Grundpositionen zum automatisierten Fahren

Das Auto der - nicht allzu nahen - Zukunft wird sich selbstständig im Verkehr bewegen können. Für die Stadt Wien stellt sich die Frage, wie automatisiertes Fahren einen Beitrag dazu leisten kann, dass Wien eine der lebenswertesten Städte der Welt bleibt.

Wie könnte urbane Mobilität dann aussehen? Wird es mehr oder weniger Autoverkehr geben? Welche Auswirkungen wird diese Entwicklung auf den öffentlichen Raum in der Stadt haben? Wer wird in Zukunft im Verkehr für uns denken und welche Moralvorstellungen werden uns begleiten? Diese Fragen rund um das Zukunftsthema "automatisiertes Fahren" werden von der Stadt Wien in einem Grundsatzpapier erörtert.


Wiener Antworten zum automatisierten Fahren

Schon heute ist Wien im internationalen Vergleich eine der lebenswertesten Städte der Welt. Jetzt geht es darum, auch in der Frage der Mobilität eine Vorreiterrolle einzunehmen. Auf lange Sicht ist es wahrscheinlich, dass sich vollautomatisiertes Fahren auch in Wien großflächig durchsetzen wird. Es müssen jedoch noch ein paar Weichen richtig gestellt werden, damit ein für alle akzeptables, dem Gemeinwohl verpflichtetes Mobilitätssystem entsteht.

Grundpositionen

Daher hat die Stadt Wien 2023 bis 2024 die "Wiener Grundpositionen zur automatisierten Mobilität" entwickelt:

Während die technologische Entwicklung durch die Fahrzeug- und IT-Industrie vorangetrieben wird, ist es Aufgabe der Öffentlichen Hand auf die Wirkungen und Nebenwirkungen zu achten.

Raum und Effizienz

Raum von drei gängigen Verkehrsmitteln in einer Stadtstraße – Autos, Fahrräder und einem Bus

Ein nachhaltiges Verkehrssystem muss hocheffizient mit dem knappen öffentlichen Raum umgehen.

Was für die Bebauung in Städten gilt, gilt auch für das Verkehrssystem. Der knappe Raum muss möglichst effizient genutzt werden. Für Verkehr in der Stoßzeit gilt dies besonders. Der öffentliche Verkehr auf den Hauptachsen ist in dieser Hinsicht unschlagbar. Die Hochleistungsachsen des öffentlichen Verkehrs sind daher wegen ihrer Energie- und Raum-Effizienz unersetzbar.


Grundpositionen der Stadt

  • Fokussierung auf Randlagen und Verbindungen zwischen den Hauptachsen
    Automatisierte Services können attraktive und bedarfsorientierte Angebote für Stadtrandbereiche und die "letzte Meile" (als Zubringer zur U-Bahn und Wohnadresse) sein. In Randlagen sollen selbstfahrende, bedarfsorientierte Mini-Busse den öffentlichen Verkehr ergänzen und unterstützen. Auch auf Verbindungen, wo aufgrund geringer Gesamtnachfrage größere Fahrzeuge nicht wirtschaftlich sind, wie zum Beispiel quer zu Hauptachsen, könnten bedarfsorientierte Mobilitätsdienste einen Mehrwert schaffen.
  • Anreize zu hohen Besetzungsgraden
    Die Anzahl der Personen pro Fahrzeug stellt einen enormen Hebel zur Vermeidung von Stau, Energieverbrauch und Emissionen dar. Daher sollen Ridesharing-Lösungen, also das Nutzen freier Sitze durch Mitfahrende, seitens der Stadt weiter unterstützt werden. Diese sind ökonomisch und ökologisch sinnvoll.
  • Zusammenarbeit in der Region
    Wien strebt nachhaltige Siedlungsstrukturen in der gesamten Stadtregion an. Eine Region der kurzen Wege ist ökologisch und gesellschaftlich vorteilhaft.
  • Nachfrage nach Dauerstellplätzen sinkt
    Sharing-Flotten automatisierter Autos verbringen mehr Zeit mit Transportdienstleistungen als mit unproduktivem Parken. Bei konstanter Fahrleistung sinken somit die Flottengröße und der Stellplatzbedarf.
  • Öffentlicher Raum
    Selbstfahrende Autos bewegen sich regeltreu, defensiv und emissionsarm. Das eröffnet neue Chancen für attraktive öffentliche Räume zum Flanieren, Plaudern und Spielen.

Sicherheit

Visualisierung von selbstfahrenden Autos im Straßenverkehr

Autonome Fahrzeuge müssen im Verkehr mit konventionellen VerkehrsteilnehmerInnen zurechtkommen.

Selbstfahrende Autos dürfen in Wien erst dann zugelassen werden, wenn sie nachweislich signifikant sicherer fahren als Menschen.


Grundpositionen der Stadt

  • Eigensicherheit hat Vorrang
    Auch mit unübersichtlichen Kreuzungen, Teilausfällen von Systemen oder schlechter Witterung müssen automatisierte Fahrzeuge umgehen können.
  • Sicherheit im Mischverkehr
    Selbstfahrende Autos müssen im Verkehr mit konventionellen Verkehrsteilnehmer*innen zurechtkommen. Besonders mit nicht-automatisierten Fahrzeugen im Mischverkehr sowie mit Radfahrenden sowie mit Fußgängerinnen und Fußgängern. Für diese sollen keine neuen Verpflichtungen entstehen, wie zum Beispiel das Mitführen von Geräten, durch die sie von den autonomen Fahrzeugen leichter erkannt werden könnten.
  • Ebenso wie technische sind auch menschlich-organisatorische Faktoren zu beachten:
    • Automatisierte Fahrzeuge müssen für ihre Nutzer*innen und andere Verkehrsteilnehmer*innen vorhersehbar und sicher sein. Auf die Mensch-Maschine-Schnittstelle ist hohes Augenmerk zu lenken. Insbesondere müssen auch andere Verkehrsteilnehmer*innen oder Einsatzkräfte den Zustand und die Absicht der automatisierten Fahrzeuge erkennen können.
    • Die Fähigkeiten und Grenzen der automatisierten Fahrzeuge müssen transparent sein, damit Menschen ihnen in einem angemessenen Maß vertrauen, jedoch ein übermäßiges Vertrauen vermeiden.

Infrastrukturen

Das selbstfahrende Auto wird nicht plötzlich auf unseren Straßen auftauchen. Die Entwicklung erfolgt in mehreren Stufen. Das hat Auswirkungen nicht nur in der Verkehrsplanung, sondern auch in der Raumordnung und in der Parkraumbewirtschaftung. Tatsache ist: Der öffentliche Raum ist für alle Menschen da.


Grundpositionen der Stadt

  • Automatisierte Fahrzeuge müssen mit den bestehenden Verkehrsleiteinrichtungen und Verkehrszeichen umgehen können.
  • Es soll keine neuen, aufwändig hergestellten Infrastruktur-Einrichtungen im öffentlichen Raum geben, um in Übergangsphasen noch bestehende Schwächen von selbstfahrenden Autos auszugleichen. Dies soll durch technologische Weiterentwicklung am Fahrzeug selbst erfolgen.
  • Autonome Fahrzeuge dürfen sich nicht darauf verlassen, dass die öffentliche Infrastruktur sie in die Lage versetzt, sicher zu fahren. Das ist ihre eigene Aufgabe, auch haftungsrechtlich. Dabei passen sich automatisierte Fahrzeuge an öffentliche Räume an, nicht umgekehrt.
  • Die internationale Standardisierung darf nicht zu Lasten der Straßen-Erhalter gehen.
  • Barrieren durch Verkehrsinfrastrukturen in städtischen Räumen sollen nicht zunehmen.
  • Das hohe Maß an Regeltreue der automatisierten Fahrzeuge ist eine Qualität, da dies zu höherer Verkehrssicherheit und besserer Mischfähigkeit mit Aufenthaltsnutzungen im Straßenraum führt. Einem Missbrauch dieser defensiven, auf Sicherheit optimierten Verhaltensweise durch spezifische menschliche Verhaltensanpassungen (sehr risikogeneigtes Verhalten, bewusste Blockade) muss entgegengetreten werden.

Verkehrssteuerung

Selbstfahrende Autobusse in Aspern

Probefahrt mit autonomen E-Bussen in der Seestadt aspern, 2019 bis 2021

Auf welchem Weg sich ein Fahrzeug zum Ziel bewegt, wird zunehmend von Algorithmen entschieden. Daher wird die Verkehrssteuerung in Zukunft stärker datenbasiert erfolgen. Zu etablierten Steuerungstechniken wie Verboten und Geboten sowie durch die Gestaltung von Straßenräumen kommen Anreizsysteme hinzu. Dieses erweiterte Repertoire ermöglicht eine treffsicherere Steuerung des Verkehrs. Durch Automatisierung und Digitalisierung wird dies zukünftig für alle Beteiligten einfacher umsetzbar und nutzbar.


Grundpositionen der Stadt

  • Datenbasierte Steuerung erfordert Daten
    • Autonome Fahrzeuge generieren viele Daten über den Straßen- und Verkehrszustand, Routen und Reisezeiten. Diese Daten müssen der öffentlichen Hand für Zwecke der Planung und Verkehrssteuerung anonymisiert und kostenfrei zugänglich sein.
    • Beim automatisierten Fahren sollen demokratisch legitimierte verkehrs-, umwelt- und wirtschaftspolitische Zielsetzungen verfolgt werden.
  • Routing orientiert sich am Systemoptimum
    • Die Routenwahl ist entscheidend. Es soll keine Schleichwege durch Wohngebiete oder Schulstandorte geben.
    • Die Vorteile der vorhandenen Hochleistungs-Achsen des öffentlichen Verkehrs sollen genutzt werden
  • Mehr Lebensqualität und saubere Umwelt auch ohne Verzicht sind möglich
    Dazu müssen automatisierte Fahrzeuge über einen Kohlenstoff-freien Antrieb verfügen und einen hohen Besetzungsgrad aufweisen. Sie müssen ergänzend, nicht konkurrierend zu bestehenden Hochleistungsachsen des öffentlichen Verkehrs eingesetzt werden. Würden die gefahrenen Kilometer jedoch massiv ansteigen, würden diese sehr positiven Effekte überkompensiert und ins Gegenteil verkehrt.
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