Mitschrift
Mein Name ist Bernd Lötsch, Jahrgang 1941, geboren in Wien, bei Kriegsende dreieinhalb Jahre alt – Gnade der späten Geburt. Ich habe Biologie und Chemie studiert, habe mich an der Universität Salzburg habilitiert und war eigentlich mehr als Triebtäter, denn aus nur akademischen Gründen Umweltschützer und werde das auch bis ans Lebensende bleiben.
Sonstige berufliche Stationen: Universitätsassistent, biochemische Forschung, dann ein Institut der Bolzmann-Gesellschaft gemeinsam mit der Akademie der Wissenschaften für Umweltwissenschaften und Naturschutz, damals eine der wenigen Institutionen auf dem Gebiet. Dann Nationalparkplanung Donauauen nach den dramatischen Ereignissen von Hainburg. Dann – rätselhaft – unter mehreren Bewerbern Generaldirektor des Naturhistorischen Museums. Plötzlich Herr über eine Riesenstruktur mit zweihundertfünfzig Unkündbaren.
Vielleicht war das auch nur die ehrenvollste Form der Internierung für einen Unregierbaren. Aber es war genau das, was ich zu diesem Zeitpunkt als beglückend empfand. Ich hatte mir einen Namen als Verhinderer von Projekten gemacht und konnte nun einmal zeigen, dass ich etwas ins Werk setzen kann. Und das Haus war in einem Zustand, der eine Herausforderung war.
Ich bin dann nach fünfzehn Jahren aus dem Generaldirektorrat ausgeschieden, hätte noch um zwei Jahre flehen können, aber fünfzehn Jahre sind nach österreichischem Strafrecht bei guter Führung lebenslänglich – und ein Leben für das Naturhistorische Museum reichte. Ich hatte noch andere Pläne, und bin nach wie vor Lehrbeauftragter für Humanökologie an der Universität Wien, unterrichte auch fallweise an anderen Universitäten und stecke voller Film- und Buchplänen.
BRUNO LÖTSCH – FILMPIONIER
Mein Vater, Prof. Bruno Lötsch, ein Selfmademan, was mir ungeheuer imponiert hat, wurde mit achtunddreißig Jahren, als er es endlich geschafft hatte – er war Jahrgang1902 – im Jahr 1938 einberufen. Er hatte eine eigene kleine Filmproduktion, einen Adler-Triumph-Junior als Aufnahmewagen und eine bildhübsche Dotoressa als Frau, die er gerne zum Verhandeln ins Unterrichtministerium schickte – eine Künstlernatur.
VATER – EINBERUFUNG
Er wurde eingezogen zu einem preußischen Infanterieregiment nach Rathenow zur Grundausbildung. Der sich ankündigende Krieg hatte dazu geführt, denn die Leitung des Dritten Reiches pflegte sich Kampfhandlungen im Kino anzuschauen. Die Bildberichterstatter hatten eine enorme Bedeutung und mussten lernen, wie man im MG-Feuer und im Granatenhagel überlebt. Er war totunglücklich, denn er war ein Antimilitarist und hat sich auch nach dem Krieg mir als kleinen Buben immer als Antiheld dargestellt – der Gott sei Dank – niemanden umbringen musste und der in den zeitgeschichtlichen Dokumentationen im Kino immer seine eigenen Aufnahmen erkannte. Er wurde eingezogen mit Auto, Filmkamera und allem, was dazu gehört als Kriegsberichter der Luftwaffe.
Es ist unglaublich, welche Aufnahmen diese Kriegsberichter zustande gebracht haben. Denn man fühlt sich mit dem Auge am Sucher einer Kamera als nicht wirklich involviert, als unverletzbar. Das ist ungeheuer gefährlich, aber er hat es überlebt.
Nach dem Krieg hat er mit einer Leica-Fotokamera begonnen, die das einzige war, das den Krieg überdauert hat, eingelötet in eine Feldflasche. Er hat sich als Bauernfotograf in den steirischen Bergen durchgebracht. Ich durfte ihn dabei begleiten, als Fünfjähriger.
Sein „Wiederaufbau“ war – wie damals der Wiederaufbau überhaupt – Gott sei Dank nicht aufzuhalten. In den fünfziger Jahren hatte er wieder Auto-Arriflex-Ausrüstung. Dazwischen hatte er sich mit einer schweren Kamera durchgebracht, die er noch mit einem Maschinengewehr-Motor elektrifiziert hatte. Er galt auf dem Rosenhügel in den Ateliers als Spezialist für Hochfrequenz-Aufnahmen. Er hat zum Beispiel für den Film „Lulu“ Nadja Tiller traumhaft nackt mit Schleier vor der Windmaschine in Zeitlupe gefilmt.
Dann hat er seine eigene Produktion voll entfaltet. Meine Mutter half ihm dabei. Er hat Filme über Österreich gemacht: Sport, Alpinismus und Kultur Österreichs. Seine Filme liefen in den Kulturinstituten der österreichischen Botschaften auf der ganzen Welt. Sie waren so, dass, obwohl es zum Teil Fremdenverkehrsfilme waren, der Staat nicht für ihre Einschaltung in den ausländischen Kinos zahlen musste, sondern die Verleiher die Filme gekauft und eingesetzt haben.
WIEN – WIEDERAUFBAU
Der Wiederaufbau meines Vaters lief parallel zum Wiederaufbau Wiens. Er hat mit der Kamera festgehalten, wie diese Stadt trotzig und zukunftsorientiert zugleich die historischen Gebäude so rekonstruiert hat, wie sie vor den Bomben dastanden.
Es hat damals die Aktion „Österreichs Schüler lernen Wien kennen“ begonnen, und er hat einen Film über eine Schulklasse gemacht, die Wien erlebt – mit einer kleinen dramatischen Einlage von zwei verfeindeten Brüdern. Der eine lebt in Wien, der andere in der Provinz, und ihre Kinder kommen durch diese Aktion zusammen. Ich durfte damals mit dem Fritz von Friedel eine tragende Rolle in diesem Jugend- oder Kinderfilm spielen.
Die Wiederaufbauarbeit in Wien hat mich zu einem wirklichen Liebhaber dieser Stadt gemacht. Viele Werte werden erst dann begriffen, wenn sie schwinden. Und darum bin ich manchmal wütend, wenn ich sehe, wie leichtfertig die jetzige Architektengeneration mit ihren modernistischen Statements Ensembles zerstört, die die Bevölkerung nach dem Krieg fast mit blutigen Händen wieder aufgebaut hat.
MUTTER – MIKROSKOP
In meiner Familie hat es immer geheißen: „Vom Vater hat er die Statur, des Lebens ernstes Führen, vom Mütterchen die Frohnatur, den Hang zum Fabulieren“.
Meine Mutter ist als Kriegswaise des ersten Weltkriegs in einem Offizierswaiseninternat aufgewachsen, hat Englisch, Deutsch, Psychologie studiert, ist aber nicht ins Lehrfach gegangen, weil sie dann schon meinen Vater kennen lernte. Sie hat ein bisschen journalistisch gearbeitet, später Privatstunden gegeben, vor allem in Englisch.
Sie war eine Mutter, die mir – rückblickend – sehr viel Lebensweisheit mitgegeben hat, auch sehr viel Öffnung gegenüber der klassischen Literatur. Ich konnte mit ihr Shakespeare oder Paul de Kruif im Original lesen: „The microbe hunters“, was natürlich dazu geführt hat, dass ich ein Mikroskop haben musste.
MUTTER – MIKROSKOP
Meine Mutter war heiter, liebevoll, sehr beliebt in ihrem Umkreis. Ich weiß aber auch, dass sie Schwierigkeiten hatte in der Familie, weil sie die Erste war in der großen, weitverzweigten Familie von Ärzten, Juristen, Deutschlehrern, die Zweifel am Nationalsozialismus geäußert hat. Ich kann mich auch erinnern, dass sie denunziert wurde und angeklagt war, wo sie dann mit mir als kleinem Kind am Arm bei den Verhören erschien, weil sie Feindsender gehört hatte. Sie hat natürlich die BBC ständig verfolgt.
BRAUNE SENDER
Sie hatte eine kurze Episode als Journalistin bei irgend so einem Blatt – damals waren alle Blätter braun. Es war zwar erst April, aber die Blätter wurden schon braun. Da hat sie zum Beispiel über die Emigration einer jüdischen Familie zu berichten gehabt. Der Chefredakteur hat sie wutentbrannt zu sich zitiert und gefragt, ob sie wahnsinnig sei, weil in ihrem Bericht die Leute „heulen“.
Das war das Ende ihrer journalistischen Laufbahn. Dadurch hatte ich eine Mutter, die sich wirklich um ihr Kind gekümmert hat. Sie war keine Karrierefrau.
Nach dem Krieg war sie dann sofort unentbehrlich für die Amerikaner. Sie war eine gute Dolmetscherin und hatte die Fähigkeit, alles kurz auf den Punkt zu bringen. Daher war sie gefragt bei den vielen Verhandlungen mit den Alliierten. Das hat dann auch dazu geführt, dass der Wiener Polizeipräsident sie als Dolmetscherin zu sich genommen hat. Sie war dann relativ lange in dieser Aufbauzeit in der Polizeidirektion tätig.
KINDERZEIT – RUINENZEIT
Dann kamen wir von der Evakuierung zurück. Wir hatten die Hölle durchgemacht in der Provinz, in Puchberg am Schneeberg, weil genau dort die Russen waren. Ich kann mich noch erinnern wie meine Mutter im Keller bei russischer Ziehharmonika versucht hat, einem Russen die Maschinenpistole zu entreißen, um sich zu erschießen, oder ihn dazu zu bringen, sie zu erschießen nach der Vergewaltigung.
Wir kamen zurück in die Stadt, wo es alle Fenster in die Wohnung geblasen hatte: Schuttberge von einer Bombendetonation gegenüber. Das Haus vis à vis war im Längsschnitt durchgeschnitten wie ein fünfgeschossiges Puppenhaus, wo man in alle Zimmer gesehen hat, sogar in ein intaktes Badezimmer. Meine kindliche Fantasie hat da drinnen immer ein Skelett vermutet. Jedenfalls war der Anfang schwer. Wir hatten keine Gläser, sondern Kartonplatten in den Fenstern mit Lichtluken.
ABENTEUER-SPIELPLÄTZE
Trotzdem war es eine glückliche Kindheit. Die Ruinenfelder haben sich innerhalb von ein, zwei Jahren eingegrünt. Es waren Abenteuerspielplätze mit Götterbaum und Gänsefußgewächsen, mit Wiener Nachtpfauenaugen und Marienkäfern. Hie und da fand man sogar einen Stahlhelm. Wir waren gewarnt, keine Granaten anzugreifen, wir haben Burgen gebaut, alte Bajonette gefunden. Es war eigentlich, ich muss immer wieder daran denken, was der Konrad Lorenz als Idealfall für die kindliche Entwicklung bezeichnet hat.
Er hat einen „Verein zu Herstellung und Erhaltung halbwilder Zustände“ gegründet. Genau das war in diesem zerbombten Wiederaufbau in Wien der Fall. Es hat da einen Altwarenplatz für das Recycling der Wertstoffe gegeben. Es klang herüber der Lärm von einer Kegelbahn, wie in den steirischen Bergen. Es waren in den Souterrains von schäbigen Zinshäusern Kuhställe. Ich erinnere mich noch an das Geklapper der Pferde, die sowohl Brot als auch Milch ausgeführt haben.
Ich habe nicht gehungert, aber sonst waren wir bettelarm. Niemand hat das empfunden, weil rundherum die anderen genauso wenig hatten.
Im Winter war der Trappelweg der ideale Rodelplatz. Ich kann mich noch an das Gejohle von uns Kindern erinnern, wenn die wenigen Autos, die es gab, vergeblich versucht haben, die verschneite Steigung zu überwinden.
BETONIERTE WELTEN
Ich habe daraus viel gelernt, das, was Kinder eigentlich bräuchten. Ich habe diese durchkonstruierten, durchasphaltierten, durchbetonierten Welten als schreckliche Verkümmerungsräume für die heranwachsenden Kinder erlebt. Da haben sie dann den Vandalismus. Solange es Disteln gibt, die man köpfen kann, solange man über Ruinen geht, denkt kein Mensch an Vandalismus.
NATUR – SEHNSUCHT
Meine Natursehnsucht als Stadtkind führte dazu, dass ich die Idee hatte, wir brauchen mehr Grün in diesem zur Straße hin offenen Hof, wo unsere Wohnhäuser sechsgeschossig herumgebaut waren. Ich riss die Kinder des ganzen Viertels mit, einen Garten anzulegen. Wir haben vom Wiener Wald Pflanzen mitgebracht. Einige haben sogar, bei entsprechender Pflege, sich bewährt. Es entstand ein liebevoll gepflegter, halbwilder Garten, bis dann eines Tages alles von einem Gewerbetreibenden, der dort seine Galvanisier- und Metallbearbeitungsfirma hatte, mit einem schweren LKW mit Zwillingsreifen niedergewalzt wurde. Das war gar nicht nötig, wir hatten ja ohnehin eine Lieferspur frei gehalten.
Meine ohnmächtige Wut gegen diese zynisch-mutwillige Zerstörung des Bemühens um ein bisschen Grün in der Stadt ist, glaube ich, ist nie ganz verheilt.
JULIUS CÄSAR
Ein anderer Wendepunkt in meinem Leben war, als ich durch meine Mutter aus „Julius Cäsar“ von Shakespeare die Leichenrede des Freundes Marc Anton las, den ich damals in meiner Naivität für einen hochanständigen Menschen hielt. Das hat mich so berührt, dass ich die ganze dritte Klasse Realgymnasium dazu brachte, Julius Cäsar im Originaltext zu inszenieren, in wohlausgewählten Szenen. Da war ich natürlich der Marc Anton, der vor der blutverschmierten Leiche eines Mitschülers stand. Die Toga, ein Leintuch mit Sicherheitsnadeln, hat sich verselbständigt, sodass ich sie halten musste und daher gekrümmt und etwas verkrampft dastand. Später hat ein Altphilologe unter den Professoren gesagt: „Unglaublich, dieses Einfühlungsvermögen, und wie er das heraus gearbeitet hat!“ Bei den alten Römern war der Sitz der Seele die Milz, wo ich krampfhaft meine Toga zusammenhielt! Es hat mich an dieser Rede unwiderruflich geprägt, dass man einen aufgebrachten Mob, dem man zunächst nicht widerspricht – man darf einem Mob nicht widersprechen – völlig umdrehen kann, und das mit einer Rede von zehn Minuten.
REDEWETTBEWERB GENF
Ich habe später auch Rhetorikunterricht genommen, weil es mich so interessiert hat. Das war ein abgehalfteter, erfolgloser älterer Schauspieler, der im Priesterseminar, wie ich hörte, Rhetorik unterrichtet hat; das als Freifach im Gymnasium angeboten wurde.
Es hat erstens zur Kenntnis der großen Reden der klassischen Literatur geführt und zweitens habe ich mich dann beworben beim „UNO-Redewettbewerb der Österreichischen Schuljugend“ und tatsächlich gewonnen. Dann wurde ich nach Genf verschickt als erster Preis ins Palais des Nations, mit einigen anderen begabten jungen Leuten. Das waren halt dann die Bundesländersieger. Das war eine prägende Geschichte. So eine weite Reise antreten zu dürfen, wo ich sogar einen persönlichen Mitarbeiter von Albert Schweitzer kennen gelernt habe!
Dann ist mir das Geld ausgegangen und ich habe im großen Teich des Palais alle Münzen eingesammelt, geputzt und auf die Bank getragen. Während ich da so stand bis zum Bauch im Wasser in diesem schwer bewachten Gelände, ist plötzlich Licht angegangen. Es sind bei einer außerordentlichen Abrüstungskonferenz die Militärpolizei und alles vorgefahren, und ich bin halbnackt, als Student, der Münzen sammelt, im Brunnen des Palais des Nations gestanden. Es ist aber gut ausgegangen.
Jedenfalls habe ich damals über die UNICEF gesprochen. Nämlich, mit wie wenig man als Europäer Menschenleben retten kann, Glück begründen kann. Das hat natürlich auch dazu beigetragen, dass ich heute im Vorstand von „Menschen für Menschen“ bin, bei Karl- Heinz Böhms Äthiopienhilfe.
STUDIUM – QUAL DER WAHL
Eigentlich wollte ich auf die Akademie gehen oder in die Filmakademie, oder Literatur und Film, Bildhauerei, Architektur… Das waren so die Flausen – und die Biologie wollte ich als Hobby betreiben. Ich war damals ganz begeistert von Hundertwassers „Pintorarium“, das war so ein Manifest gemeinsam mit dem Ernst Fuchs: Die Malerei als „Zentralsonne“ und rundherum Tiere, Aquarien in den Studios und Ateliers.
Aussteigen aus dem akademischen Betrieb, also jedenfalls Kunst wollte ich. Dann habe ich in Strobl am Wolfgangsee mit meinem Schülermikroskop, dass ich ja schon hatte, Mikroben-Untersuchungen gemacht.
Weil ich mit meiner Mama schon Paul de Kruifs „Mikrobenjäger“ gelesen hatte, habe ich per Autostopp eine Tour nach Scharfling am Mondsee in die Biologische Station gemacht. Man hat mich dort wie einen Kollegen aufgenommen, hat mich mit dem Boot zu Planktonzügen hinausgeführt, mir das hydrologische Labor gezeigt, die Fischzuchtanstalt, das Plankton im Mikroskop. Und da war‘s geschehen: Also nicht Architektur, nicht Bildhauerei, sondern Biologie.
ANWALT DER NATUR
Ich hatte damals, 1959, bereits die Gewissheit, dass der wichtigtuerische Winzling Mensch, wenn er so weiter macht, hundertprozentig auf Crashkurs mit seinen natürlichen Grundlagen geht. Mit der Erwartungshaltung bin ich ja auch auf die Universität gegangen und habe brav Biologie zu studieren begonnen beim goetheanischen Marinelli und beim eher erdverbundenen Bodenbiologen Kühnelt.
Man sucht als junger Student auch nach Persönlichkeiten. Die fand ich dann interessanterweise in der pflanzenphysiologischen Forschung und habe dann noch Chemie dazu genommen. Ich fühlte mich in der Biologie unterfordert und dachte, die kann man heute nur noch betreiben, wenn man auch Chemiker ist. Ich habe dieses Doppelstudium dann elf Jahre an mehreren Universitäten durchgezogen. Ich habe mir an der Technik Vorlesungen über Kläranlagen angehört, an der Bodenkultur, überall habe ich mir mein „Studium irregulare“ zusammen getragen.
Dann bin ich schon vor dem Doktorat als Universitätsassistent am Pflanzenphysiologischen Institut im weißen Mantel der Wissenschaft herumgegangen, schon Praktika leitend, mit furchtbar hübschen Mädchen… Eine wurde dann meine Frau.
FORSCHUNG UND ENGAGEMENT
Diese Zeit war eine Zeit des Pendelns zwischen wissenschaftlicher Grundlagenforschung und Umweltengagement. Ich hatte akademische Lehrer wie den Prof. Helmut Kinzel, die dieses Umweltdenken sehr gefördert haben. Die haben das auch gespürt. Aber wie es dann überhand genommen hat mit Großveranstaltungen im Auditorium Maximum, mit Besetzungen usw., haben sie mich gebeten, doch bei meiner Begabung an meine wissenschaftliche Karriere zu denken. Da habe ich geantwortet, dass es schade wäre, wenn das, was ich denke und tue, die wissenschaftliche Karriere ausschließen würde: „Schlimm genug für die Wissenschaft, wenn es so ist. Schade.“
Aus dieser Verspieltheit des Wissenschaftlerdaseins hat es mich fortgerissen in die großen Umweltkonflikte, die damals noch keine Stimme hatten.
UMWELT-KAMPFMASCHINE
Mitten aus der akademischen Forschungstätigkeit hat mich Antal Festetics zu einer Großveranstaltung gegen eine Brücke über den Neusiedlersee geholt. Ich hatte in der Sache schon mit Otto König viel kommuniziert und habe dort eine Brandrede gegen den Wahnsinn gehalten, einen abflusslosen Steppensee mit der zweitlängsten, aber mit Abstand überflüssigsten Schnell-Autobahnbrücke über den See zu zerstören und zu gefährden.
Das war diametral gegen (Landeshauptmann Theodor) Kery. Es hat ja verlogene Argumente gegeben: der Seewinkel brauche den Anschluss an Eisenstadt wegen des Spitals, wegen der Wirtschaftsleistung etc. Wir konnten das alles widerlegen und haben dem Kery Rettungshubschrauber empfohlen, wo wir schon Anschaffung und Pilotenausbildung durchgerechnet hatten, und das waren wenige Prozent der Brückensumme. Kurzum, wir haben damals alle Register bis zur Erhebung der Steuerleistung und Wirtschaftskraft der Seewinkelgemeinden gezogen.
Diese Brücke, die zum fünfzigjährigen Jubiläum „Burgenland bei Österreich“ um ein paar hundert Millionen Schilling hätte gebaut werden sollen, konnte verhindert werden dank dem Naturschutzbund, dank dem jungen WWF, und ich war in der Umweltszene über Nacht eigentlich eine Kampfmaschine. Wenn es wo gebrannt hat, hat man den Bernd Lötsch geholt.
UMWELT UND POLITIK
Diese universale Aufgabe, die der Umweltschutz darstellte, ist mit einem Schlag bewusst geworden. Mein scheinbar so langes Herumstudieren hat sich zehnmal ausgezahlt.
Die nächste große Auseinandersetzung war dann mit der Stadt Wien. Damals war (Felix) Slavik, der Bürgermeister. Sowohl eine Ausweitung der Öltanklager in der Lobau, die ja nur kriegsbedingt situiert gewesen waren, als auch eine Donauuferautobahn dort. Das wäre das Ende dieses fantastischen Biotops Lobau gewesen. Das ist dann auch mit einer anschwellenden Massenbewegung verhindert worden.
Neusiedlersee und Lobau waren die zwei Schlüsselerlebnisse, auch weil sie Erfolg hatten. Es macht Sinn!
LIEBER DER ERSTE
Und dann hat mich der Dr. Eberhard Stüber – Präsident des österreichischen Naturschutzbundes und Leiter des Hauses der Natur – bei diesen Veranstaltungen quasi entdeckt. Er hat mich gefragt, ob ich nicht ein Institut für Naturschutz und Landschaftspflege übernehmen wolle, das zu gleichen Teilen dem Denkmalamt und dem Naturschutzbund gehört. Ich habe mir gedacht, die Universitäten sind ja wie Schlangengruben. Lieber der Erste in einem kleinen Institut als der Zweite auf der Universität und habe es gemacht.
Ich hatte das erste Mal eine Sekretärin und einen Laboranten, einen Helfer, eine Bibliothek. Ich habe es dann „Institut für Umweltwissenschaften und Naturschutz“ genannt. Hertha Firnberg war sehr positiv, hat den Konnex zur Boltzmann-Gesellschaft hergestellt. Ich habe aber überall, an allen Stellen betont, dass ich keine parteipolitischen Rücksichten nehmen kann. Der Otto König hat gesagt: „Wenn Sie ein Boltzmann-Institut übernehmen, können Sie gleich den Ring mit den drei Pfeilen bei der Tür rausstecken!“
Das war aber gar nicht der Fall. Ich habe das dem Sektionschef dargelegt, dass der Umweltschutz eine derartig mit traditioneller Parteipolitik konfliktierende Materie ist, dass ich hier wirklich keine Rücksicht nehmen könnte. Er hat geantwortet, dass ich, wenn ich einmal Leiter von einem Boltzmann-Institut wäre, auch zu keiner Partei mehr gehen bräuchte. Ich sollte halt nicht viel drüber reden.
Die Boltzmann-Gesellschaft hat mir tatsächlich, auch in den heikelsten Zeiten, zwar klagend und widerwillig, aber die Freiheit gelassen. Zum Beispiel in der großen Auseinandersetzung gegen die Atomkraft.
Die Regierungspolitik war hundertprozentig pro-nuklear. Firnberg ist grau geworden im Gesicht, als ich ihr meinen neuen Mitarbeiter, den ich von der Bodenkultur geholt hatte, vorstellte: Dr. Peter Weiss, der im Strahlenschutz in Seibersdorf seine ersten Erfahrungen mit Schlamperei rund um nukleares Material gemacht hatte und der zu einem der qualifiziertesten Nuklearkritiker der Welt wurde. Den habe ich an dieses Institut geholt. Und über den hat die Nuklearlobby fürchterliche Dinge verbreitet, aber sie hat es hingenommen.
Und wie dann Kreisky in dem anschwellenden Konflikt plötzlich die Idee einer öffentlichen Diskussionsveranstaltung in allen Landeshauptstädten hatte, brauchte man einen Fragenkatalog. Da hat sein Sekretariat unser kleines nuklearkritisches Institut damit beauftragt, einen Fragenkatalog zu machen. Und diese Fragen waren so, dass die Nuklearbefürworter sich sehr schwer getan haben.
1978 – VOLKSABSTIMMUNG ATOMKRAFTWERK ZWENTENDORF
Es war eigentlich eine vorbildliche Aktion, obwohl Kreisky hundertprozentig pro–nuklear eingestellt war, das auch zur Vertrauensfrage für alle Genossen gemacht und mit dem Rücktritt gedroht hatte. Trotzdem hat er uns die Auftritte ermöglicht, wir haben sogar bei der Regierungsklausur sprechen können, gemeinsam mit Engelbert Broda, den ich als einen meiner Lehrer sehr verehrt habe – Biophysiker, Bruder des Justizministers. Jedenfalls, nach dieser hauchdünnen Mehrheit, ich würde sagen, die Besucherzahl eines Sportstadions hat diese hauchdünne Mehrheit ausgemacht. Man hat gesehen: Nichts war umsonst, keine Anstrengung war umsonst.
Trotzdem ist Kreisky nicht zurückgetreten, sondern wie ein Phönix aus der Asche der verlorenen Volksabstimmung wenige Monate später zur größten politischen Mehrheit seiner Laufbahn aufgestiegen. Es wird immer gesagt, es war eigentlich eine Anti-Kreisky-Wahl. Die Wahrheit war, nachdem er diese lästige Frage aus dem Parteigeschehen ausgeklammert, sie demokratisch gelöst und ein strenges Atomsperrgesetz durchgepeitscht hatte, war er für viele wieder wählbar, sodass es die größte Mehrheit seiner politischen Laufbahn wurde.
DR.KONRAD LORENZ, NOBELPREISTRÄGER
Lorenz hat sich immer als einen spät berufenen Umweltschützer bezeichnet. Als er durch Bernhard Grzimek und Horst Stern in den Kreis der bayerischen Umweltschützer geholt wurde, war er schon weltberühmt. Franz Kreuzer hat einmal zu ihm gesagt: „Sie sind nicht nur Nobelpreisträger, Sie sehen auch aus wie einer.“
Er war eine imposante Erscheinung. Und als der Nobelpreis kam, haben ihn die ökologischen Freunde in Bayern gefragt, ob er jetzt noch Sprecher ihrer Gruppe „Ökologie“ bleiben würde. Da hat er gesagt, jetzt wäre er unser „Lautsprecher“ geworden. Er hat mir gegenüber auch gesagt, dass er, wenn er etwas gelernt hat in seinem Leben, und auch etwas sühnen müsste, sich nie mehr den Mächtigen andienen würde.
Lorenz hat damals Einstellungen und Erkenntnisse vermittelt, die den Mächtigen, gerade auch in Österreich, ungemein im Weg waren. Firnberg, Kirchschläger – alle haben ihn verehrt, haben seinen Geburtstag gefeiert, genau einen Tag nach der Atom-Volksabstimmung, in der er sich so engagiert hatte.
Seine Rede im schneidenden Winter eines Oktobermorgens am Hauptplatz von Tulln, gemeinsam mit dem amerikanischen Nobelpreisträger George Wall, hat Umweltgeschichte geschrieben, obwohl sich der ORF bis heute geweigert hat, diese Rede auszustrahlen. Wir haben sie damals von einem professionellen Team mitfilmen lassen und haben sie als DVD.
Ich kann mich erinnern, wie verzweifelt die Firnberg, wie unglücklich Kreisky, wie auch irritiert der damalige Wissenschaftsminister Fischer einige Jahre später waren, als er sich dann auch noch für die Erhaltung der Auen gegen das Kraftwerksprojekt Hainburg eingesetzt hat.
Er ist tatsächlich mit Vornehmheit, nie unter der Gürtellinie, gegen den Strom geschwommen. Die Österreicher haben in ihm eine Vatergestalt gesehen.
FRIEDENSREICH HUNDERTWASSER
Als Pflanzenphysiologe habe ich auch die Bedeutung des Grün nicht nur für das Auge, sondern auch als kleinklimatischen Faktor in der Stadt sehr ernst genommen und mich köstlich amüsiert über ein Grünmanifest vom Hundertwasser, dem ich dann schrieb, es sei interessant, dass er mit „halbverrückten“ Manifesten der Grünfrage sich mehr Popularität in den Köpfen und Herzen der Bürger verschafft habe, als uns Wissenschaftlern das je gelungen ist.
Daraufhin hat er mich angerufen und mir gesagt, dass er mich kennen lernen möchte. Wir haben uns einen Termin ausgemacht in der Wohnung über dem Graben. Ich läute, er macht auf und fragt, ob der Herr Dozent keine Zeit hätte. Er hatte mich für älter gehalten. Das war der Beginn einer sehr langen Freundschaft, wo ich seine Brillanz, seine Intelligenz, seinen Humor, und er auf der anderen Seite sehr viel Biologie tanken konnte.
STERNWARTEPARK – BUNTE VÖGEL
Der erste große Anlass für einen Volksaufstand, wenn man so will, war der Sternwartepark, wo die Universitätsverwaltung in Erweiterung der Sternwarte ein Zoologisches Institut bauen wollte. Das hätte zur Opferung eines wunderschönen Altbaumbestandes in der Mitte dieses Bezirks geführt, der gar nicht zugänglich war, nebenbei bemerkt. Das ist so eskaliert, mit Volksbefragung und so weiter, dass Felix Slavik letzten Endes über die Grünfrage gestolpert ist. Sein Nachfolger Leopold Gratz hat dann schon Baumschutzparolen in der Wahl verwendet. Es gab das Wort „Baummörder“, es gab eine Wiedergeburt des Lebensbaumes als urbanes Symbol.
Ich bin damals auch mit den „bunten Vögeln“ in Kontakt gekommen rund um Erhard Busek und Jörg Mauthe, und war stolz darauf, ebenso wie Hundertwasser, niemandes Parteigänger zu sein. Aber wenn sie eine Veranstaltung für die Vermenschlichung und Naturkonditionierung urbaner Räume gemacht haben, dann waren wir dort. Die legendären Veranstaltungen auf der Schmelz zum Beispiel.
NUR IM WINTER
Jedenfalls ist es dann zu einer großen Auseinandersetzung um die Auftausalze gekommen. Man hat gesehen, die Bäume an der Ringstrasse werden alle braun. Ich habe damals aus Persien interessante Ideen mitgebracht, die Zilk dann umzusetzen begann, nämlich dass man die Wurzeln konzentriert bewässern muss, wenn man Stadtbäume retten will. Es ist dann zu einer Einschränkung der Tausalze gekommen, allerdings längst gelockert. Ich pflege im Rathaus immer zu sagen: „Ja, ich weiß, in Wien ist die Salzanwendung streng verboten, außer es schneit!“
VERMENSCHLICHUNG DER STÄDTE
Wir sind für eine Baupolitik, wo die Beschäftigung von Menschen statt der Amortisation von Maschinen im Vordergrund steht. Das war eben auch eine Leistung der umweltbewegten bunten Vögel, die gesagt haben, Altstadtreparatur, kleinteilige Altstadtreparatur. Wir haben mindestens achtundzwanzig beschäftigungsintensive Gewerbe- und Handelsbranchen. Nicht die Plattenbauten am Stadtrand und die Brücken und Kraftwerke und Straßen, die dann noch in der Erhaltung unbezahlbar sind, sondern Renovierung, Erhaltung kultureller, ästhetischer Werte, Vermenschlichung der Städte. Wir haben es damals „Grätzelpolitik“ genannt. Ich habe den Bürgermeister Gratz angerufen und habe ihm gesagt, dass das nicht die Verkleinerungsform von Gratz ist. Er soll doch mitmachen dabei.
Wir haben uns daran erinnert, dass die Bezirkszentren einmal Kleinstädte gewesen waren und dass sie diese Chance der Vermenschlichung noch hätten.
NATURHISTORISCHES MUSEUM DER STADT WIEN
Als der damalige Wissenschaftsminister Erhard Busek unter mehreren möglichen Kandidaten mir den Tipp gab, mich zu bewerben, habe ich es mir angesehen. Ein Museum, das man um 14 Uhr sperren musste, weil man im Winter um die Zeit nichts mehr gesehen hat. Ein Museum, das durch die Museumsmilliarde eigentlich eine Summe unkoordinierter Baustellen hatte. Bis zu den Knöcheln ist man im Schutt in den einzelnen Sälen gegangen. Die Sanierung hatte vor allem die Labors, die Arbeitsräume, die Sammlungen betroffen. Für das Publikum war noch nichts geschehen.
Und dann diese Architektur! Als Apotheose an die Wissenschaft im Renaissancestil, als Neo-Renaissancekunstwerk. Mit einem sprechenden Figurenprogramm der besten Bildhauer und einem Bilderprogramm der besten Landschaftsmaler des damaligen Österreich. Es war für mich eine Liebesbeziehung. Ich wusste, dass ich mich für eineinhalb Jahrzehnte völlig aufgebe, wenn ich das mache. Aber da ich mir eben eine gewisse Bekanntheit eher als Verhinderer von Projekten gemacht hatte, und hier plötzlich die Chance erhielt, einen schmalen Grat zwischen Kunst und Wissenschaft überschreitend, etwas ins Werk zu setzen, hat es mich einfach zu sehr gereizt, Wissenschaft zu gestalten in Fortsetzung eines Gesamtkunstwerkes mit anderen Mitteln.
Mein Konzept war historischer Rückbau, denn es war ja schon ziemlich viel verschandelt durch neuere Einbauten. Historischer Rückbau mit neuen Inhalten, und natürlich mit einer geradezu theatralischen Ausleuchtung. Wobei ich das ja beim Film gelernt hatte. Aber der Filmbeleuchter muss immer nur schauen, dass es aus der Perspektive der Kamera stimmt, während in der Beleuchtung musste es rundum stimmen aus allen Perspektiven, nirgends blenden. Das war aber nur eine von vielen Aufgaben.
BEGEGNUNGEN
Ich habe damals seltsame Begegnungen gehabt, einen Mann, der im Schädelsaal irgendwelche Abformungen gemacht hat. Ich habe ihn gefragt, wie man sich da fühle, wenn man zwischen 10.000 menschlichen Schädeln arbeite. Er hat mich mit kurzsichtigen Augen über seine Brillen angeschaut und gesagt: „Niemals alleine“.
Oder wie ich den Vorschlag machte, statt bemalten Fischen in Alkohol unter Umständen ein Meeresaquarium mit echten Korallenriffen zu installieren, was sich sogar gehobene Amateure, wenn sie das Geld haben, leisten. Da hat die damalige Kustodin gesagt: „Aquarium? Ein Fisch, der nicht in Alkohol schwimmt, ist für mich kein Fisch.“
HISTORISMUS – HALTUNG
Ich habe also bei allen Einbauten versucht, mir zu vergegenwärtigen, was ein Semper oder ein Hasenauer dazu gesagt haben würden. Ich habe wochenlang Wiener Ringstraßen-Cafes im Museum der Stadt Wien, die sehr kooperativ waren, studiert. Als dann dieses prächtige Cafe Nautilus, in meiner Fantasie ein Forscher-Cafe, flankiert von den großen Forschungsschiffen der K&K-Monarchie dastand, dachte ich, dass das Denkmalamt sich freuen würde. Aber die waren entsetzt. Sie haben gesagt, man würde glauben, dass das immer da war. Ich erklärte ihnen, dass das immer meine Absicht gewesen wäre. Man meinte, ich könne nicht historisieren. Ich antwortete, dass es sich hier um ein historistisches Gebäude handle, und dass Historismus eine Haltung wäre, die immer wieder in der Geschichte auftauche. Leute wie sie hätten die Renaissance verboten.
Ich habe ideologische Kulturkriege zu bestehen gehabt. Ich habe auch Designer und Architekten hinausgezahlt, die das Haus ruiniert hätten. Als es dann in der Pracht wieder erstanden ist mit neuen Inhalten, erfahre ich, dass die „London Sunday Times“ mit einer Spezialserie von Museologen ausgerechnet das Wiener Naturhistorische Museum unter die Top-Ten gewählt hat, und das als einziges Naturmuseum und als einziges österreichisches Museum.
WOHLBESTELLTES HAUS
Dieses Museum war eine Leidenschaft. Daher habe ich das Gefühl gehabt, ich übergebe ein wohlbestelltes Haus und mein Nachfolger kann, auf meinen Schultern aufbauend, den nächsten Schritt machen. Etwa den Meteoritensaal, der immer mein Sorgenkind war, Dinge, die ich halt nicht geschafft habe.
KULTUR – GEDÄCHTNIS
Ich rede mir jetzt ein, wäre ich Impresario oder Intendant der Oper, des Burgtheaters geworden, könnte ich auch nicht damit rechnen, dass mein Nachfolger dieselben Inszenierungen verwendet. Aber ein Museum als Gedächtnis unserer Kultur sollte doch eigentlich Beständigkeit ausstrahlen.
Während ich diese fünfzehn Jahre mit der Freude dessen gearbeitet habe, der weiß, dass das dann wieder für „lange hält“, musste ich innerhalb von zwei Jahren sehen, wie Dinge, von denen ich das nie angenommen hätte, mit riesigen Vorschlaghämmern zertrümmert wurden, Lebendtier-Terrarien, in denen ich jedes Klima der Welt einstellen konnte, reich bepflanzt wie Regenwald oder auch Wüstenszenen, die so hineingepasst haben im Stil, in den Dimensionen in die Fensteröffnungen, dass ich gedacht habe, das ist längst ein Teil des Gesamtgebäudes, und Schlag um Schlag ging es jetzt. Gegen all diese Dinge. Das ist auch nicht mehr reparabel, denn es wird nie mehr das Geld da sein, das alles gut zu machen.
BÜRGERPFLICHT
Es gibt Dinge, wo der Kampf um das Unwiederbringliche meines Erachtens Bürgerpflicht wird. Das ist in erster Linie bei den vielen Auseinandersetzungen um die Reste von Wildnis-Natur, aber es sollte in einer Stadt wie dieser auch die Ensembles betreffen, die wir nach 1945 unter enormen Opfern aus dem Schutt dieses schrecklichen Krieges wieder erstehen sahen.
Archiv-Video vom 11.08.2014:
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Bernd Lötsch (Biologe)
Wir und Wien - Erinnerungen Der Biologe Bernd Lötsch zählt zu den Wegbereitern der österreichischen Ökologiebewegung. Nach seiner Habilitation an der Universität Salzburg begann er mit dem Aufbau des Instituts für Umweltwissenschaften und Naturschutz. Danach lehrte er an der Universität in Salzburg, gründete das Zentrum für Umweltplanung und verwaltete als Präsident des Nationalparks Donau-Auen das Erbe jener, die den Kampf für die Erhaltung der Hainburger Au zum Erfolg geführt hatten. Von 1994 bis 2009 leitete er das Naturhitorische Museum. Entscheidende Verdienste um Österreich und den internationalen Umweltschutz erwarb sich Lötsch mit seinen Vorschlägen für lebensgerechte Stadtgestaltung und als Pionier der österreichischen Ökologiebewegung. An allen großen Umweltaktionen war er federführend beteiligt.
Länge: 49 Min. 24 Sek.
Produktionsdatum: 2013
Copyright: Stadt Wien