Mitschrift
Ich erinnere mich gut
an einen Novembertag, nebelig,
eine Schar mongolischer Reiter
sprengte auf mich zu.
Und in gebrochenem Deutsch
der Anfuehrer sagte:
"Schreib! Von nun an schreib,
oder ich hack dir beide Haende ab."
* ruhige Klaviermusik *
Das Museum ist die Architektur
gewordene Quellensammlung
fuer die Erzaehlung.
Ob das nun Gegenstaende, Skulpturen
und Kleider sind wie hier,
oder ob es "nur" Gemaelde sind,
die alle Fenster jeweils darstellen
in eine andere Zeit,
wenn sich ein Erzaehler vorstellt,
wie beginnt meine Geschichte, wie
verlaeuft sie, wie soll sie enden?
Das heißt, man bedient sich immer
vieler, sogar unzaehliger Quellen.
Die Arbeit des Schreibens laesst sich,
da sie dynamisch ist, sich aendert ...
Mit jeder Seite, die man
zu einem halbwegs guten Ende bringt,
mit jedem Absatz, jedem Satz,
den man zu einem guten Ende bringt,
veraendert sich auch
die Art des Schreibens.
Das heißt, es ist etwas Unabsehbares
mit dem Schreiben verbunden,
vom dem man ... Ich kann auch
selber nicht sagen, wohin mich ...
Ich kann nicht einmal sagen, wohin
mich die naechsten zehn Seiten fuehren.
Also, die Zuschreibungen, ob ich ein
Poet, ein Romancier, Schriftsteller,
Erzaehler ... die haben mich
nie interessiert.
Weil alles von diesen Kategorien
des Schreibens
eine gewisse Rolle spielt
beim Erzaehlen.
Wann immer etwas fehlt von diesen
Impulsen, bleibt ein weißer Fleck.
Archiv-Video vom 20.11.2018:
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Portrait Christoph Ransmayr - Preis der Stadt Wien für Literatur 2018
Christoph Ransmayrs literarische Arbeit zeichnet sich von Beginn an durch eine besondere sprachliche Qualität aus. Seine Texte sind im besten Falle das, was man welthaltig nennen kann, in ihrem wachen Interesse an Sichtbarem wie Verborgenem, an einer Erfahrung der Welt in inneren wie äußeren Bedingtheiten, in Fremdheit und nachwirkender Geschichte. Seine Auseinandersetzung mit dem Mythos ist für die Literatur der Postmoderne prägend geworden, seine Genrevielfalt von der Reportage über den Roman bis zum epischen Gedicht beispielhaft.
Länge: 1 Min. 43 Sek.
Produktionsdatum: 2018
Copyright: Maximilian Brustbauer / Karl Anton Wolf-Stiftung