein Lokal. Das war Anfang der 80er Jahre. Ich glaube von Anfang '82 bis Ende '84. Es war eine lustige Zeit, das Lokal hieß "MoMendt". Ich wollte Live-Musik haben. Ich wollte eine Küche, die ... Also, einen Koch, der jeden Tag frisch kocht. Das gab's damals noch nicht so. Jede Woche gab es eine neue Speisekarte. Ich wollte bis zwei Uhr früh Küche, weil das war zum Beispiel ein Manko in der Vergangenheit: Dass du ab zehn oder elf Uhr nichts mehr zum Essen gekriegt hast. Das wollte ich mit meinem Lokal aufheben. Und es sollten Sessions entstehen, und lustig sollte es sein. Es war auch sehr lustig, nur ... Ich wollte selber keine singende Wirtin werden. Ich hab das eigentlich für die Familie gemacht. Und ich hab das auch ein bisschen unterschätzt. Das muss man entweder hundertprozentig machen oder man lässt's bleiben. Und dann ist es auch so, dass man ... Da muss die Mutter in der Küche stehen und der Onkel hinter der Bar und der Bruder serviert und die Schwester spielt Klavier. Also, dann kann man sich das vielleicht leisten. Es war eigentlich so, dass es mich sehr viel Geld gekostet hat, ich hab sehr viel verloren dadurch. Aber ich möchte die Zeit nicht missen. Irgendwie hab ich's dann doch geschafft, aus diesen Schulden wieder herauszukommen. Und wir haben eine Hetz gehabt, also das ist eindeutig. Da waren viele, ich weiß von Peter Alexander, Caterina Valente, Udo Jürgens ... Wenn die im Küniglberg bei einer Sendung waren, sind natürlich alle zu mir ins Lokal. Und der ... Wer hat denn da gespielt? Der Klein hat gespielt. Und der Karl Moik spielte bei mir Klavier und sagte: "Eigentlich bin ich ein Jazzmusiker." Also, es waren schon lustige Abende oder Morgen, es ging ja bis in den frühen Morgen. Aber halt nur lustig ist ein bisschen zu wenig. Somit hat sich das ganze Thema erübrigt. Und es ist lustig, es gibt viele Kollegen, die den gleichen Gedanken und Wunsch haben, sie wollen unbedingt ein Lokal. Ich rate allen davon ab, außer sie machen es hundert ... .. nein, hundertachtzigprozentig. Dann vielleicht, aber sonst ... Du kannst nicht spielen, singen, dort irgendwann vorbeikommen. Die Leute haben erwartet, dass ich da jeden Tag bin, und das war nicht der Sinn. Das hab ich verkannt. Aber es war lustig. Na ja, ich hab viel gemacht und vieles hat mir in dem Moment immer Spaß gemacht. Rückblickend: Eine große Herausforderung, und ich glaube, dass ich da gut war, war im "Entertainer". Das war ein irisches Stück, das in der Josefstadt gespielt wurde. Mit Joachim Kemmer, Kurt Heintel und ich als "Phoebe". So eine sehr kaputte Familie, die dem Alkohol verfallen ist. Es war eine ziemliche Herausforderung. Es hatte, glaube ich, keine guten Kritiken. Weiß ich nicht. Aber das hat mir viel Spaß gemacht, weil es so jenseits von meinem sonstigen Bereich war, Singen, Spielen, Lustigkeiten, Komödien oder was zum Schmunzeln. Und das war ... Ja, das war schön. Joachim Kemmer ist auch schon tot. Ja ... Natürlich war schön, was ich dir vorher erzählt habe, als mich Johannes Schaaf nach Wien geholt hat. Zusammen mit dem Haeusserman, in die Josefstadt. Dort hatte ich eine reine Sprechrolle und parallel dazu im Fernsehen "Mendt & Band". Mit der ORF-Bigband vom Erich Kleinschuster. Wo wir internationale Gäste begrüßt haben wie Michel Legrand, Frank Rosolino, Paulchen Kuhn oder Etta James. Und ich durfte das präsentieren und hab auch bei jeder Sendung gesungen. Das war für mich eine sehr schöne Zeit. Dass ich das UND das machen durfte. Und dass ich auf beiden Gebieten akzeptiert wurde. Das war schön. Aber es gibt so viele Höhepunkte. Es gibt Gott sei Dank wenig Tiefschläge, wenig bis gar keine. Entweder fallen sie mir jetzt nicht ein oder ich hab sie verdrängt, was ja gut ist. Die Höhepunkte sind ... Natürlich Fernsehen als solches. Und ich war ja sehr viel unterwegs und hatte oft mein Kind mit ... Der Höhepunkt meines Lebens ist natürlich die Anna, meine Tochter, 14. November '79, das war der absolute Höhepunkt. Und auch in den 80er Jahren bin ich noch viel herumgefahren, war auf Tourneen, aber da ist die Anna immer zum Teil mit gewesen oder hat mich besucht und so. Aber '85, wie die Anna dann zur Schule kam, hab ich gesagt: "Jetzt fahr ich nicht mehr, ich bleib in Wien." Ich möchte schaun, ob es mir gelingt, dass ich in Wien ein längeres Engagement krieg, nicht hier und da ein paar Wochen. Das muss doch als österreichischer Künstler möglich sein. Meine deutsche Managerin war sehr böse auf mich, wir trennten uns da. Sie meinte, das sei keine Einstellung zu diesem Beruf. Aber ich wollte in erste Linie Mutter sein, trotz allem. Das war aber ein großes Risiko, weil ich nicht wusste, wie geht's weiter als Freischaffende, ich war ja nirgends engagiert oder hab mein monatliches Salär irgendwo bekommen. Und siehe da, irgendwie hat sich dann wieder eine Tür aufgetan. Die Anna war in der Schule, ich war erst im Raimundtheater. "Die Gigerl von Wien" hab ich gespielt. Dann hab ich noch was gespielt, wie heißt das wieder ... Fällt mir jetzt nicht ein. Carl Michael Ziehrer mit dem wunderbaren Gideon Singer. Dann war ich im Fernsehen, ein paar kleine Rollen. Dann meine Auftritte. Zu Konzerten bin ich schon gefahren, nach München und Hamburg, also wo sie mich engagiert haben. Aber das waren drei Tage, dann war ich wieder in Wien. Und natürlich war das größte Glück für mich der "Kaisermühlen Blues". Weil da habe ich hauptsächlich in Wien gedreht. Und die Anna ist in die Schule gegangen. Die Anna hat maturiert und der "Kaisermühlen Blues" war zu Ende. So ungefähr, das war parallel. Und am Anfang, als sie mir Tourneen und alles anboten, sagte ich: "Nein, bitte ruft erst wieder an, wenn die Anna maturiert hat." Da war sie noch ein Zwergerl. Und so war's dann auch. Ich durfte wirklich, Gott sei Dank, mein Geld in Österreich verdienen, also hauptsächlich in Wien, und mein Kind ist zur Schule gegangen, und so hatten wir's schön. Die Musikwerkstatt als Verein gibt es ja schon seit zehn Jahren. Das ist ein Verein, der Produktionen beinhalten sollte, und wo damals meine "Momendts", meine zwei großen Konzerte, im Ronacher unter diesem Titel "MM-Musikwerkstatt" stattfanden. Der Verein hat das so quasi veranstaltet. Da haben wir den Verein gegründet. Dieser Verein hat bestanden und hat nur parallel was mit dem zu tun, was ich jetzt mache. Ich hab 2004, nachdem es mich immer geärgert hat, dass, wenn Festivals in Österreich stattfinden, keine österreichischen Musiker engagiert werden ... Also, ganz selten im Vorprogramm. Und ... Ja ... Manchmal in irgendwelchen ... Im Rahmen des Jazzfest Wien, sag ich mal. In einem Lokal, wo man das ganze Jahr über spielt, aber dann stand halt: "Im Rahmen des Jazzfest Wien." Also, mich hat diese Ignoranz der österreichischen Musik geärgert. Vor allem der Jazzmusiker. Da dachte ich, vielleicht gelingt es mir, ein Festival zu gründen, das fast nur von österreichischen Musikern bestritten wird. Fast. Das heißt ja nicht, dass wir nicht sehr viele junge Freunde oder Kollegen auch aus dem Ausland bei uns haben. Das war einmal die erste Idee. Und mit der Idee bin ich damals zum Erwin Pröll gegangen und hab gesagt, das würde ich gerne machen wollen. Und dann kam parallel dazu der Gedanke: Wenn wir so tolle Profimusiker haben, die auch unterrichten, dann muss es ja auch talentierte junge Leute geben. Ich wusste, dass es in Graz, in Klagenfurt, in Dornbirn, in Linz, in Wien sowieso große ... Kunstunis, Konservatorien oder Musikschulen gibt, wo Jazz unterrichtet wird. Diese Musikwerkstatt ist dann zwei Jahre brach gelegen. Und dann habe ich sie 2004 wieder ins Leben gerufen, indem ich das Festival und die Jazz- nachwuchsförderung gegründet hab. Ich hab eben dieses ganze Projekt entwickelt. Zusammen mit meinen super Musikern. Und somit fahren wir übers Jahr durch ganz Österreich und suchen und finden, wir sind immer fündig, Jazznachwuchs. Die spielen und singen uns vor. Dann kommen sie hier in diese Werkstatt, die mittlerweile Formen angenommen hat, früher gab's ja keine Lokalität. Aber seit ... 2006 hab ich auch dieses Probenlokal und Studio und Büro, wo dann auch kreativ gearbeitet wird, wo aufgenommen wird, wo geprobt wird. Wo die Youngster von Österreich hierher kommen. Also die, die ausgesucht wurden, die beim Festival dabei sein dürfen. Die proben hier und dann geht's auf nach St. Pölten. Dort findet dann das Festival statt. Das eben sowohl für die jungen Talente gestaltet wird, als auch für die G'standenen. Ich hab ja schon vorhin gesagt, dass Talent nicht ausstirbt. Und diese ganze Jazznachwuchs- förderung bestätigt mir ja, dass man dieses Projekt unbedingt weiter forcieren muss. Dass die Leute ... Man muss eine ein bisschen breitere Masse erreichen können. Das wäre mir so wahnsinnig wichtig. Das heißt, es muss durch die Kraft und die Musikalität, die die Jungen haben, eine größere Breitenwirkung geben. Das heißt, dass die Medien auch mithalten müssen. Dass das nicht in den Medien ignoriert wird. Ich glaube, je mehr Junge da kämpfen an der Front, im positiven Sinne natürlich und im qualitativ wertvollen Sinne, das ist ganz wichtig, desto mehr ist diese Art von Musik sicher etwas für Menschen, die glauben, Jazz ist etwas Spezielles. Das stimmt. Aber Klassik ist auch was Spezielles, es geht nicht immer nur umsta-umsta-umstata. Das wäre das Einfachste für die Ohren. Das heißt, man muss Ohren erziehen. Und Ohren kann man nur erziehen, wenn sie's hören. Dazu muss es aber in den Medien vertreten sein. Und dafür kämpfe ich. Ich hoffe, dass da jetzt ... - sei's in den Öffentlich-Rechtlichen, sei's in den Privatsendern - dass das ein bisschen mehr gepflegt wird und publiziert wird, weil es den Jungen auch so viel Spaß macht. Es ist wirklich eine Freude, den Jungen zuzuhören, wie sie spielen, singen, was auch immer. In einer wirklich qualitativen Form. Hut ab, kann ich nur sagen. Beim letzten Festival hatten wir wieder 15 junge Leute bei einer Live-Sendung auf Radio Niederösterreich. Da haben diese 15 jungen Leute gesungen und gespielt, zusammen mit der MM-Band. Das war sensationell. Und das muss halt mehr publiziert werden, nichts anderes. Dann mögen es auch die Leute, denn die, die's hören, finden's eh toll. Das gefällt ihnen und ich weiß es ja. Das ist ja kein Gedudel. Ich glaube, man verbindet immer Jazz mit Freejazz. Und Freejazz hat halt einen fahlen Geschmack, wo man vielleicht dem Freejazz auch Unrecht tut. Ich persönlich mag ihn nicht, aber das ist Geschmackssache. Aber das allgemeine Publikum verbindet Jazz mit Freejazz. Aber dem ist nicht so. Jazz ist eine unheimliche Palette von wunderbarer Musik, von gefälliger Musik. Manchmal vielleicht ein bisschen anspruchsvoller, das soll ja auch so sein. Man soll sich ja nicht so bequem auf die Ohren setzen und sich nur andudeln lassen. Aber ... das verdient nun mal eine größere Plattform. Und dafür kämpfe ich. Meine Radiosendung auf ORF Niederösterreich läuft einmal im Monat und heißt "Jazz Mendt Live". Und die mache ich jetzt schon seit ich das Festival habe. Also, das heißt, schon das achte Jahr. Anscheinend kommt sie sehr gut an, sonst hätten sie sie ja abgesetzt. Das ist ganz einfach zu erklären. Also scheint das für die Leute eine Abwechslung zu sein. Die einen rennen zum Radio, sagen, um Gottes Willen und drehen ab um 21 Uhr, und die anderen drehen absichtlich auf. Es muss ja eine Zuhörerschaft geben, sonst hätten sie gesagt: "Marianne, ist gut, aber keiner hört dir zu." - Das wär blöd. Also, es scheint anzukommen. Als ich so in den 70er Jahren sehr viel unterwegs war, und äh ... Also sehr viel in Deutschland. Ich hab besonders in Deutschland Theater gespielt und fürs Fernsehen gedreht, damals gab's noch große Sendungen. Und da bin ich auch dem Werner Schneyder begegnet. Dem y-Schneyder, Dr. Schneyder. Und der hat gesagt: Warum fährst du ... Ach ja - und in der Zeit hab ich mir meine Wohnung in Wien gekauft. Und da hat der Werner Schneyder zu mir gesagt: Wieso kaufst du dir jetzt in Wien eine Wohnung, wo du doch eh dauernd in München, Hamburg und Zürich bist. Warum möchtest du nach Wien? Und da hab ich meinen Grund damals genannt: Mama, Papa, Fledermaus. Also, das war die Fledermaus-Bar vom Gerhard Bronner. Immer, wenn ich in Wien war, war ich in der Fledermaus-Bar. Und meine Eltern sowieso. Also, der Grund, warum ich mich in Wien angesiedelt habe, obwohl ich schon in jüngsten Jahren viel unterwegs war, war: Mama, Papa, Fledermaus. Ich glaube, dass Wien in den letzten 40 Jahren, und das kann ich aus meiner Sicht beurteilen, unheimlich aufgeholt hat. Wien war in den 60er, 70er Jahren ein bisschen hintenanstehend. Also, wenn ich mir als junges Mädel in Stockholm Stiefel gekauft habe, hat's die zwei Jahre später erst in Wien gegeben. Oder die Mode an sich ... Das ging auch bis zu den Kinofilmen. Die ganze Kultur. Auch im Nachtleben, soweit ich's beurteilen konnte, war nicht wirklich viel los. Und das hat sich alles so zum Positiven entwickelt. Wien ist viel schöner geworden. Wien ist ... Also, ich bin stolz, wenn ich Freunden aus dem Ausland Wien zeige. Da denk ich jedes Mal: Ist das eine schöne Stadt! Sie ist einfach wunderbar. Sie ist lebenswert, sie ist liebenswert. Wenn man die richtigen Leute kennt. Es gibt auch, wie wir wissen ... Aber die gibt's ja überall. Sie ist gemütlich. Ich find sie sehr gemütlich. Und es brodelt an Kultur. Also das ist etwas, ich glaube, das hat keine Stadt so vielfältig, zumindest nicht im deutschsprachigen Raum. Ich glaube, wir haben 65 Theater. Also, bis hin zum kleinsten Kellertheater. Wir haben sehr viele Klubs, wo auch Livemusik stattfindet. Das ist ja auch wieder etwas, was mich so wurmt: Warum weiß das die Öffentlichkeit nicht? Man muss ja gezielt irgendwohin gehen. Und da spielt sich alles ab und es ist wirklich schön. Nur, wenn's nur im eigenen Saft brodelt, dann ist es zwar sehr lustig und sehr bequem und sehr unterhaltsam und sehr gemütlich. Aber ich finde, dass wir das, dieses Kulturerbe, das wir auch haben ... Wir haben so viel Talent! Und das meine ich nicht so ... Ich glaube, dass der Wiener begabter ist als so der Schnitt von allen anderen. Nur, wenn sie immer im eigenen Saft brodeln, kommt halt nichts raus - außerhalb von Wien. Ja, das ist jetzt so übertrieben, was ich sage, aber ich bin schon der Meinung, man muss auch was tun dafür. Ja. Jeder.
Archiv-Video vom 12.08.2014:
Bitte beachten Sie, dass die Inhalte (Termine, Kontaktmöglichkeiten,...) möglicherweise nicht mehr aktuell sind.
Marianne Mendt (Sängerin/Schauspielerin)
Lange galt der Begriff "Austropop" als Gütesiegel für österreichische Popmusik mit einem speziellen Augenmerk auf den heimischen Dialekt, als Markenzeichen. Marianne Mendt war hierfür Initialzündung. Aber nicht nur dafür kennt, schätzt und liebt man sie: "Die Mendt" zählt zu den engagiertesten Jazzsängerinnen, ist gefeierte Schauspielerin und mittlerweile auch musikalische Men(d)torin für eine junge Generation von Musikerinnen und Musikern.
Länge: 37 Min. 21 Sek.
Produktionsdatum: 2013
Copyright: Stadt Wien