1.2 Oma, was ist ein Schneemann?
Die Klimadaten der vergangenen Jahre zeigen uns deutlich, dass wir uns mitten in einer vom Menschen verursachten Klimaveränderung befinden. Die Erderwärmung schreitet immer schneller voran. Die Hauptursachen dieser weltweiten Veränderungen liegen auf der Hand. Insbesondere die Verbrennung der fossilen Energieträger Kohle, Erdöl und Erdgas, aber auch die Zerstörung von Wäldern und Böden haben seit Beginn der industriellen Revolution Treibhausgase in gigantischem Ausmaß freigesetzt und die Zusammensetzung unserer Atmosphäre und damit unsere Umwelt verändert. Den Ursprung der klimaschädlichen Treibhausgase auf globaler Ebene zeigt Abbildung 1.
Fest steht, dass menschliches Handeln der Hauptverursacher des Klimawandels ist [2]. Die gute Nachricht: Wir haben es damit selbst in der Hand und können es künftig besser machen! Ziel ist eine klimaneutrale Zukunft, um die bereits heute deutlich spürbaren Auswirkungen des Klimawandels auf ein verträgliches Ausmaß zu beschränken. Dementsprechend wichtig ist es, die Emissionen von Treibhausgasen insbesondere in den Bereichen Mobilität, Gebäude und Energie so rasch und so drastisch wie möglich zu senken und schlussendlich kaum mehr Treibhausgase an unsere Umwelt abzugeben. Dazu benötigt es entschlossenes und konsequentes Handeln.
Jedoch ist es aufgrund der weit fortgeschrittenen Klimaveränderungen mit der Vermeidung von Treibhausgasemissionen allein nicht mehr getan. Denn bereits heute leiden Menschen und Umwelt unter den direkten und indirekten Folgen des Klimawandels. Steigende Temperaturen, eine Zunahme an Extremwetterereignissen wie Starkregen oder Hagel, der Anstieg des Meeresspiegels oder der Gletscherschwund sind zur Normalität geworden und wirken sich auf unsere Gesundheit, unsere Lebensqualität und unsere Wirtschaft aus. Es gibt keine Region auf der Erde, in der die klimatischen Änderungen nicht spürbar sind. So auch in Wien.
Wien wird – so sagen uns wissenschaftliche Studien – zu den am meisten von der Klimakrise betroffenen Städten Europas zählen [3]. Unser Hauptproblem: Es wird heißer!
Seit den 1970er-Jahren ist die Jahresdurchschnittstemperatur in Österreich um etwa zwei Grad Celsius, in Wien sogar um drei Grad gestiegen [4]. Das merken wir bereits jetzt in den heißen Sommermonaten, wenn die Temperaturen auf knapp 40 Grad Celsius klettern und in der Nacht nicht mehr unter 20 Grad Celsius absinken. Abkühlung nicht in Sicht!
Das Ausmaß und das zunehmende Tempo dieses Temperaturanstiegs haben sich bereits seit Jahren angekündigt. Lagen wir im Zeitraum von 1961 und 1990 noch bei durchschnittlich zehn Hitzetagen pro Jahr mit Höchsttemperaturen von über 30 Grad, so waren es von 2015 bis 2020 im Schnitt bereits 33 Hitzetage pro Jahr [6]. Tendenz steigend!
Wissenschaftler*innen rechnen mit einer weiteren Erwärmung Wiens um bis zu vier Grad Celsius bis zum Ende des Jahrhunderts. Hitzewellen, die in den letzten 30 Jahren noch durchschnittlich fünf Tage andauerten, werden gegen Ende des 21. Jahrhunderts bis zu 28 Tage umfassen können [3; 8]. Je nach Erfolg oder Misserfolg der globalen Klimaschutzanstrengungen werden die Temperaturen in Wien bis Ende des Jahrhunderts eher jenen der südfranzösischen Hafenstadt Marseille oder der westafrikanischen Metropole Dakar ähneln [9]. Das wird nicht mehr das Wien sein, wie wir es kennen!
Auf welche Änderungen müssen wir uns in Wien auf jeden Fall einstellen?
Unsere Winter werden weniger kalt, die Anzahl an Eistagen nimmt ab. Wärme- und Hitzeperioden werden zunehmen. Der Wasserkreislauf wird angekurbelt, weshalb intensive Regenfälle und Überflutungen häufiger werden. Parallel dazu werden Dürreperioden – also Phasen ohne Regen – zunehmen.
Die damit verbundenen Auswirkungen sind erheblich. Hohe Temperaturen können massive Auswirkungen auf unsere Gesundheit und damit auf unsere Lebensqualität haben, wobei einzelne Gruppen unterschiedlich betroffen sind. Insbesondere ältere Menschen, chronisch kranke Personen und Kinder leiden unter Hitzewellen. Das führt auch zu einem erhöhten Aufwand für betreuende Personen. Menschen mit wenigen sozialen Kontakten und geringem Einkommen sind (unter anderem aufgrund ihrer Wohnverhältnisse) ebenfalls überdurchschnittlich betroffen. Kühlung und Klimatisierung werden dementsprechend zunehmend zur sozialen Frage. Auch die Leistungsfähigkeit der technischen Infrastrukturen Wiens kann durch die zunehmende Hitze beeinträchtigt werden.
Um aus der Klimakrise keine Klimakatastrophe werden zu lassen, braucht es massive Investitionen in die Zukunft. Wenn wir nicht konsequent Maßnahmen für Klimaschutz und Klimaanpassung umsetzen, wird es mittel- bis langfristig richtig teuer. Und zwar noch wesentlich teurer als die Mehrkosten, die eine Umgestaltung zu einer klimaneutralen und klimaresilienten Stadt mit sich bringt.
Sollten wir nichts tun, gehen Expert*innen von einem Wirtschaftseinbruch – ausgelöst durch den Klimawandel und die damit verbundenen sozialen Verwerfungen – bis zur Jahrhundertwende aus [10; 11]. An vielen Orten der Welt werden Menschen unbewohnbar gewordenen Lebensraum teilweise verlassen müssen. Es droht Klimamigration. Dasselbe gilt für Tiere und Pflanzen, die sich auf die neuen Bedingungen einstellen oder in neue, ihren Ansprüchen genügende Umgebungen ausweichen müssen. Trotzdem ist mit einem massiven Verlust der Artenvielfalt zu rechnen.
Doch zum Glück können wir etwas tun – und zwar gemeinsam! Denn der Klimawandel wird nicht von Wissenschaft, Wirtschaft oder Politik allein gelöst werden. Gefordert sind wir alle. Die Rolle als Stadt ist es, die Richtung für diesen Wandel vorzugeben, Weichen rechtzeitig zu stellen und alle Wiener*innen bestmöglich an der Lösungsfindung zu beteiligen bzw. bei ihnen für die erforderlichen Maßnahmen um Verständnis zu werben. Das tun wir für uns und für die nächsten Generationen. Damit Wien auch für unsere Kinder und Kindeskinder eine lebenswerte Stadt bleibt!