Mitschrift
Mein Elternhaus war eine Elternwohnung, eine sehr kleine, in den sogenannten Krankenkassen-Häusern. Mein Vater hat eine Autoreparatur-Werkstatt im vierten Bezirk gehabt. Die ist bei der berühmten Wirtschaftskrise, ich war noch nicht auf der Welt, zugrunde gegangen. Er stand vor dem Nichts und hat eine billige Wohnung zugewiesen bekommen. In Simmering. Am Kanal 75 war die Adresse, eine gute Adresse. Und dort bin ich aufgewachsen und in die Volksschule gegangen. Mein Vater hat dann einen Job bei den Saurerwerken bekommen, die in der Nähe waren auf der Simmeringer Heide, als Werkmeister. Im Lauf des Krieges ... Es war dann so: Mein Vater war gebürtiger Pole aus Galizien, allerdings österreichischer Staatsbürger aus der Monarchie. Und er hat mit mir polnisch gesprochen als Kind und wurde angezeigt von den Nazis. Das war strengstens verboten. Er war ja sowieso ein Untermensch als Pole. Man durfte also nicht mit den Kindern ... Dadurch kann ich leider nicht Polnisch, was mir niemand glaubt, wenn ich, Thaddäus Podgorski, in Polen bin. Jeder glaubt, dass ist so ... von mir irgendeine Imagination. Wurscht. Mein Vater wurde dienstverpflichtet, so hat das geheißen. Das ist so eine ... ja, so eine Vorstufe zum Gefängnis. Und er wurde nach Deutschland ... .. beordert, nach Halle an der Saale. Und er hat dort ... .. V1 und V2 zusammengebaut. Unter Tag, das waren so Stollen. Er durfte nur zweimal im Jahr schreiben, kommen durfte er nicht. Das war eine wirklich sehr unangenehme Situation. Er hat eine Gruppe von KZ-Häftlingen zugeteilt gehabt, die dort Zwangsarbeit gemacht haben. Sinnigerweise oder absichtlich waren das lauter Polen. Er durfte aber mit denen nicht polnisch sprechen. Wenn er erwischt worden wäre, wäre er selber ins KZ gekommen. Aber hier und da hat er mit ihnen gesprochen. Sie haben sich eine Zwiebel gewünscht. Also hatte mal er eine für sie in der Aktentasche. Und die SS hat diese Zwiebel entdeckt. Und daraufhin wurde mein Vater insofern bestraft, als er nicht mehr in den Luftschutzraum dieses Betriebes gehen durfte. So wie die Häftlinge ja auch nicht. Die erste große Bombe, die gefallen ist, ist auf diesen Schutzraum gefallen. Alle waren tot. Durch dieses Verbot, nicht dort sein zu dürfen, hat er überlebt. Es gibt schon gute Massel hier und da. Ich hab eine Schwester gehabt, die leider vor Kurzem verstorben ist. Die war Solotänzerin an der Oper. Meine Mutter stammt aus Niederösterreich und hat mehrere Schwestern gehabt: Tante Judith, Tante Mitzi, Tante Fanni, viele Schwestern. Die Tante Mitzi lebte im Schloss Erlaa. Das hatte jüdische Besitzer, die Goldschmids. Meine Tante war die Obermacherin, die Beschließerin, die Köchin, alles in einem. Die hat, als die Familie wegmusste, die sind nach Belgien emigriert und von dort nach Amerika, da hat sie das Schloss weitergeführt. Das war für mich als Kind sehr interessant, dort die Ferien zu verbringen, in einem echten romanischen Schloss. Das war sehr lustig. Und die Bauernbuben rundherum, das waren meine Freunde. Wir haben es sehr schön gehabt. Das Schloss Erlaa war in der Nähe von St. Valentin. Meine Mutter stammte auch aus St. Valentin. Ihr Vater war Müllner, Müllner und Fuhrwerksunternehmer. Und ich hab dann im Jahr '45 ... Da ist zuerst die SS auf dem Rückzug gewesen dort und dann sind die Russen gekommen. Mein Vater ist mit einem Fahrrad, Damenfahrrad, von Halle an der Saale nach Spital am Pyhrn gefahren. Dort gab es auch Verwandtschaft. Meine Tante Julie war dort. Er hat sich aber nicht in die russische Zone getraut, weil er Angst hatte, dass ihn die Russen vereinnahmen, weil in der Zwischenzeit wurde sein Geburtsort Russland. Kalusch, das ist Ukraine geworden. Also war die Familie getrennt. Meine Schwester war in Linz am Landestheater engagiert, ich war mit meiner Mutter in St. Valentin und habe dort die erste Klasse Hauptschule gemacht. Und das war ... Ich habe einen Schulweg von einer halben Stunde gehabt, was ziemlich weit ist für einen jungen Burschen oder für ein Kind in dem Fall. Aber ich hab mich befreundet mit einem Russen, der war wunderbar. Der hat Michel geheißen und hatte einen Panjewagen und war 18 Jahre alt. Wir haben in einer Gärtnerei beim Schloss gewohnt, die war ein bisserl unten. Immer wenn er oben aufgetaucht ist, hat er mit seiner MP in die Luft geschossen. Da wusste ich, er ist da und führt mich in die Schule. Meine Mutter hat immer einen Schreikrampf gekriegt, weil sie glaubte, das ist ein russischer Überfall. Aber das hat zur Regel gehört: Er hat geschossen. Dasselbe hat er gemacht, wenn er mich von der Schule abgeholt hat. Da sind die Lehrerinnen wieder hysterisch geworden. Auf diese Art war ich dort bald eine gewisse Respektsperson. Ich hab dort die erste Klasse Hauptschule gemacht. Dann, bei der Familienzusammenführung ... Wir sind dann nach Spital am Pyhrn zu meinem Vater. Der war dort beschäftigt bei meinem Onkel, der eine Autowerkstatt, Spenglerei und Schmiede gehabt hat. Der hat meinem Vater einen Job gegeben und wir sind nachgezogen. Meine Schwester ist in Linz geblieben und ist immer nach Spital am Pyhrn gekommen. Ich habe immer Heimweh nach Wien gehabt. Wo immer ich war. Hab das auch immer so im Hinterkopf gehabt, Wien. Dadurch, dass im Stiftsgymnasium im Internat auch viele Wiener waren, hab ich immer so einen leichten Kontakt mit dem Wienerischen gehabt. Aber es war natürlich weit, weit weg. Ich war nicht so lange in Wien. Bis nach der ersten Klasse. Ja, nach der zweiten, nach der dritten, die vierte Klasse Volksschule habe ich nicht gemacht, aber das ist weiter nicht aufgefallen. Ich war zwischendurch immer wieder in Wien, weil meine Schwester war in der Zwischenzeit wieder in Wien. Sie hat hier getanzt und hat dann geheiratet und hat eine Familie gegründet. Dadurch war ich schon als Mittelschüler gelegentlich in Wien und bin dann nach der Matura '53 nach Wien gezogen, um hier Germanistik und Kunstgeschichte zu studieren. Ja, Wien war ... * Er lacht. * Gegen Admont war's New York. Das kann man sich nicht vorstellen, diesen Kontrast. Für mich war das eine pulsierende Großstadt. In Wirklichkeit war's natürlich ... armselig. Wien war in einer nicht sehr schönen Situation damals. Es hat wahnsinnig viele Baulücken gegeben. Teilweise sind sehr viele Ruinen noch gestanden. Es war wenig Verkehr, was ja ein Vorteil war, aber es war unglaublich ... Es war schlechte Straßenbeleuchtung und es waren wenig Lokale. Die Leute waren schlecht angezogen. Interessanterweise sind viele Leute damals in Tracht gegangen. Vielleicht war das billiger oder sie haben sie noch gehabt. Die Männer mit Knickerbockern und Lederhosen und die Frauen viel im Dirndl. Hubertusmäntel. Wien war eigentlich wie eine Provinzstadt. So ist einem das vorgekommen später. Am Anfang hab ich geglaubt, das sei der Mittelpunkt der Welt. Und ... Ja. Aber es war alles irgendwie besonders. Das war alles was ganz Besonderes. Eine Bar war was Besonderes. Es hat, glaube ich, drei Bars in Wien gegeben. Die Eden-Bar und die, die ... In Grinzing die Trummelhofbar und noch irgendeine und dann war's aus. Dort hinzugehen war fast unmöglich, war zu teuer. Die Leute und die Schleichhändler, das hat alles geblüht. Der Resselpark. Und viele, viele Besatzungssoldaten. Amerikaner, Russen, Franzosen. Am präsentesten waren die Amerikaner. Die haben alle Lokale bevölkert, haben auch eigene Lokale gehabt. Viele dieser amerikanischen Dienststellen haben auch Österreicher beschäftigt. Ich habe mich oft beworben in der Boltzmanngasse zum Autowaschen. Das habe ich aber nie bekommen. Leider. Mein späterer Freund Lucky Schmidtleitner war Schwimmlehrer in einem amerikanischen Schwimmbad. Von den Amerikanern haben viele gelebt. Dann hat es diese Einkaufsgeschäfte gegeben, wo nur die amerikanische Armee einkaufen konnte. Die Österreicher, die dort gearbeitet haben, durften auch dort einkaufen. Die hatten besondere Sachen. Also alles, was amerikanisch war, war paradiesisch. Hat sich ja geändert. Ich hab studiert und war immer ein leidenschaftlicher Theaterfreak. Ich habe natürlich mir was verdienen müssen. Und am liebsten macht man das mit einer Arbeit, die man gern macht. Also habe ich versucht, im Theater zu statieren und habe in der Staatsoper begonnen. Das war relativ einfach. Da war es so, da haben die Statisten, die mitmachten, auf den Spielplan geschaut und gesagt: "Heute ist 'Aida'. Heute brauchen sie Leute." Und dann war am Bühneneingang eine Menschentraube. Viel mehr, als sie brauchten. Dann ist der Statistenführer, ein ehemaliger Tänzer, seinen Namen weiß ich nicht mehr, der ist herausgekommen und hat eine Selektion gemacht: "Du ... und du." Und die haben gesagt: "Bitte, nehmen S' mich. Ich hab schon zwei Tage nichts 'gessen." "Nichts, du bist zu klein." "Du, und dann du ..." Und ich hab mich immer so vor ... Nicht. An mir immer vorbeigeschaut. Und dann hab ich mich umgedreht und wollte gehen. Dann hat er gesagt: "Hallo, du!" Und: "Komm her da!" "Du hast eine gute Figur. Du spielst heut nackert." Ich habe nicht gewusst, was das für eine schreckliche Bedeutung hat. Ich wurde vollkommen schwarz geschminkt und bin als nackter oder halbnackter Mohr beim diesem Gefangenenzug der "Aida" mitmarschiert. Dafür hat man 12,50 Schilling gekriegt, was auch damals wenig war. Sehr wenig. Ich hatte die Alternative: Ich habe ein Untermietzimmer in Grinzing gehabt. Entweder ich fahre mit der Straßenbahn und ess nichts oder ich esse eine Gulaschsuppe und laufe heim. Ich habe damals eine gute Kondition gehabt und bin sehr oft heimgelaufen mit der Gulaschsuppe im Bauch. Ich habe dann auch am Burgtheater und oft am Volkstheater gespielt, aber auch schon in Kellertheatern: im Kleinen Theater im Konzerthaus schon größere Rollen, im Parkringtheater und beim Theater der Jugend. Das waren immer nur so punktuelle Vorstellungen, sonst hätte ich das nicht machen können. Im Volkstheater war es auch meistens nur ein Stück. Das war im Monat fünf Mal oder so. Und da haben wir einmal "Androklus und der Löwe" gespielt, da habe ich einen römischen Soldaten gespielt. Regie hat Günther Haenel geführt, damals ein berühmter Regisseur. Ein Deutscher. Und der hat dann gesagt: "Ach, du bist ein begabter Junge." "Mit dir mach ich was." Und daraufhin hat er mich immer wieder engagiert. Ich hab während der Arbeit Schauspielunterricht gekriegt. Ich war dann am Volkstheater mit einigen Rollen tätig. Nicht fix, aber doch. "Die kleine Stadt" hab ich gespielt, alles Mögliche. Ich hab aber natürlich auch nur einen Hungerlohn gehabt. Und irgendeiner hat mir gesagt: "Geh doch zum Radio. Schau, du hast doch eine gute Stimme." Wenn jemand "Radio" gesagt hat, war für mich der amerikanische Sender Rot-Weiß-Rot gemeint. Weil der österreichische Rundfunk, damals noch RAWAG, war unerträglich. Das Programm war ... Das kann man sich nicht vorstellen. Die RAWAG war ein Monsterbetrieb schon vor dem Krieg. Sie war total beherrscht von der ÖVP damals, von den Christlich Sozialen. Das heißt: von der Vaterländischen Front und von den "Hahnenschwanzlern". Es waren dort in den leitenden Positionen und auch in den weniger leitenden Positionen nur "Hahnenschwanzler" und Ähnliches. Und nach dem Krieg ... .. sind die weiter dort geblieben. Es sind nur ein paar Nazis dazugekommen. Und die haben auch nach dem Krieg das Geschehen im Rundfunk bestimmt. Das Ganze war natürlich vom Programm her ein sehr reaktionäres, altmodisches und fades Programm. Die Russen können nicht viel dafür, die haben nur die "Russische Stunde" gemacht, das war im wahrsten Sinne des Wortes nur eine Stunde am Tag. Ich glaub, die "Russische Stunde" war noch das Beste am Programm. Den Rest haben die gemacht, die schon vor dem Krieg das Programm gemacht haben. Für einen jungen Menschen und für einen alten war das unanhörbar. Die haben so Salonmusik gespielt, keinen Schlager, von Jazz nicht zu reden. Unglaublich! Also bin ich nicht zur RAWAG gegangen, um was zu kriegen, sondern zum Sender Rot-Weiß-Rot. Der Sender Rot-Weiß-Rot war einer der Besatzungssender. Die Engländer haben in Graz und Klagenfurt einen Sender gehabt, und es haben die Franzosen einen in Innsbruck gehabt. Und der Sender Rot-Weiß-Rot hat ursprünglich geheißen: "Sender Rot-Weiß-Rot, Wien, Salzburg und Linz". Das war die amerikanische Zone. Also, Wien zum Teil. Und Salzburg und Linz war auch Rot-Weiß-Rot. Und der Sender Rot-Weiß-Rot wurde von amerikanischen CIA-Leuten aufgezogen. Er bestand hauptsächlich aus ... Also, die Leute, die da gekommen sind, waren in Uniform, waren österreichische oder ungarische emigrierte Juden. Die mit sehr viel Verständnis, sehr viel Kenntnis von Wien und Österreich, diesen Sender gemacht haben. Ohne die Fesseln irgendeiner Parteipolitik. Die mussten keinen Figl, keinen Raab und wie die alle hießen, fragen, sondern haben einen Sender gemacht, wie er in Amerika üblich war: mit viel guter, neuer Musik, mit lockeren Interviews und mit Nachrichten, die auf dem letzten Stand waren und nicht umständlich waren. Es war ein sehr erfrischendes Produkt. Es war amerikanische Propaganda auch, aber die ist kaum aufgefallen, die haben wir ja gern gehabt. Wir waren selber Propagandafiguren für die Amerikaner, weil wir alles Amerikanische geliebt haben. Eines ist mir aufgefallen bei diesem Sender: Sie haben der Gewerkschaft sehr viele Sendeplätze eingeräumt. Sie waren überhaupt sehr sozialistenfreundlich, damals haben die Sozialdemokraten ja noch Sozialisten geheißen. Sehr sozialistenfreundlich, weil sie große Angst gehabt haben vor den Kommunisten und der kommunistischen Propaganda und der Ausweitung des Kommunismus in Europa, vor allem in Österreich. Und da haben sie sozialdemokratische Institutionen sehr unterstützt, die ja vom ersten Augenblick an sehr antikommunistisch waren. Und jetzt fehlt diese Gefahr, diese kommunistische, und jetzt wird auf die Sozialdemokraten gepfiffen. Im Sender haben sie ein sogenanntes Script-Department gehabt. In dem Script-Department waren Leute, österreichische Intellektuelle vereinigt, die einfach so eine ... Denkfabrik dort gemacht haben. Dort habe ich den Qualtinger kennengelernt, den Jörg Mauthe und den Peter Weiser. Und dort war der Kurt Moldovan, merkwürdigerweise als Maler, und es war die ... Wie heißt die österreichische Lyrikerin, die in Rom gestorben ist? Die, die ... (Interviewer:) Ingeborg Bachmann. - Wie gesagt, er war dort ein derart lebhaftes, intellektuelles, kulturelles Leben. Das hat sich auch im Programm niedergeschlagen. Die "Radiofamilie" wurde dort erfunden und der "Watschenmann". Es hat ja noch kein Fernsehen gegeben. Die Leute sind wirklich am Radio gepickt, um sich diese Sendungen anzuhören, die unglaublich breitenwirksam waren. Als der Sender zumachte, gab es diese Sendungen nicht mehr. Der Österreichische Rundfunk hat nichts übernommen. Einmal kurz den "Watschenmann", aber nach einigen Interventionen der Politik war auch das abgedreht. Ich erinnere mich an die letzte Sendung. Es hat eine Sendung gegeben: "Musik zum Träumen", die habe ich mit der Louise Martini gemacht. Wir sind beide gesessen und haben geheult während der Moderation. Wie die ... Wie heult man? Wie die Ratzen! Das Datum weiß ich nicht genau. Auf jeden Fall bin ich in das Planungsbüro des Fernsehens gegangen, dessen Chef ein gewisser Gerhard Freund war. Der war Schauspieler in Baden und den kannte ich flüchtig. Der hat die Gewerkschaftssendung gemacht beim Sender Rot-Weiß-Rot als Regisseur. Sehr gut habe ich ihn nicht gekannt. Aber der eigentliche Chef vom Fernsehen war ein Professor Gregora, der war ÖVP-Mitglied, war ehemaliger Lehrer und hat den Schulfunk im Radio gemacht. Und der wurde auserkoren, Fernsehchef zu werden, weil er im Radio eine Fotosendung gemacht hat. Das ist beachtlich. * Interviewer lacht. * Zu dem bin ich gar nicht gegangen, sondern zum Freund. Der Freund hat also dann gesagt, der hat so einen S-Fehler gehabt: "Was können S' denn?" Sag ich: "Na ja, alles." "Können S' Filme textieren?" Sag ich: "Vor allem das kann ich." Ich habe nie in meinem Leben einen Film textiert! Hat er gesagt: "Wir machen so eine aktuelle Sendung wie die Wochenschau." "Aber nicht einmal, sondern zweimal in der Woche, wir sind ja aktuell." "Für diese Sendung brauchen wir einen Titel." "Wenn Ihnen einer einfällt, sagen S' mir das." "Wir treffen wir uns morgen wieder." Und ich hab krampfhaft über einen Titel nachgedacht, hab kaum schlafen können, bin immer wieder aufgewacht. Jeder Titel, der mir einfiel, war schlecht. Furchtbar! Ich habe mir gedacht: Mit den Titeln, die ich da habe, brauche ich gar nicht hingehen. Ich bin aber doch hingegangen. Er sagte: "Ist Ihnen was eingefallen?" Ich: "Nein." "Irgendwas." "Ich trau mich nicht, weil's so schlecht ist." "Das ist wurscht." "Sagen Sie's, vielleicht fällt dann mir was dazu ein." Dann hab ich gesagt: "Na ja, ich habe mir gedacht, 'Zeit im Bild'." Da hat er mich angeschaut und gesagt: "Gut ist's wirklich nicht." "Aber lassen wir's dabei." Und so hat sich das Sprichwort von den österreichischen Provisorien, die ewig halten, wieder einmal bewahrheitet. Leider krieg ich keine Tantiemen für den Titel. Es ist altmodisch und irgendwie ... "hahnenschwanzlerisch". Das könnte eine Erfindung von einem ... Ja, furchtbar. Wie aus einem Bauernkalender, "Zeit im Bild", das ist nicht gut. Aber, wie gesagt, man kann sich jetzt nichts anderes vorstellen. Ich war jetzt, wie das so schön geheißen hat, leitender Redakteur. Zunächst war ich allein und war für diese Sendung verantwortlich. Für die Filme, für die Texte, für die Zusammenstellung, also alles, um es zur Sendung zu bringen. Es wurde häufiger. Dann gab es schon viermal in der Woche eine Sendung. Da ist der Gerhard Stappen dazugekommen. Dann waren wir zu zweit und haben das gemacht, die ganze Sendung. Und in der Zwischenzeit haben wir's so gemacht, dass ab und zu ein Interview im Studio live stattgefunden hat, innerhalb der "Zeit im Bild". Wir haben versucht, das Ganze ein bisserl aufzumöbeln. Es war schwer, die Mittel waren nicht da, es war kein Geld da. Es war eine sehr, sehr schwierige Phase. Und dann hat man uns ... Es ist der Freund gekommen, der Direktor, und hat gesagt: "Ich muss euch was sagen, ich muss euch einen vor die Nase setzen." "Weil der Professor Henz ...", der war Programmdirektor vom Rundfunk, vom gesamten Rundfunk, also auch vom Fernsehen. Der hat einen Betriebsrat politisch gebraucht für eine Abstimmung aus Klagenfurt. Der Betriebsrat hat Dörflinger geheißen, ein Tontechniker. Der wurde uns als Chefredakteur vor die Nase gesetzt. Ich bin dreimal rausgeflogen aus dem ORF. Da hat er noch nicht ORF geheißen. Einmal bin ich rausgeflogen, weil ich auf Sendung ... Weil ich in meiner Sendung "Echo Nachtausgabe" in der Einleitung gesagt habe: "Heute Abend dirigierte der Afrikaner Herbert von Karajan 'Die Walküre'." Der war damals aus Steuergründen Staatsbürger von Tanga. Da flog ich das erste Mal raus. Da ist der Henz damals in der Loge vom Karajan gesessen. Na gut, ich bin dann zum Karajan gegangen ... Ich hab das nicht gewusst, ich war Ski fahren. Wie ich zurückgekommen bin, hatte ich Hausverbot. Das war ... Es wird ja nicht geredet mit einem. Ich bin zum Portier. Der hat gesagt: "Sie können wieder heimgehen." Ich: "Was ist denn los?" "Sie haben Hausverbot." Ich habe gar nicht gewusst, worum es geht. Da habe ich den Fischer-Karwin angerufen, der hat mir gesagt: "Das mit dem Karajan, das war ja wirklich höchst unschlau von Ihnen." Da hab ich gesagt: "Ja, gut ..." Damals war gerade ein Karajan-Streit in Österreich deswegen. ".. Er ist aus Steuergründen Staatsbürger von Tanga und daher im weitesten Sinn des Wortes Afrikaner." Also gut. Der konnte auch nichts machen für mich. Er ist zwar zum Henz gegangen, um für mich zu intervenieren und der gesagt: "Jetzt hab ich mir den Akt kommen lassen von dem Podgorski." "Und da hab ich nachgeschaut. Das ist ja ein ganz junger Mensch!" Und Fischer-Karwin hat gesagt: "Sehen Sie, und das ist gefährlich, dass Sie jung sind." Dann bin ich zum Karajan gegangen und hab gesagt: "Mich haben sie Ihretwegen rausgehaut." Und er: "Ungeheuerlich, was Sie da gesagt haben." "Wieso sind Sie so braun?" Ich: "Ich war Ski fahren." "Wo?" Ich: "Am Weißensee." "Hab ich schon gehört. Ein schönes Skigebiet." Dann hat Karajan den Henz angerufen und hat gesagt: "Ich finde das überzogen, dass man den Reporter rausschmeißt." "Ich habe ihm den Kopf gewaschen." Da wurde ich wieder aufgenommen. Der ORF war immer fremdbestimmt. Es war immer alles von außen passiert. Das zweite Mal bin ich rausgeflogen wegen einer Lächerlichkeit. Ich habe auf dem alten Flughafen Schwechat irgendeinen Erstflug einer jordanischen Airline gedreht. Und ich bin mit dem Kameramann rausgegangen und wollte das ... Wir waren dazu auch eingeladen. Und da ist der Flughafendirektor gekommen und hat gesagt: "Weg, weg, weg! Sie dürfen hier nicht fotografieren." Hab ich ihm gesagt: "Wir fotografieren nicht, wir filmen." Hat er gesagt: "Das ist dasselbe." Sag ich: "Nein." "Beim Fotografieren steht das Bild und beim Filmen dreht es sich." Daraufhin hat er mich von der Polizei abführen lassen und den Henz angerufen, der mich gleich wieder rausgeschmissen hat. Aber ich bin halt wieder irgendwie ... Der Henz ist in Pension gegangen oder so. Ich war nur drei Tage draußen. Und einmal wegen eines Persien-Berichts. Also, der Schah von Persien hat seinen Staatsbesuch angesagt. Und ich wurde nach Teheran geschickt vom Herrn Dörflinger, vom ehemaligen Tonmeister, um einen Vorbericht zu machen über diesen Staatsbesuch. Und ich habe in Teheran einen Film über die Verhältnisse gemacht, die grauenhaft waren. Ich hatte dort gute Kontakte: Ein Kapellmeister der Wiener Sängerknaben war dort Hofkapellmeister. Er hat mir unglaubliche Geschichten über den Schah erzählt. Ich war bei den Studenten auf der Universität. Also, es war ... Ich habe halt einen Bericht gemacht, so wie ich das erlebt habe in Persien. Dieser Bericht ... Ich bin gekommen, hab ihn fertig gemacht, ihn geschnitten. Der Dörflinger, mein Chef, hat ihn sich angeschaut. Und dann ist der gespielt worden im Anschluss an die "Zeit im Bild". Und da waren schon die ersten Protestanrufe. Ein Bekannter aus dem Unterrichts- ministerium hat mich angerufen, der Friedel Langer, ein CV-er. Er hat gesagt: "Ich hab das gesehen. Das ist ein Wahnsinn." "Das wird ein Nachspiel haben. Du tust mir jetzt schon leid." Aber er hat gar nicht so übertrieben. Es haben sich furchtbare Sachen abgespielt. Der Schah hat seinen Staatsbesuch abgesagt. Der Kulturattaché Musavi von der persischen Botschaft ist zum Freund gegangen, hat seinen Gürtel herausgezogen und gesagt: "Podgorski muss man schlagen, schlagen, schlagen!" Und die Perser haben viele Aufträge storniert, unter anderem Millionen-Aufträge der Porr AG, die dort irgendein Kraftwerk bauen wollte. Das ist nichts geworden. Daraufhin hat der Freund mich rufen lassen und gesagt: "Bitte, nehmen Sie Platz." Ich hab Platz genommen, da hat er gesagt: "Ich muss Sie jetzt raushauen." Sag ich: "Warum?" "Weil sonst hauen sie mich raus." Da hab ich gesagt: "Das ist ein schlagendes Argument." Die Tatsache, dass mein Chef, der Dörflinger, das gesehen und abgenommen hat, hat keine Rolle gespielt. Dem ist nichts passiert, mich haben sie rausgehauen. Freund hat mir dann noch nachgerufen: "Durch ein Hintertürl werden S' wieder reinkommen. Glauben S' mir." Es war sehr schwierig damals. Ich habe Kabarett gespielt mit Qualtinger und mit Bronner. Aber das war natürlich auch nicht sehr lukrativ. Und ich hab ein bisserl Theater gespielt. Und dann nach so drei Wochen geh ich in die ... In der Zwischenzeit war ein riesen Wirbel in Österreich. Die Journalistengewerkschaft wollte einen Generalstreik ausrufen. Zum ersten Mal, dass die sich zu etwas entschlossen haben. Kreisky wurde ins Parlament zitiert, also unglaubliche Sachen. Und ich geh einmal nach der Vorstellung vom Kabarett mit dem Qualtinger in die Fledermaus. Damals hat es noch Marietta-Bar geheißen. Dort sitzt der Abgeordnete Zeilinger, FPÖ, vollkommen vom Alkohol gezeichnet. Mit dem Abgeordneten ... Wurscht. Und der Zeilinger registriert mich, ich kannte ihn von der Parlamentsberichterstattung. Er sagt: "Wie geht's Ihnen?" Ich sag: "Nicht gut." "Warum nicht?" Ich: "Ich wurde rausgehauen." "Wieso denn?" Ich sage:"Wegen dem Persienbericht." "Den hab ich gesehen. Der war sehr gut." "Da mach ich morgen im Parlament eine Anfrage." Ich habe gedacht, das ist ein Schmäh und dreh das Autoradio auf. Da war eine Live-Übertragung. Und der Zeilinger wirklich: "Hohes Haus, leben wir noch in einem Rechtsstaat?" Und fängt an, meine Geschichte zu erzählen. Das war toll. Und dann ist der Kreisky ins Parlament, der Freund ins Parlament zitiert worden. Unglaublich, eine Demarche beim persischen Botschafter. Unglaubliche Sachen. Aber auf jeden Fall war ich am nächsten Tag wieder im ORF oder im Österreichischen Rundfunk. Aber auch nur, weil wer angerufen hat von außen. Ende '71 hat mir der Zilk vorgeschlagen, Sportchef zu werden. Das wollte ich nicht. Ich verstehe ja nicht viel vom Sport, was eigentlich wurscht ist. Weil wenn man was vom Fernsehen versteht, braucht man von der Materie nur einen Fachmann. Aber es hat mich auch nicht so interessiert. Dann hat aber der Bacher mich auch traktiert. Aber da hätt ich auch noch Nein gesagt. Aber viele meiner Freunde waren in der Sportredaktion. Der Schmidtleitner, der Beilner, der Knöppl, mit denen ich im Sportverein war beim Kricket. Äh ... Leichtathletikverein. Sie haben gesagt: "Ich bitte dich, mach das!" "Das ist hier die Hölle." Sportchef war damals ein gewisser Bernegger, der wurde von den "Salzburger Nachrichten" geholt. Er wurde, weil ich zugesagt habe, seines Amtes enthoben. Und ich bin Sportchef geworden. Es war natürlich schon auch interessant. Ich hab gesagt: "So, jetzt übernehme ich das dreckige Dutzend." Und wenn man so etwas ganz Verfahrenes ... .. wieder ... Das macht Spaß. Ich habe mit vielen Dingen neu begonnen dort, die in der Zwischenzeit Allgemeingut geworden sind. Zum Beispiel, dass ein Redakteur ... .. die Nachrichten spricht. Ich habe die Autocue verboten, also, dass einer abliest. Der musste das frei sprechen. Bei mir hat es keinen Sprecher mehr gegeben. Früher haben Sprecher die Sportnachrichten ... Das waren alles Redakteure und Redakteurinnen. Auch die erste Redakteurin hab ich beschäftigt, das war die Wendl. Die war Tagessprecherin und die hab ich als Sportredakteurin engagiert. Und weil ich gesagt hab: "Ein Sportredakteur muss wissen, wovon er redet." Wenn er auf einem Match war, brauch ich das nicht von einem Sprecher lesen lassen, sondern er soll erzählen, was auf dem Match los war. Das ist übernommen worden. Im Lauf der Zeit sind die Programmsprecherinnen verschwunden. Und jetzt gibt's auch keine Sprecher mehr in diesem Sinn, keine Nachrichtensprecher, das sind alles Redakteure, die sprechen, oder es sind die Moderatoren. Also, diese Sport-Phraseologie hat ihren Ursprung in der Print-Journalistik. Wo die Sportjournalisten das Gefühl gehabt haben, der Wortschatz, um ein Match oder ein Sportereignis zu beschreiben, ist zu gering. Womit sie ja recht gehabt haben. Sie haben Verschiedenes mit den verschiedenen Epitheta ornantia ausgeschmückt. Sie haben dann nicht "Tor" gesagt, sondern "Heiligtum". Oder "Kasten". Oder dann: "Der Schlussmann hält sein Heiligtum sauber." Und lauter so Trotteleien. Oder statt Fußball haben sie gesagt: "Er tritt das Leder." Der Schiedsrichter war der "Unparteiische", und die ... "Violetten" waren die "Veilchen". Also, eine Unzahl von wirklich übelster, übelster Wortkunde, die da betrieben worden ist. Ich habe einen Katalog gemacht mit all denen, die mir eingefallen waren, sicher zweihundert Ausdrücke und Phrasen. Das hab ich verteilt und die waren verboten. Die durfte niemand auf Sendung verwenden. Und wenn's jemand auf Sendung verwendet hat und er wurde erwischt, musste er 50 Schilling in die Gemeinschaftskasse einzahlen. Das hat auch den Vorteil gehabt, dass einer auf den anderen aufgepasst hat. Die Sportredakteure haben sich die Sendungen angeschaut wie die Haftlmacher, weil sie gewartet haben, dass der Kollege "einen Fisch zusammendreht". Das ist oft genug passiert, aber immer weniger. Aber am Anfang haben wir viel Geld zusammengekriegt. Dann sind wir zum Heurigen gegangen oder haben andere Festivitäten veranstaltet. Es ist unglaublich, was für einen Zug, - das bezieht sich nicht nur aufs Fernsehen, das bezieht sich auf den gesamten Spielraum des menschlichen Lebens - was die schlechte Qualität für eine Schwerkraft hat. Der Zug zur schlechten Qualität ist so streng, ist so vorhanden. Man muss täglich dagegen ankämpfen, sonst wird immer alles schlechter. Das gilt nicht nur fürs Fernsehen, aber da besonders oder in der Journalistik. Wenn man da die Zügel schleifen lässt, schleichen sich wieder diese Fehler ein. Mittlerweile wird bei uns im Fernsehen und auch im Radio ein furchtbares Deutsch verwendet. Man kriegt die Gänsehaut. Es ist 1978, glaub ich, '78, der Bundeskanzler Kreisky zu mir gekommen. Und er hat gesagt, ich soll Intendant werden. Und zwar von FS1. Es hat FS1 und FS2 gegeben. Erst später wurden es Informationsintendanz und Unterhaltung. Aber zuerst war FS1 und FS2. Ich soll Intendant werden von FS1. Ich wollte das eigentlich auch nicht. Er hat mich aber überredet und ich habe mich beworben, habe ihm aber gesagt: "Herr Bundeskanzler, der Bacher will mich nicht." "Das hat keinen Sinn." "Das ist Unsinn, das ist alles ausgemacht." "Nicht wahr?" "Das steht ihm überhaupt nicht zu, das abzulehnen." Bacher ruft mich an und sagt: "Gehen wir auf einen Kaffee." Sind wir auf einen Kaffee gegangen. Sagt er: "Der Kreisky möchte, dass du Intendant wirst." "Ich will dich nicht." Sag ich: "Ich weiß." "Ich will auch nicht gerne unter dir Intendant sein." "Das ist deine Entscheidung. Ich will dich nicht." Sag ich: "Gut, okay." Ich habe den Kreisky angerufen und gesagt: "Ich hab's Ihnen prophezeit, ich bin aus dem Schneider." "Der Bacher will mich nicht." "Das ist ja ungeheuerlich." Sag ich: "Ja, so ist es." Ich bin ins Café Klinik gegangen, eines meiner Stamm-Kaffeehäuser, wo auch der Qualtinger gerne gesessen ist. Und um halb zwölf in der Nacht oder so was, es hat noch keine Handys gegeben, ruft mich im Café Klinik der Bacher an. Und sagt: "Also ... Nimm dir wenigstens morgen eine Krawatte, du wirst zum Intendanten gewählt." Haben sie ihn in der Zwischenzeit betoniert. Ich wurde am nächsten Tag zum Intendanten gewählt, hab aber den Vertrag nicht unterschrieben, den wollte ich mir vorher ansehen. Das war ein unglaublicher Knebelvertrag. Ich habe eine Prokura von einer Million Schilling im Jahr gehabt, damit kann man nicht mal den Wetterbericht machen. Bei allem hätte der Bacher sagen können: "Nein, nein, nein." Ich hätte immer betteln gehen müssen. Ich: "Ich will einen anderen Vertrag." Sagt der Bacher: "Es ist wirklich wenig." Und hat mir zwei Millionen gegeben. Sag ich: "Pflanzen brauchst mich nicht." Und bin zurückgetreten. "Ich brauch nicht Intendant sein, wenn ich nichts machen kann." "Dann bin ich auch nicht Intendant. Ich brauche keinen Posten." Und das zweite Mal, wo jemand gekommen ist und gesagt hat, ich soll Intendant werden, nicht General-Intendant: Das war der Sinowatz. Der hat gesagt: "Der Kreuzer, der jetzt Intendant ist, wird Gesundheitsminister. Und wir haben keinen Intendanten." Ich war nie sozialistisches oder sozialdemokratisches Parteimitglied, bei keiner Organisation. Aber ich habe Sinowatz gut vom Sport gekannt. Er war Unterrichts- und Sportminister. Und wir haben uns gut gekannt und gut verstanden. Er war ein sehr gescheiter Mensch. Und der hat gesagt: "Ich flehe dich an, ich hab niemanden." "Wir müssen das nachbesetzen und ich kann doch nicht irgendeinen Trottel dorthin setzen." "In der Partei wären viele, die das machen wollen." "Aber die könnten das nicht." Sag ich: "Ich will's wirklich nicht. Der Bacher will mich nicht." "Und der Vertrag ..." Er: "Das machen wir schon." Sag ich: "Das hat man mir schon einmal gesagt." Ich hab das überschlafen und mir gedacht, ich kann nicht so größenwahnsinnig sein und sagen: "Herr Bundeskanzler, das ist mir zu blöd. " Ich habe gesagt: "Wirst sehen, aber mit dem Bacher wird's schwierig." Also, ich treffe wieder den Bacher, sage: "Jetzt sitzen wir wieder da." "Ich sag nur eins, jetzt tret ich nicht mehr zurück." Ich: "Ist der Vertrag schon fertig?" "Nein, aber der geht in Ordnung." "Der ist mit dem Sinowatz besprochen." Gut. Hab ich mir gedacht, jetzt hab ich den ... Jetzt hab ich den Scherbenhaufen. Ich hab fest damit gerechnet, dass mich der Bacher ablehnt. Er hat aber so was im Augenlicht gehabt, dass ich mir gedacht hab, das ist noch nicht aus. Ich hab den Sinowatz angerufen und gesagt: "Er hat zwar zugesagt, aber ich glaube nicht, dass es hält." Dann bin ich nach Kitzbühel gefahren als Sportchef, der ich damals war, um das Hahnenkammrennen dort zu überwachen. Und ich hab mit dem alten Hinterseer Tennis gespielt. Während des Matches ruft der Sinowatz an. Der Platzwart war außer sich, weil der Bundeskanzler in der Tennishalle anruft. Der Sinowatz sagt: "Stell dir vor, der nimmt dich nicht!" "Der nimmt dich nicht!" Ich: "Hab ich doch gesagt." "Der hat mir sein Ehrenwort gegeben." Sag ich: "Eben. Entschuldige, was ist ein Ehrenwort in der Politik?" "Das ist ja unglaublich!" Na gut. Ich war aus dem Schneider. Aber nicht lange. Weil daraufhin hat der Benya, der Sinowatz, alle eigentlich in der Partei oder viele haben gesagt: "Das lassen wir uns vom Bacher nicht gefallen." Benya an der Spitze. Benya hat gesagt: "Der muss weg! Die Leute wollen Blut sehen." Also gut. Daraufhin wurde beschlossen, den Bacher bei der nächsten Wahl zu liquidieren. Die ist unmittelbar angestanden, in zwei Monaten oder irgendwas. Und dann haben sie mich gefragt, ob ich Generalintendant werden will. Ich habe gesagt: "Eigentlich wirklich nicht, aber aus sportlichen Gründen sage ich jetzt Ja." "Schon aus sportlichen Gründen." Dann war ich der einzige Generalintendant, der im ersten Wahlgang mit absoluter Mehrheit gewählt wurde. Ich bin ein geborener Wiener. Ich bin auch in der Kindheit in Simmering aufgewachsen, was sehr, sehr viele Eindrücke hinterlassen hat, auch für meine spätere Zeit. Und ich bin ein Wiener, der sich nicht vorstellen kann, woanders zu leben. Ich hab im Lauf der Zeit die Möglichkeit gehabt, in vielen Ländern zu sein beruflich und in vielen Städten. Und es gibt ganz tolle Städte, die ich wahnsinnig gerne hab. Aber Wien ist natürlich nicht ersetzbar. Und man kann das fast objektivieren. Man kann sagen: "Natürlich, der lebt da und hat da seine Freunde." Das geht jedem so, der in einer Stadt lebt und die gern hat. Aber ich kenne mittlerweile viele Leute, die nicht aus Wien sind, die aus dem Ausland sind und sich nur mehr vorstellen können, in Wien zu leben. Aus ganz objektiven Gründen, weil Wien wirklich jetzt so schön geworden ist. Und Wien ist auch, sagen wir, nicht im schlechten Sinn, sondern im besten Sinn des Wortes: langsam. In Wien wird nicht gehudelt. In Wien ... hat man Zeit zum Denken, auch in der Großstadt. Also ... Wien ist eigentlich eine Großstadt, die, so seltsam es klingt, Geborgenheit vermittelt, wo sonst bei Großstädten das Gegenteil der Fall ist. In New York fühlt man sich bald vereinsamt. In Wien wird man immer intimer mit dieser Stadt. Und eigentlich braucht man gar nicht auf Urlaub fahren.
Archiv-Video vom 12.08.2014:
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Thaddäus Podgorski (Generalintendant/ORF)
Wir und Wien-Erinnerungen Thaddäus (Teddy) Podgorski hat als " Mann der ersten Stunde" ein Stück Fernsehgeschichte (mit)geschrieben. Er war 1955 dabei, als in Österreich die erste Sendung ausgestrahlt wurde, als jeder Fernsehmitarbeiter Pionierarbeit zu leisten hatte, als Live-Einstiege erst durch selbst (um)gebaute Kameras ermöglicht wurden. Er war auch dabei, als die politischen Parteien den Proporzrundfunk kreierten, bei dem "jeder roten Putzfrau eine schwarze zur Seite gestellt werden musste", wie er heute witzelt.
Länge: 49 Min. 51 Sek.
Produktionsdatum: 2013
Copyright: Stadt Wien