2.6 Europäischer Raum für Gesundheitsdaten (EHDS)
Die Europäische Kommission hat einen Entwurf einer Verordnung zum europäischen Raum für Gesundheitsdaten ("European Health Data Space", kurz: EHDS) vorgestellt, der sich aktuell in Abstimmung befindet. Der Hintergrund ist, dass die EU Hindernisse sieht, das Potenzial im Bereich digitale Gesundheit und Gesundheitsdaten in Europa voll auszuschöpfen. Beim EHDS handelt es sich um einen gesundheitsspezifischen Rahmen für den Datenaustausch, der klare Regeln, gemeinsame Standards und Verfahren, Infrastrukturen und einen Governance-Rahmen für die Nutzung elektronischer Gesundheitsdaten durch Patient*innen sowie für Forschung, Innovation, Politikgestaltung, Patient*innensicherheit, Statistiken oder Regulierungszwecke festlegt.
Dieser vorgeschlagene Datenraum
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unterstützt Einzelpersonen dabei, die Kontrolle über ihre eigenen Gesundheitsdaten zu bewahren,
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fördert die Nutzung von Gesundheitsdaten für eine bessere medizinische Versorgung, für Forschung, Innovation und Politikgestaltung,
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und ermöglicht es der EU, das Potenzial von Austausch, Nutzung und Weiterverwendung von Gesundheitsdaten unter gesicherten Bedingungen voll auszuschöpfen.
Der europäische Raum für Gesundheitsdaten ist ein gesundheitsspezifisches Ökosystem, das aus Vorschriften, gemeinsamen Standards und Verfahren, Infrastrukturen und einem Governance-Rahmen besteht, der auf Folgendes abzielt:
„Stärkung der Handlungskompetenz der Einzelpersonen durch besseren digitalen Zugang zu ihren personenbezogenen elektronischen Gesundheitsdaten und ihrer Kontrolle darüber, sowohl im eigenen Land als auch auf EU-Ebene, Unterstützung des freien Verkehrs von Personen und Förderung eines echten Binnenmarkts für elektronische Patientendatensysteme, relevante Medizinprodukte und Hochrisikosysteme (Primärnutzung von Daten. Schaffung eines kohärenten, vertrauenswürdigen und effizienten Umfelds für Forschung, Innovation, Politikgestaltung und Regulierungstätigkeiten (Sekundärnutzung von Daten)“
Der Europäische Raum für Gesundheitsdaten ist einer der Eckpfeiler der europäischen Gesundheitsunion und stellt den ersten gemeinsamen EU-Datenraum in einem spezifischen Bereich dar, der aus der EU-Datenstrategie hervorgeht.
Ein Factsheet der EU zeigt das Potential der Gesundheitsdatenwirtschaft:
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5,5 Mrd. EUR Einsparungen für die EU über einen Zeitraum von zehn Jahren durch einen besseren Zugang zu und den Austausch von Gesundheitsdaten im Gesundheitswesen
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20-30% zusätzliches Wachstum des digitalen Gesundheitsmarktes
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5,4 Mrd. EUR Einsparungen für die EU über einen Zeitraum von zehn Jahren durch eine bessere Nutzung von Gesundheitsdaten für Forschung, Innovation und Politikgestaltung
Die Wiener Positionen zu EHDS
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Qualität der Gesundheitsdaten
Der EHDS soll primär ein System von Leistungserbringern im Gesundheitssystem für Leistungserbringer im Gesundheitssystem sein. Sekundär ist die Einbindung der Patient*innen und die Forschung zu gewährleisten. -
Teilnahme (Opt-in vs. Opt-out)
Es muss den Mitgliedsstaaten überlassen bleiben, ob sie ein Opt-Out (wie in Österreich bei der Primärdatennutzung) oder ein Opt-In System wählen. Der Teilnahmestatus im Heimatland muss in der gesamten EU gelten, egal ob über Opt- in oder Opt-out erlangt. -
Zugriff auf Gesundheitsdaten
Es fehlt ein Einheitlicher Standard für Datenverwaltung-
Leistungserbringer müssen von öffentlicher Stelle authentifiziert sein, die technische Authentifizierung ist zu standardisieren.
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Patient*innen müssen eindeutig und lebenslang identifiziert sein, die technische Authentifizierung ist zu standardisieren – der dauerhafte Zugang muss gewährleistet sein.
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Grundsätzliche Ausrichtung des EHDS
Der EHDS ist sehr datengetrieben („Datensammler“) und sollte neben Daten auch Anwendungen und Prozesse zum Inhalt haben. Beispiele wären: Labordaten- Register, Allergien-Register, Diagnosen-Register, Bilder der bildgebenden Diagnostik, Immunisierungsregister, Medikations-Register etc. -
Vorgehen bei Sekundärnutzung
Es wäre vorzusehen, dass sekundäre Datennutzungen für klinische Arzneimittelstudien, die von den Zulassungsbehörden nicht bewilligt wurden, zuverlässig ausgeschlossen sind. Außerdem wäre es zur Sicherstellung der Einhaltung fachlicher und ethischer Standards bei der Sekundärdatennutzung höchst sinnvoll in den Vorbereitungsprozess für EHDS auch die EMA einzubeziehen. -
Schlanke Verwaltung
Neben Zugangsstellen, Kontrollstellen und dem Europäischen Gesundheitsdatenausschuss ist einerseits darauf zu achten, dass keine überbordende Verwaltungsorganisation geschaffen wird, andererseits muss sichergestellt sein, dass auch Gremien auf nationaler bzw. Bundesländerebene eingerichtet werden können, damit bei Anfragen besondere lokale Gegebenheiten Berücksichtigung finden können.
Das Thema „Schaffung einer Gesundheitsdatenplattform für Unternehmen zur Erforschung und Entwicklung von Services und Devices“ ist auch im Regierungsübereinkommen 2020 der Wiener Stadtregierung erwähnt.
Es gibt auch österreichweite Initiativen zur Etablierung eines Health Data Space für Österreich für den „secondary data use“ z.B.
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Das Micro Datacenter der Statistik Austria
Faktisch anonyme Daten können von Statistik Austria an wissenschaftlich arbeitende Personen in Form von Scientific Use Files abgegeben werden. Daten sind dann faktisch anonym, wenn mit Mitteln, die vernünftiger Weise angewendet werden können, weder eine direkte noch eine indirekte Identifikation einzelner statistischer Einheiten (Personen, Unternehmen) möglich ist.
Für alle fachlich geeigneten Personen besteht die Möglichkeit, auf Basis einer entsprechenden vertraglichen Vereinbarung, einen Vor-Ort-Zugang zu Mikrodaten im Safe Center von Statistik Austria zu erhalten. Die zugänglich gemachten vertraulichen Daten müssen grundsätzlich anonym sein. Die Gefahr einer potentielle Re-Identifikation einzelner statistischer Einheiten ist dabei durch geeignete Vorkehrungen des Safe Centers stark eingeschränkt. -
Die Internet Offensive Österreich beschäftigt sich auch mit diesen Themen (u.a. technische Umsetzung, Datenschutz, Use Cases).
Diese Initiativen sind im Kontext der neuen EU-Verordnung zu sehen, die hier den Rahmen für die nationalen Umsetzungen vorgeben wird.
In Deutschland ist das „Forschungsdatenzentrum Gesundheit“ (FDZ) im Aufbau, es ermöglicht die Erschließung der Abrechnungsdaten aller gesetzlich Krankenversicherten in Deutschland. Das Ziel ist mit der Nutzbarkeit der Daten zu Forschungszwecken einen wichtigen Beitrag zu einer besseren Gesundheitsversorgung zu leisten. Anträge können ab der zweiten Jahreshälfte 2022 online über die Webseite des Forschungsdatenzentrums gestellt werden.