8.1 „Der Wandel ist schmerzhaft und lustvoll zugleich“
Wojciech Czaja im Gespräch mit Birgit Hebein, Andreas Trisko und Elke Delugan-Meissl
Wien bleibt Wien. Oder doch nicht? Gespräch mit einem Dream-Team, bestehend aus Birgit Hebein, Vizebürgermeisterin und Planungsstadträtin, Andreas Trisko, Leiter der Abteilung MA 18 Stadtentwicklung und Stadtplanung, sowie Elke Delugan-Meissl, Architektin und Vorsitzende des Wiener Fachbeirats für Stadtplanung und Stadtgestaltung.
„Wien bleibt Wien – diese Feststellung ist halb Verheißung, halb gefährliche Drohung“, hat der Wiener Schriftsteller Hans Weigel gesagt. Verheißung oder Drohung?
Delugan-Meissl: Für mich ist diese Aussage weder eine Verheißung noch eine Drohung. Weigel wäre überrascht, welche Veränderungen Wien seit den Neunzigerjahren vollzogen hat, insofern ist seine damalige Prognose nicht mehr zutreffend. Vielmehr repräsentiert Wien für mich Kontinuität und stetigen Wandel. Natürlich ist Wien weder mit London noch Berlin zu vergleichen, aber es ist eine aparte, gemäßigte Stadt mit einer unglaublich hohen Lebensqualität.
Hebein: Ganz klar Verheißung! Viele andere Städte beneiden uns um die Chancen, die Wien in den letzten 100 Jahren wahrgenommen hat. Es gehört ohne jeden Zweifel zum Wiener Wesen dazu, die eigene Stadt zu lieben, sie zugleich aber auch ein bisschen runterzureden. Ich bin mir jedoch sicher, dass es nicht erst einen internationalen Vergleich benötigt, um die Qualitäten dieser Stadt zu erkennen. In der Nörgelei der Wiener und Wienerinnen erkenne ich auch eine Art Treue der eigenen Stadt gegenüber.
In seinem Buch „Das tausendjährige Kind. Kritische Versuche eines heimlichen Patrioten zur Beantwortung der Frage nach Österreich“, erschienen 1965, schreibt Weigel außerdem über die Architektur und Stadtentwicklung: „Man baut weiter scheußlich, aber Wien bleibt trotzdem schön.“ Was ist dran an seinem Urteil?
Trisko:
Es gibt eine Zeit, da wurden schon ein paar ziemlich hässliche Häuser gebaut. Damals hat man Wege aus der Moderne gesucht, die durch den Druck der Nachkriegsjahre etwas banal geraten war – und hat diese Wege nicht immer auf Anhieb gefunden. Aber das ist schon okay, denn die Kernaussage dieses Zitats für mich ist, dass eine schöne Stadt durchaus imstande ist, ein paar scheußliche Häuser zu ertragen.
Delugan-Meissl:
Wir haben ein großes imperiales Erbe und eine dichte Struktur an gründerzeitlicher Bausubstanz, die in der Lage ist, auch Bausünden zu absorbieren und zu kompensieren. Wien hat eine gute Balance gefunden, dennoch sehe ich in meiner Rolle als Architektin die Schönheit der Stadt nicht nur in
den Gebäuden. Manchmal zeigt sie sich vor allem auch in den Zwischen- und Außenräumen – in dem von uns allen genutzten öffentlichen Raum.
Hebein:
Für mich liegt die Schönheit dieser Stadt in ihrer Vielfalt. Sie begegnet mir täglich, und ich erkenne sie im ersten Bezirk genauso wie in den Industrie- und Landwirtschaftsgebieten in Favoriten, Simmering und der Donaustadt. Dass nicht alle Menschen jedem Baustil etwas abgewinnen können, ist Teil der Vielfalt.
Bedingungslose Liebe also?
Hebein: Nein. Stadt ist immer ein Kompromiss und daher nie fertig. Wo ich allerdings keinen Kompromiss gelten lassen kann, sind Orte, wo es an Bäumen, an Schatten, an Wasser fehlt, sowie Wohngegenden mit vielen Kindern, mit vielen alten Menschen, die sich gerne im öffentlichen Raum treffen würden, die aber nichts anderes vorfinden als enge Gassen mit Beton und Asphalt, ohne Grün und ohne Bankerl.
Was tun?
Hebein:
Wir sind es gewohnt, diesen Schmerz bis zu einem gewissen Grad auszuhalten. Kinder sind imstande, sich alles Mögliche und Unmögliche anzueignen, sich jeden Raum zu nehmen, den sie sich nehmen wollen. Wir können viel von ihnen lernen.
Delugan-Meissl:
Schmerz empfinde ich, um ehrlich zu sein, bei den Agglomerationen aus Shoppingcentern und Fachmarktzentren an den Stadträndern Wiens. Das sind für mich lebens- und menschenverachtende Orte, die wirklich ziemlich negative Emotionen in mir hervorrufen.
Und Ihr Schmerz, Herr Trisko?
Trisko: Der Werbe- und Schilderwald. Die Künstler Steinbrener/Dempf haben im Sommer 2005 die Neubaugasse entschriftet und entworben. Was für ein schönes Bild das war! So würde ich mir Stadt wünschen, auch wenn das eine Utopie ist.
In São Paulo ist diese Utopie Wirklichkeit geworden.
Trisko: Ja, Bürgermeister Gilberto Kassab hat einen sehr radikalen Weg eingeschlagen und hat öffentliche Großwerbung verboten. Ich weiß nicht, ob ich diese Maßnahme auch auf Wien anwenden wollen würde, aber eines ist nicht von der Hand zu weisen: Die Stadt erstrahlt dadurch in einer schon verschwunden geglaubten Schönheit.
In einem Interview haben Sie die Arbeit der MA 18 einmal als „kreative, strategische Knochenarbeit“ bezeichnet. Wo können Sie sich kreativ austoben? Und wo beginnt die Knochenarbeit?
Trisko:
Als Abteilung für Stadtplanung und Stadtentwicklung haben wir eine gewisse Kreativitätshoheit, denn wir sind keine Umsetzer, sondern strategische Planer. Unsere Aufgabe ist es, Gegebenheiten zu hinterfragen und über den Tellerrand zu blicken. Das ist der kreative Teil. Die Knochenarbeit fängt dort an, wo wir merken, dass eine von uns geplante und intendierte Strategie nicht als Vision in den Wolken schweben darf, sondern dass wir sie in Zusammenarbeit mit
der Politik, mit der Verwaltung und mit unseren Partnern und Partnerinnen aus diversen Fachbereichen auf das Machbare herunterbrechen müssen.
Hebein:
Ich tue mir damit wahrscheinlich etwas leichter, denn meine Aufgabe ist es, die Pläne, die strategischen Überlegungen der MA 18 und all der anderen Abteilungen der Stadt mit den Menschen in die Realität umzusetzen. Die dafür benötigte Kreativität kommt auch aus der Bevölkerung. Die Politik muss hier lediglich den Rahmen halten und den Platz zur Verfügung stellen.
Trisko:
Ich denke, wir arbeiten einander auf mehreren Ebenen zeitversetzt zu.
Hebein:
Ich glaube, dass wir uns gegenseitig brauchen.
Das klingt nach dem perfekten Dream-Team!
Hebein: Das Dream-Team Wien besteht aus deutlich mehr Protagonistinnen und Protagonisten.
Zum Beispiel aus Frau Delugan-Meissl. Seit 2017 sind Sie nun Vorsitzende des Wiener Fachbeirats für Stadtplanung und Stadtgestaltung. Welche Rolle nehmen Sie in diesem strategischen Tun ein?
Delugan-Meissl: Wir sind ein beratendes Gremium, wir haben nicht das Pouvoir, Entscheidungen zu treffen, wir können lediglich Empfehlungen und Stellungnahmen abgeben. Vielleicht sind wir so gesehen eine Art kritische, außenstehende Kontrollinstanz. Das Hauptaugenmerk liegt auf der Flächenwidmung: Unsere Arbeit bezieht sich auf Widmungen auf Basis von Studien und kooperativen Verfahren, auf individuelle Anfragen und konkrete Projekte, die von Privatinvestoren eingebracht werden, sowie auf vorausschauende Widmungen in Hinsicht auf Angemessenheit und Positionierung im städtischen Kontext. Mir persönlich ist außerdem ein Anliegen, auch die gestalterische Qualität der Gebäude zu sichern. Allerdings haben wir immer wieder mit quartiers- und bezirksübergreifenden Entwicklungen im Bereich Verkehr und Grünraumplanung zu tun. Meilensteine werden in der Stadtentwicklung gesetzt!
Das heißt?
Delugan-Meissl:
Für die Entscheidungsfindung, für eine kritisch-fundierte Betrachtung, ist es unerlässlich, dass hier verschiedene Planungsinstrumente ineinandergreifen. Da sehe ich ehrlich gesagt noch Potenzial.
Trisko:
Ein wichtiger Punkt! Ich muss Frau Delugan-Meissl vollkommen Recht geben: Die wesentlichen Zusammenhänge auf planerischer, strategischer und verwaltungstechnischer Ebene herzustellen und abzustimmen, ist eine komplexe Aufgabe, denn Stadtentwicklung setzt eine permanente Befassung von oft widersprüchlichen Zielkonflikten voraus. Wir sind mit den Kollegen der Stadtteilplanung gerade dabei, die vielfältigen Ansätze der Vergangenheit zu systematisieren und damit auch besser nachvollziehbar zu machen. Aber eines ist auch klar: In der Öffentlichkeit werden natürlich lieber konkrete Stadterweiterungsprojekte diskutiert als die Gesamtentwicklung einzelner Stadtgebiete.
Hebein:
Ein Areal, in dem wir uns ganz bewusst um diesen großflächigen Zusammenhang bemühen, ist Favoriten-Süd. Der Südraum Wiens zählt
zu jenen Stadtentwicklungsgebieten,
in denen wir sehr darauf Acht geben, Planung und Entwicklung nicht nur großflächig, sondern auch vernetzter und interdisziplinärer zu denken und auch an die benachbarten Stadtareale anzuknüpfen. Darf ich daher kurz nachhaken: Hat sich das aus Ihrer Sicht seitdem nicht verbessert?
Delugan-Meissl:
Ja, es ist besser geworden. Aber Nachverdichtung – vor allem die großflächige, großmaßstäbliche Nachverdichtung in Wien – ist eine hochkomplexe Angelegenheit, sodass wir diese Entwicklung, diese Vernetzung der Stadtteile, der Korridore, der Infrastrukturen eigentlich noch viel intensiver, viel großräumiger betrachten müssen, als dies jetzt schon der Fall ist.
Was schlagen Sie vor?
Delugan-Meissl:
Für die großen Entwicklungsgebiete würde ich mir bezüglich unserer Arbeit eine Art Thinktank wünschen, wo durch intensiven Informationsaustausch neues Wissen gewonnen und die Erarbeitung neuer Strategien ermöglicht wird.
Trisko:
Genau das ist unser Ziel. Die
MA 18 und MA 21 arbeiten in den großen Entwicklungsgebieten sehr eng zusammen. Ich denke da nur an die Strategieplanung Perspektive Liesing oder an die Zielgebiete entlang der neuen U2, Wo willst du hin, meine Donaustadt? Das Dilemma ist nur, dass diese Arbeiten leider immer noch zu wenig sichtbar sind und nicht genug wahrgenommen werden. Doch auch daran arbeiten wir!
Der Fachbeirat ist ein heterogenes Ensemble aus zwölf Expertinnen und Experten aus unterschiedlichen Fachrichtungen. Spricht man immer die gleiche Sprache?
Delugan-Meissl: Die Heterogenität des Fachbeirats ist gegeben und meiner Meinung nach essenziell, denn auch Stadt ist eine heterogene Materie. Natürlich gilt es, am Ende der Diskussion eine gemeinsame Aussage zu treffen. Wir gehen respektvoll miteinander um. So gesehen würde ich wagen zu behaupten, dass wir, trotz unterschiedlicher Zugänge, die gleichen Qualitätsziele verfolgen.
Frau Hebein, Stadtplanung und Stadtentwicklung ist eine komplexe, vielschichtige Materie. Wie gut lässt sich dieses Thema in der Bevölkerung kommunizieren?
Hebein: Mein Zugang ist es, nicht mit Angst zu arbeiten, sondern mit dem Machbaren und natürlich mit den Menschen – und zwar nicht vom Schreibtisch aus, sondern mitten in der Stadt, denn sonst wäre ich fehl am Platz. Aus den bisherigen drei Jahreszeiten, die ich als Planungsstadträtin tätig bin, kann ich nur sagen: Sobald man Stadtplanung und Stadtentwicklung auf einen menschlichen Maßstab herunterbricht – auf Bäume, auf Wasserflächen, auf Beschattungsmaßnahmen –, kommt man ganz einfach und schnell ins Gespräch! Ich bin beeindruckt von der Bereitschaft der Auseinandersetzung. Ohne die Neugier der Bevölkerung wäre Stadtentwicklung nicht möglich.
Bei Ihrer Vorgängerin Maria Vassilakou hat sich gezeigt, dass sich die emotionalen, polarisierenden Themen am stärksten im kollektiven Bewusstsein verankern. In gewisser Weise trifft das auf jede Stadt zu. Braucht es Aufreger? Braucht es mediale Skandale?
Hebein:
Veränderung bringt immer gewisse Schmerzen mit sich. Und große Projekte, die Vieles verändern, haben mit entsprechend großen Schmerzen zu tun. Die Verkehrsberuhigung in der Mariahilfer Straße werden wir alle stets mit Maria Vassilakou in Verbindung bringen. Ja,
sie hat mit der Fußgänger- und Begegnungszone für Aufregung gesorgt. Ob es sich bei diesem Projekt, das einen wertvollen Beitrag zum Klimaschutz darstellt und international Nachahmung erfährt, um einen Skandal handelt, möchte ich aber stark anzweifeln.
Trisko:
Dem kann ich nur zustimmen: Veränderung in der Stadtplanung und
in den Verwaltungsstrukturen der Stadt braucht mutige Entscheidungen, und diese Entscheidungen verursachen Schmerzen, denn sie haben mit Umdenken zu tun, sie konterkarieren die sich eingeschlichene Bequemlichkeit, und es wird immer Menschen geben, die diese Entscheidungen missbilligen. Und wissen Sie was? Genau diese Menschen müssen wir mitdenken und abholen!
Was sind denn konkrete Punkte des Umdenkens? Können Sie uns ein Beispiel nennen?
Delugan-Meissl:
Ich blicke da gerne nach Kopenhagen, wo die drei Architekturbüros BIG, Superflex und Topotek 1 im Stadtteil Nørrebro einen drei Hektar großen Platz unter dem Titel Superkilen geplant haben. Das ist eine Platzgestaltung in einem Viertel mit sozialen Spannungen und starkem sozialen Gefälle, der viele verschiedene Nutzungen für die unterschiedlichsten Menschen zur Verfügung stellt: Park, Sitzgelegenheiten, Hügel zum Radfahren und Skaten, Grillplätze, Laufstrecken, Rennbahnen, Spielplätze, Cafés und so weiter. Dieser Platz schafft wirklich Identifikation! Das ist integratives architektonisches Denken. Das lässt sich nicht mit einem eingezäunten Fußballkäfig und ein paar aufgestellten Sandkisten bewerkstelligen, wie das in Österreich oft gemacht wird. Da bedarf es mehr Mut und Offenheit.
Hebein:
Ich denke an die „Coolen Straßen“, dir wir erstmals im Sommer 2019 umgesetzt haben. Sie sind Orte der Begegnung, wo Autos keinen Platz haben. Es geht darum, Straßenraum anders zu denken und die sehr begrenzte Ressource öffentlicher Raum mit der Bevölkerung neu auszuhandeln. Die Aktion war sehr erfolgreich und wird heuer an mehreren Standorten stattfinden.
Wie viele dieser „Coolen Straßen“ sind für kommenden Sommer geplant?
Hebein: Wir befinden uns derzeit noch im Austausch mit den Bezirken, aber ich denke, es wird an die 20 „Coole Straßen“ geben.
Im Vorwort dieser Publikation schreiben Sie, dass Wien europäische Klimahauptstadt werden könnte. Wie denn das?
Hebein:
Genauso! Die „Coolen Straßen“ sind eine Maßnahme zur Klimawandelanpassung. In Zukunft müssen wir noch größer denken. Vor allem aber können wir es uns nicht leisten, die nächsten acht Jahre Arbeitsgruppen zu bilden oder Diskussionen um fossile Energieträger und Parkplätze zu führen. Diese Zeiten sind vorbei.
Trisko:
Ich möchte allerdings darauf hinweisen, dass die Lösung auf alle Probleme und Herausforderungen nicht ausschließlich in neuen Plätzen und neuen Bauwerken liegen kann! Betrachtet man den aktuellen Gebäudebestand Wiens, so kann man daraus schließen, dass rund 80 Prozent aller Häuser, die 2050 in Wien herumstehen werden, heute bereits existieren. Das heißt: Noch mehr als bisher werden wir einen Großteil unserer Gelder, Energien und Anstrengungen in die Sanierung und Erneuerung der bestehenden Bausubstanz investieren müssen. An der Aufwertung der bestehenden Stadt führt kein Weg vorbei. Hier müssen wir radikal umdenken.
Wird das gelingen?
Trisko:
Es muss gelingen.
Delugan-Meissl:
Das sehe ich genauso. Mit Neubau alleine werden wir die Klimakrise nicht in den Griff kriegen. Ich denke, hier sind wir Architektinnen und Architekten gefordert, unser Berufsbild neu zu definieren und der Zukunft ins Auge zu blicken.
Sie haben vorhin die Veränderungsschmerzen angesprochen. Mit Angst, Zwang und Schmerzen kommen wir nicht weiter. Am Ende würde ich Sie gerne fragen: Wie können wir die Schmerzen transformieren? Wie können wir für das Wien der Zukunft einen Lustgewinn herauskitzeln?
Trisko:
Unser gemeinsames Ziel ist eine Stadt, in der nach wie vor der Mensch im Mittelpunkt steht – und nicht das Auto, nicht die höchste Bebauungsdichte, nicht die neueste und smarteste Technologie. Wir sind Rudel- und Gemeinschaftstiere. Ohne 200 bis 300 Augenkontakte pro Tag, die wir für unser Wohlbefinden und für unsere Sozialisation brauchen, werden wir depressiv. Mein Lustgewinn liegt in einer Stadt der Begegnung und der Augenkontakte.
Delugan-Meissl:
Wenn man Prozesse gut steuert und transparent gestaltet, dann kann man damit bei allen Beteiligten Lust erzeugen. Beispiele dafür gibt es zur Genüge!
Trisko:
Die niederländische Stadt Utrechtse Heuvelrug mit rund 50.000 Einwohnern praktiziert seit 2015 Partizipation nach soziokratischem Vorbild. Die Stadtplanung und Stadtentwicklung liegt in der Verantwortung aller. Natürlich ist das anstrengend, aber der langwierige Prozess zahlt in entsprechend hochwertige und breit getragene Resultate ein.
Frau Hebein, wie kommen wir von den Schmerzen in die Lust?
Hebein: Im Grunde genommen ist das ganz einfach: Alles wird leichter sein als jene Schmerzen, die wir erleiden, wenn wir uns nicht jetzt von den gewohnten Bequemlichkeiten unseres Alltags verabschieden. Die insgeheime Sehnsucht von uns Menschen bleibt immer die gleiche – und zwar ein Leben in Frieden und Zufriedenheit, vielleicht mit einem kleinen bisschen Glück. Wir sind auch immer Kinder unserer Zeit. Zu Beginn dieses Round Table haben wir über Veränderung gesprochen, über Verheißung und Bedrohung des Neuen: „Wien bleibt Wien.“ Vielleicht könnte man diesen Satz weiterdenken und sagen: Wien verändert sich, weil alles im Wandel ist – und diese Feststellung ist sowohl ein bisschen schmerzlich als auch ziemlich lustvoll.
Elke Delugan-Meissl,
geboren 1959 in Linz, studierte Architektur in Innsbruck. Neben zahlreichen Wohnbauten realisierte das 1993 gegründete Büro DMAA Delugan Meissl Associated Architects u. a. das Porsche-Museum in Stuttgart (2008), den FH-Campus Wien (2009), das Eye Film Institute in Amsterdam (2011), das Festspielhaus der Tiroler Festspiele Erl (2012), das Hyundai Motorstudio Goyang in Südkorea (2017) und den Campus Tower Hamburg (2019). Aktuell arbeitet DMAA an Projekten in Europa, China und in den USA. 2015 wurde DMAA mit dem Großen Österreichischen Staatspreis ausgezeichnet. Seit 2017 ist Elke Delugan-Meissl Vorsitzende des Wiener Fachbeirats für Stadtplanung und Stadtgestaltung.
Birgit Hebein,
ist 1967 in Villach geboren. Die diplomierte Sozialarbeiterin war im Bahnhof-Sozialdienst der Caritas Wien beschäftigt, engagierte sich in der ARGE Wehrdienstverweigerung und war bei der Österreichischen HochschülerInnenschaft für Sicherheitspolitik zuständig. In die Politik gelangte sie als Bezirksrätin und Klubobfrau der Grünen in Rudolfsheim-Fünfhaus. Seit 2010 ist sie Mitglied im Wiener Landtag und Gemeinderat. Seit Juni 2019 ist sie Wiener Vizebürgermeisterin sowie Stadträtin für Stadtentwicklung, Verkehr, Klimaschutz, Energieplanung und BürgerInnenbeteiligung.
Andreas Trisko,
geboren 1965 in Wien, studierte Architektur, Raumplanung und Raumordnung an der TU Wien und war danach einige Jahre als Architekturschaffender tätig. Er arbeitete u. a. bei Wilhelm Holzbauer sowie in diversen Raumplanungsbüros. Von 2001 bis 2009 war er Planungsreferent in der MA 21, von 2008 bis 2011 Projektkoordinator für den neuen WU-Campus im Prater und von 2009 bis 2013 Dezernatsleiter für Stadtteilentwicklung in Donaustadt. Seit 2013 ist er Abteilungsleiter der MA 18.