4.4 Lesbisch, Schwul, Bi, Trans*, Inter*, Queer (LGBTIQ): Wien ist Regenbogenhauptstadt
Einleitung
Wien hat sich in den vergangenen Jahren als Regenbogenhauptstadt weit über die Stadt- und Landesgrenzen hinaus einen Namen gemacht – eine Stadt, in der Offenheit, Akzeptanz und Solidarität gelebt und von der Stadtregierung und Verwaltung aktiv forciert werden. Um diesem Anspruch und Selbstverständnis auch weiterhin gerecht zu werden, wollen wir das Recht auf Selbstbestimmung, die Sichtbarkeit der LGBTIQ-Community und den Schutz vor Diskriminierung weiter ausbauen.
Die Corona-Krise und die damit verbundene Isolation und Einsamkeit haben die LGBTIQ-Community stark getroffen. Die Krise hat die Sichtbarkeit und Unterstützungsangebote stark eingeschränkt. Coming-Out-Beratungsstellen, Community-Orte und -Clubs sowie queere Rückzugsorte wurden größtenteils geschlossen und befinden sich in einer finanziell existenzbedrohenden Situation.
Wir nehmen daher unsere Verantwortung wahr und werden Maßnahmen setzen und Projekte unterstützen, die insbesondere auch eine starke Sichtbarkeit der LGBTIQ-Community sicherstellen.
Die Fortschrittskoalition steht Seite an Seite mit der LGBTIQ-Community, wenn es darum geht, für eine Welt zu kämpfen, in der sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität keine Rolle spielen.
Daher vereinbaren wir:
Sichtbarkeit erhöhen und die Community stärken
Wien hat eine starke und vielfältige LGBTIQ-Community, die für eine weltoffene Stadt für alle Wienerinnen und Wiener kämpft. Als Wiener Fortschrittskoalition sehen wir es als unsere Aufgabe, die Community zu unterstützen und zu stärken und ihre Sichtbarkeit sowohl in der Stadt als auch in der Verwaltung zu stärken.
Unterstützung der Regenbogenparade und des Pride Village: Die Wiener Regenbogenparade steht wie keine andere Veranstaltung für die Vielfalt und Offenheit Wiens. Die Unterstützung der Regenbogenparade und des Pride Village als Symbol für Wiens Vielfalt wird daher abgesichert. Um auch ein internationales Zeichen für die LGBTIQ-Community zu setzen und Wien auch weltweit als Regenbogenhauptstadt zu positionieren, werden wir, abhängig von der Entwicklung der Corona-Krise und ihren Auswirkungen , eine Bewerbung für Wien als Austragungsort der World-Pride ab 2027 prüfen.
- Ausbau der Förderungen im LGBTIQ-Bereich: Die Stärke der Wiener LGBTIQ-Community beruht insbesondere auch auf der Vielfalt ihrer Institutionen und Vereine. Um diese weiterhin bestmöglich zu unterstützen und die Innovationskraft der Vereine zu stärken, werden die Förderungen im LGBTIQ-Bereich ausgebaut.
- Aufnahme der Regenbogenfahne in die Beflaggungsrichtlinie der Stadt Wien: Die Regenbogenfahne wird traditionell im Pride-Monat Juni am Rathaus und an vielen anderen städtischen Gebäuden gehisst. Durch die Aufnahme der Regenbogenfahne in die Beflaggungsrichtlinie der Stadt Wien wird das Hissen der Fahne auf allen Gebäuden der Stadt Wien vereinfacht.
- Einführung eines LGBTIQ-Checks in der Stadt Wien: In vielen Bereichen der Stadt Wien wird das Thema LGBTIQ bereits großgeschrieben. Durch die Einführung eines LGBTIQ-Checks werden besonders innovative Dienststellen und Projekte vor den Vorhang geholt. Die Veröffentlichung dieser Best-Practice-Modelle soll als Impulsgeber für die gesamte Stadtverwaltung dienen.
- Folgestudie „Queer in Wien“: Die 2015 durchgeführte Studie „Queer in Wien“ hat erstmals einen fundierten Einblick in das queere Leben in Wien ermöglicht. Die Folgestudie „Queer in Wien“ soll den Status quo der Regenbogenhauptstadt Wien erneut erheben und weitere wichtige Ansatzpunkte für die laufende Legislaturperiode skizzieren.
- Verstärkte internationale Vernetzung: Die Arbeit mit anderen europäischen Städten im Rahmen des internationalen Rainbow City Netzwerks für die Rechte von LGBTIQ-Personen wird verstärkt und ausgebaut.
Diskriminierung bekämpfen
Der Kampf gegen Diskriminierung von LGBTIQ-Personen in allen Lebensbereichen steht für uns an oberster Stelle. Wir werden uns daher weiterhin mit aller Kraft für ein Leben frei von Diskriminierung in Wien einsetzen. Denn LGBTIQ-Rechte sind Menschenrechte.
Die Stadt Wien war und ist Vorreiterin im Bereich der Antidiskriminierung von LGBTIQ-Personen:2004 wurde mit dem Wiener Antidiskriminierungsgesetz ein Meilenstein gesetzt. Nach Jahren des Stillstands muss endlich auch die Bundesebene nachziehen, um der Diskriminierung von LGBTIQ-Personen österreichweit einen Riegel vorzuschieben. Als Regenbogenhauptstadt Österreichs fordern wir daher den Bund auf, endlich zu handeln, um ein diskriminierungsfreies Leben für alle Menschen in Österreich zu ermöglichen. Forderungen an den Bund:
- Erweiterung des Diskriminierungsschutzes aufgrund der sexuellen Orientierung – Levelling-Up.
- Aufhebung des Blutspendeverbots für Männer, die mit Männern Sex haben.
- Flächendeckendes Monitoring im Zusammenhang mit vorurteilsmotivierter Gewalt und Hate Crime und Umsetzung von Sensibilisierungsmaßnahmen zu LGBTIQ-Themen und Hate Crime bei der Polizei.
- Verbot von medizinisch und chirurgisch nicht notwendigen Eingriffen an intergeschlechtlichen Kindern.
- Gut ausgestattete, unabhängige Rechtsberatung des Bundes in Asylverfahren (BBU), insbesondere im Hinblick auf besonders schutzbedürftige Gruppen wie LGBTIQ Geflüchtete.
- Entschuldigung, Entschädigung und Rehabilitierung von Personen, die in Österreich wegen ihrer sexuellen Orientierung strafrechtlich verfolgt und verurteilt wurden, durch die Republik Österreich.
- Wiener Bündnis gegen Diskriminierung von LGBTIQ-Personen: In Österreich ist es noch immer erlaubt, Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung den Zutritt zu einem Lokal zu verweigern oder ihnen andere Dienstleistungen zu verwehren. Wir werden daher an einem Bündnis gegen Diskriminierung von LGBTIQ-Personen arbeiten, das für das „Levelling-up“ eintritt und den Druck auf den Bund weiter erhöht.
- Maßnahmenpaket im Kampf gegen Diskriminierung und Hate Crime: Die Fortschrittskoalition bekennt sich dazu, jeder Form von vorurteilsmotivierter Gewalt entschieden entgegenzutreten. Wir werden uns in Kooperation mit LGBTIQ-Vereinen, der Zivilgesellschaft und der Polizei verstärkt im Kampf gegen Hate Crime einsetzen und die Zusammenarbeit intensivieren. Darüber hinaus werden wir uns dafür einsetzen, Sensibilisierungsmaßnahmen innerhalb der Polizei umzusetzen, und ein flächendeckendes Monitoring im Zusammenhang mit vorurteilsmotivierter Gewalt einfordern. Zusätzlich soll insbesondere auch die Zusammenarbeit mit Sportvereinen intensiviert werden: Wir machen unmissverständlich klar, dass Homo-, Trans- und Interphobie auch im Sport keinen Platz haben.
- LGBTIQ-Geflüchtete: Menschen, die aus ihrer Heimat flüchten, weil sie wegen ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität verfolgt werden, sind besonders schutzbedürftig. Für die besonderen Bedürfnisse von LGBTIQ-Geflüchteten setzen wir folgende Maßnahmen:
- Verbesserter Zugang zur traumatherapeutischen Versorgung und Therapieplätzen.
- Weiterentwicklung von Grundversorgungseinrichtungen speziell für die Zielgruppe der LGBTIQ-Geflüchteten mit erhöhtem Betreuungsbedarf.
Queere Stadtgeschichte verankern
Queere Geschichte und queere Kunst ist ein wichtiger Teil unserer Stadt, der zurzeit noch unterrepräsentiert ist. Als Fortschrittskoalition werden wir dafür sorgen, dass queere Geschichte und Kunst in Wien verankert und zu einem selbstverständlichen Teil der Wiener Stadtgeschichte werden.
- Errichtung des Denkmals für homosexuelle Opfer des NS-Regimes: Der Siegerentwurf wurde im Sommer 2020 gekürt, die Vorbereitungsarbeiten zum Umsetzung sind bereits angelaufen. 2021 wird das Denkmal für homosexuelle Opfer des NS-Regimes im Resselpark errichtet.
- Verankerung queerer Geschichte in Wien und verstärkte Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit: Gemeinsam mit bereits bestehenden Initiativen und im Dialog mit der LGBTIQ-Community soll queere Geschichte und Kunst in Wien einen Raum finden. Ein Forschungs- und Communityzentrum soll die LGBTIQ-Geschichte der Stadt dokumentierten, archivieren und vermitteln. Damit wird aufbauend auf bereits existierende Strukturen eine multifunktionale und agile Schnittstelle zwischen den Communities, der Wissenschaft und Kultur geschaffen. Darüber hinaus werden wir die Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit der Stadt Wien und ihrer Institutionen verstärken und zusätzliche Angebote zur Vermittlung queerer Geschichte in Wien ausbauen.
Unterstützungspaket für queere Kinder und Jugendliche
Wiens Kinder und Jugendliche sind so vielfältig wie die gesamte Stadt und somit ein wichtiger Teil der LGBTIQ-Community. Sie haben ein besonders Recht auf Schutz, Stärkung und Unterstützung. Denn gerade queere Kinder und Jugendliche haben mit vielen Herausforderungen zu kämpfen. Als neue Stadtregierung stellen wir sie und ihre Interessen in den Mittelpunkt und bauen die Unterstützungsmaßnahmen für queere Kinder und Jugendliche aus.
Bündnis für Vielfalt und Regenbogenschwerpunkt im Bildungsbereich: Im Bildungsbereich – vom Kindergarten bis hin zum außerschulischen Bereich – wird ein Regenbogenschwerpunkt mit unterstützenden Materialien und Fort- und Weiterbildungen für Mitarbeiter_innen eingeführt. Zusätzlich soll ein Bündnis für Vielfalt im Bildungsbereich die gemeinsame Arbeit stärken und die Bildungspartner_innen untereinander vernetzen.
- Queeres Jugendzentrum in Wien – Mehr Raum für queere Jugendliche: Für queere Jugendliche braucht es in der außerschulischen Jugendarbeit mehr Räume, in denen sich jede und jeder sicher und respektiert fühlt. Das Konzept des queeren Jugendzentrums soll genau auf die Bedürfnisse und Wünsche der Wiener Jugendlichen zugeschnitten werden und im Dialog mit den relevanten Partner_innen der Wiener LGBTIQ-Community und der außerschulischen Jugendarbeit zu Beginn der Legislaturperiode entwickelt, diskutiert und reflektiert werden. Auf Grundlage dieses rund einjährigen Prozesses wird das Konzept des queeren Jugendzentrums ehestmöglich umgesetzt.
Vielfalt in Pflege und Alter
Auch im Alter sollen Wienerinnen und Wiener keine negativen Erfahrungen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität befürchten müssen. Ziel ist es, dass die Pflege unter dem Regenbogen in allen Bereichen mitbedacht und mit Leben erfüllt wird. Darüber hinaus sollen Senior_innen bestmöglich unterstützt werden. Sehr positiv sehen wir daher auch die Schaffung von Wohn- und Lebensräumen für ältere Angehörige der LGBTIQ-Community in Wien.
- LGBTIQ-Themen in der Pflegeausbildung: Damit Pflege unter dem Regenbogen in Wien gelebt werden kann, werden LGBTIQ-Themen in der Pflegeausbildung verankert.
- Schulungen für Altenbetreuer_innen und Sensibilisierungsarbeit: Analog zu Schulungen für Pädagog_innen sollen Fort- und Weiterbildungen für Altenbetreuer_innen geschaffen und die Sensibilisierungsarbeit verstärkt werden. Zusätzlich werden erfolgreiche Projekte wie der Regenbogentreff ausgebaut.
Intergeschlechtliche Menschen
Im Jahr 2018 hat der Verfassungsgerichtshof das Recht auf Eintragung jenes Geschlechts, das der persönlichen Identität entspricht, anerkannt und damit eine richtungsweisende Entscheidung für intergeschlechtliche Personen in ganz Österreich getroffen.
Die Fortschrittskoalition setzt sich dafür ein, dass nicht notwendige medizinische oder chirurgische Eingriffe an intergeschlechtlichen Kindern sobald wie möglich der Vergangenheit angehören. Und darüber hinaus werden wir alle notwendigen Schritte einleiten, um die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs in der Wiener Verwaltung umzusetzen.
- Wiener Paket zur Förderung der Gleichbehandlung intergeschlechtlicher Menschen: Die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs soll in Wien auf allen Ebenen umgesetzt werden. Um dieses Ziel zu erreichen, wird ein Wiener Paket zur Förderung der Gleichbehandlung intergeschlechtlicher Menschen geschnürt, welches das Thema Intergeschlechtlichkeit in der gesamten Wiener Verwaltung verankert. Dieses Paket soll jedenfalls die Bereiche Sprache, Formulare und Statistik und die bedarfsgerechte Unterstützung und Beratung von intergeschlechtlichen Menschen umfassen.
Gesundheitsversorgung von Transgender-Personen
Die medizinische Versorgung von Transgender-Personen werden wir in den kommenden Jahren verbessern, um eine gute Gesundheit aller Personen in Wien zu garantieren. Dies soll unter Einbindung und in Abstimmung mit den relevanten Bundesstellen geschehen, da nicht nur Wien, sondern ganz Österreich ein Interesse an der Verbesserung der Gesundheitsversorgung von Transgender-Personen hat.
- Ausbau der Gesundheitsversorgung für Transgender-Personen: Der Ausbau der Gesundheitsversorgung für Transgender-Personen wird von uns vorangetrieben. Insbesondere die Wartezeiten beim Zugang zur Hormontherapie sollen verkürzt und sowohl die klinisch-psychologische Versorgung, als auch die chirurgische Expertise im Zusammenhang mit Geschlechtsangleichungen, langfristig verbessert werden.