7.2 Soziale Dienstleistungen
Pflegegarantie – individuell abgestimmt für alle leistbar
- Wienerinnen und Wiener haben bestmögliche Pflege und Betreuung verdient und werden diese auch in Zukunft erhalten. Das wollen wir mit der Wiener Pflegegarantie sicherstellen. Wir garantieren, dass Pflege für alle leistbar ist, vielfältige Angebote für jeden individuellen Bedarf zur Verfügung stehen und hochqualitative Ausbildungen für professionelle Pflege- und Betreuungsarbeit sichergestellt werden.
Pflege. Zukunft. Wien.
Die Stadt Wien hat eine Erhebung des Personalbedarfs beim Dachverband Wiener Sozialeinrichtungen in Zusammenarbeit mit der Gesund Österreich GmbH (GÖG) in Auftrag gegeben. Die Prognose des Personalbedarfs in der Pflege und im Sozialbereich 2030 wurde auf Basis einer Modellrechnung erstellt und umfasst die mobile Pflege und Betreuung, Wohnen und Pflege, teilstationäre Einrichtungen, das Casemanagement des Fonds Soziales Wien sowie Einrichtungen der Behindertenarbeit.
- Mit den Ergebnissen der Erhebung, den Empfehlungen der Expert_innen und Organisationen sowie dem Strategiekonzept „Pflege und Betreuung 2030“ arbeitet die Fortschrittskoalition nun daran, ausreichend gut qualifizierte Pflegekräfte für eine flächendeckende Versorgung sicherzustellen. Die Ausbildungsoffensive wurde unmittelbar gestartet, denn der Bedarf liegt bei über 9.000 Pflegepersonen bis 2030. Weiters gilt es, die Rahmenbedingungen anzupassen mit dem Ziel, attraktive Arbeitszeitmodelle und Karrierepfade zu erarbeiten.
- Für jene Personen, die an Pflege- und Betreuungsberufen interessiert sind und für die ein Berufswechsel eine attraktive Perspektive sein kann, stellt eine Implacement-Stiftung als arbeitsmarktpolitisches Instrument ein zusätzliches Angebot zur Qualifikation von Wienerinnen und Wiener, die beim AMS vorgemerkt sind, dar. Dafür sind Prozesse in der Innovationsfähigkeit des Pflegeangebots notwendig, d.h. Pflegeabläufe neu denken. Aber auch eine Digitalisierungsoffensive mit digitalen Plattformen und neuen Lösungen für die Dokumentation ist geplant, um mehr Zeit für die Betreuung zu gewinnen.
- Die Finanzierung der Pflege ist weiterhin über Steuereinnahmen zu garantieren, um eine einkommensunabhängige Qualität und den Zugang zu sichern. Eine weitere Belastung des Sozialversicherungssystems wird abgelehnt.
- Angesichts des demographischen Wandels und der Ansprüche an ein qualitätsvolles Pflegesystem brauchen wir ein neues, österreichweites Konzept zur langfristigen Finanzierung des Pflegesystems. Eine Privatisierung des Vorsorgerisikos mit der Konsequenz einer möglicherweise schlechteren Betreuungsqualität von Menschen mit geringerem Einkommen wird ausgeschlossen.
Ausbau der mobilen Pflege und Betreuung
Die Fortschrittskoalition sichert unterschiedliche Formen und Leistungsangebote der Pflege und Betreuung. Individuelle Beratung und das spezifische Eingehen auf die Bedürfnisse, aber auch die Lebensumstände, erhöhen die Treffsicherheit in der Vermittlung und Förderung der richtigen Leistungen.
- Solange wie möglich soll das Leben in der eigenen Wohnumgebung ermöglicht und sichergestellt sein, ohne die Aufgabe auf pflegende und betreuende Angehörige zu überwälzen. Der Ausbau von Tageszentren und eine Verbesserung der rehabilitativen und remobilisierenden Angebote in den Schnittstellen der akutmedizinischen Versorgung zu Reha- und Pflegeeinrichtungen soll dies unterstützen. Insbesondere die Möglichkeiten zur Rehabilitation von Pensionist_innen sollen in Zusammenarbeit mit den Sozialversicherungsträgern verbessert werden.
- Das Wiener Modell der mobilen Pflege soll ausgebaut werden. Neue Ansätze wie das dezentrale Community-Nursing-Modell können erprobt und im Erfolgsfall ausgerollt werden. Diese Maßnahmen müssen im Rahmen einer gemeinsamen Strategie mit den Krankenversicherungen etabliert werden, um eine entsprechende Beitragsfreiheit zu gewährleisten.
- Die zunehmende Heterogenität der Wiener Bevölkerung macht deutlich, dass der bisherige inklusive Ansatz in den Pflege- und Betreuungangeboten in den kommenden Jahren intensiviert werden muss.
- Alle Angebote in Wien sind auf die künftigen Herausforderungen wie auch auf den Anstieg der an Demenz erkrankten Menschen vorbereitet. Um die Versorgung der steigenden Anzahl von an Demenz erkrankten Personen gewährleisten zu können, sollen alle Wohnformen mit integrierten Pflege- und Betreuungsleistungen, ihre Strukturen, Prozesse an die Erfordernisse angepasst und gegebenenfalls bauliche Adaptierungen (demenzfreundliche Gestaltung von Innen- und Außenflächen) vorgenommen werden.
- Die Fortschrittskoalition orientiert sich in der Umsetzung des Programms an den Wirkungszielen und Handlungsempfehlungen der nationalen Demenzstrategie und setzt mit dem Senior_innenbüro der Stadt Wien die Initiative “Demenzfreundliches Wien“ um. Ziel dieser Initiative ist die gesellschaftliche Entstigmatisierung von Demenz oder anderen psychischen Erkrankungen im geriatrischen Bereich sowie die Bewusstseinsbildung und Sensibilisierung aller Bevölkerungsgruppen. An der Erweiterung dieser Initiative auf alle Wiener Bezirke wird weiterhin gearbeitet.
Weiterentwicklung der Wiener Mindestsicherung
Wien ist und bleibt Hauptstadt des sozialen Zusammenhalts. Die Weiterentwicklung der Mindestsicherung stellt in Zukunft sicher, dass alle Menschen, die Unterstützung benötigen, existenziell abgesichert sind. Mit der Weiterentwicklung der Wiener Mindestsicherung wird es künftig spezifische Angebote für unterschiedliche Zielgruppen geben, um allen Menschen auch ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Egal, ob es sich dabei um Arbeitssuchende oder Wenigerverdienende, Jugendliche ohne Schulabschluss, Menschen mit Behinderung oder ältere Menschen mit geringen Pensionen handelt – in Wien wird den einkommensschwächsten Haushalten geholfen. Die Fortschrittskoalition lässt niemanden zurück.
- Kinderarmut hat in unserer Stadt keinen Platz! In Wien ist jedes Kind gleich viel wert. Alle Kinder erhalten daher die gleiche Unterstützung. Eltern werden gefördert, um ihren Kindern die gleichen Chancen am Bildungsweg zu ermöglichen.
- Die Fortschrittskoalition legt dabei Augenmerk darauf, dass Eltern – gerade auch Neu- und Wiedereinsteiger_innen nach einer Karenzzeit – nachhaltig unterstützt werden, um den Schritt in den Arbeitsmarkt zu schaffen.
Die Erfahrung zeigt, dass verschiedene Zielgruppen unterschiedliche Unterstützungsleistungen brauchen, um die Ziele der Mindestsicherung bestmöglich zu erreichen.
In den letzten Jahren wurden deshalb die Bemühungen verstärkt, den Verfestigungstendenzen in der Mindestsicherung entgegenzuwirken und Bezieher_innengruppen bedarfsgerechte Unterstützungsangebote zukommen zu lassen. Die Wiener Jugendunterstützung etwa ist eine vertiefte Zusammenarbeit zwischen MA 40 und dem Arbeitsmarktservice (AMS) und hat die verstärkte Arbeitsmarktintegration der Gruppe der 15 bis 25-Jährigen sowie die bessere Abstimmung und Vereinfachung von Unterstützungs- und Angebotsstrukturen zum Ziel.
In der neuen Legislaturperiode sollen diese Bemühungen um zielgruppengerechte Unterstützungsangebote weitergeführt werden.
Fokus auf Alleinerziehende
Alleinerziehende gehören zu den Haushalten in Österreich, die am stärksten von Armut betroffen sind. Rund ein Drittel verfügt über ein Einkommen unterhalb der Armutsgefährdungsgrenze. In Wien beziehen rund 9.500 Alleinerziehende - das ist mehr als jede und jeder zehnte Wiener Alleinerziehende – Leistungen aus der Mindestsicherung. In der Gruppe der Alleinerziehenden mit drei oder mehr Kindern sind sogar jede und jeder Dritte auf Leistungen der Mindestsicherung angewiesen. Der Weg zurück in ein stabiles Beschäftigungsverhältnis mit einem Einkommen, von dem man leben kann, scheint für viele von ihnen ohne Unterstützung unmöglich.
Daher vereinbaren wir:
- Wir erarbeiten passende Förder- und Unterstützungsprogramme für Alleinerziehende, damit sie und ihre Kinder ein besseres, sorgenfreies und selbstbestimmtes Leben führen können (z.B. Maßnahmen zur Arbeitsintegration, Entlastung bei Kinderbetreuung etc.).
Projekt Zukunftsgespräch Neu- und Wiedereinsteigerinnen
- Personen mit Betreuungspflichten für Kinder unter drei Jahren sind vom Erfordernis der Bereitstellung ihrer Arbeitskraft befreit. In einem Modellprojekt soll vor allem mit Müttern rechtzeitig ein Abklärungsgespräch über ihre Zukunftsperspektiven (“Zukunftsgespräch”) geführt werden. Dadurch sollen rechtzeitig die Weichen für einen erfolgreichen Neu- und Wiedereinstieg in die Erwerbstätigkeit gestellt werden.
U25 – Förderung Jugendlicher und junger Erwachsener
- Wir wollen unter 25-Jährigen, die noch keine entsprechende Ausbildung erworben haben und eine Leistung aus der Mindestsicherung beziehen, den Weg in den Arbeitsmarkt erleichtern. So können sie ein selbstbestimmtes und selbstständiges Leben führen. Kooperationen von AMS, waff und MA 40 unter dem Dach des neugeschaffenen Sozialzentrums U25 sollen abgestimmte Angebote zur Arbeitsmarktintegration von jungen Erwachsenen schaffen. Zusätzliche Anreize zum Abschluss einer Berufsausbildung und zum Eintreten in die Erwerbstätigkeit sollen zum Schritt aus der Mindestsicherung motivieren. Dabei sollen Erwerbseinkommen nicht unmittelbar von der Unterstützungsleistung in Abzug gebracht werden.
- Neben der Arbeitsmarktintegration junger Erwachsener setzen wir uns das Ziel, sie mit Zusatzangeboten zu fördern. In Zusammenarbeit von MA 40 und dem Finanzführerschein der Schuldner_innenberatung Wien soll die Finanzbildung unter 25-jährigen Kund_innen gestärkt werden. Das soll ein fixer Bestandteil des Förderangebots auf dem Weg in ein finanziell unabhängiges Leben werden.
Grundversorgungsvereinbarung
So wie jeder Wienerin und jedem Wiener wollen wir auch geflüchteten Menschen ein gutes Leben in unserer Stadt ermöglichen. Die Grundversorgung und „Integration ab Tag 1“ für Asylwerber_innen sind dabei Fundamente für eine erfolgreiche Integration im neuen Umfeld. Dies umfasst eine menschenwürdige Unterkunft, Chancen zur Aus- und Weiterbildung, entsprechende Möglichkeiten zum Erwerb der deutschen Sprache und Zugang zum Gesundheitssystem.
- Mit „Integration ab Tag 1“ wollen wir außerdem sicherstellen, dass kein Tag ungenützt bleibt, um einen raschen Einstieg in eine Berufsausbildung und den Wiener Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Ziel ist es, dass geflüchtete Menschen mit einem positiven Asylbescheid und einer Aufenthaltsberechtigung so rasch wie möglich ein selbstbestimmtes Leben jenseits der Grundversorgung starten können.
- Die Fortschrittskoalition wird sich außerdem für eine zeitgemäße und den Anforderungen entsprechende Neuregelung der Bund-Länder-Vereinbarung zur Grundversorgung einsetzen.
Richtwerte-Kommission für die Mindestsicherung
- Die Fortschrittskoalition richtet eine Kommission zur Untersuchung und Bewertung der sozialen Geld- und Sachleistungen der Stadt und des Bundes ein. Mit wissenschaftlicher Begleitung sollen anhand der realistischen Bedürfnis- und Lebenskostenportfolios der betroffenen Zielgruppen das bisherige Unterstützungsangebot überprüft und Defizite identifiziert werden.
- Die Kommission liefert Empfehlungen, um bestehende Angebote zu verbessern und die Ziele der Mindestsicherung zielgruppengerecht zu erreichen. Dabei sollen auch für den Bereich der Unterstützung für Familien mit Kindern im Kindergarten- und Schulalter die Regelungen für die Ermäßigungen der Eigenbeiträge bzw. Befreiungen in diesem Bereich geprüft und gegebenenfalls angepasst werden.
- Der (Wieder-)Einstieg in den Arbeitsmarkt für Bezieher_innen der Mindestsicherung soll attraktiver werden. Es sollen Modelle der Zuverdienstgrenzen modelliert werden, die monetäre Anreize für den Austritt aus der Mindestsicherung und den Eintritt ins Erwerbseinkommen schaffen.
Wissenschaftliche Evaluierung der Hilfen
In einem sich rasch ändernden gesellschaftlichem Umfeld muss die Mindestsicherung stetig den neuen Herausforderungen angepasst werden, um die Menschen mit gezielten Förderungen zu unterstützen.
Daher vereinbaren wir:
- Fünf Jahre nach der letzten umfassenden Studie zur Mindestsicherung (WIFO 2016) soll eine neue Studie zur Wirkungsmessung und Optimierung der Mindestsicherung durchgeführt werden.
Wirkungsorientierte langfristige Finanzplanung & Kontrolle
Soziale und wirtschaftliche Veränderungen führen zu unterschiedlichen und sich permanent ändernden sozialpolitischen Herausforderungen. Die Fortschrittskoalition will die Ergebnisse der städtischen sozialpolitischen Maßnahmen qualitativ und wirkungsorientiert monitoren und damit einhergehend ein optimiertes Ressourcenmanagement implementieren. Mit einer langfristigen Finanzplanung im Rahmen des Globalbudgets und des mittelfristigen Finanzplans können Versorgungsengpässe frühzeitig erkannt werden. Durch vorausschauende Planung und zielgerichtete präventive Angebote schafft man sozialräumlichen Ausgleich.
Daher vereinbaren wir:
- Eine mittel- und langfristige Finanzplanung im Sozialbereich wird im Rahmen des Globalbudgets implementiert, um Kostensteigerungen in bestimmten Bereichen im Auge zu haben, zu steuern und gegebenenfalls gegenzusteuern.
- Die mittel- und langfristige Finanzplanung im Sozialbereich wird im Rahmen des Globalbudgets transparent mit sozialpolitischen und wirtschaftlichen Wirkungszielen und Kennzahlen hinterlegt, deren Zielerreichung wiederkehrend evaluiert wird.
- Die mittel- bis langfristige Planung folgt dem Prinzip der jährlich rollierenden Planung. Eine grundlegende strategische Ausrichtung (Wiener Sozialstrategie), unter Berücksichtigung der maßgeblichen Vorgaben, sollte zumindest einmal pro Legislaturperiode angepasst werden. Bestehende (Dienst-)Leistungen und Vereinbarungen werden kontinuierlich geprüft und bedarfsweise angepasst.
Soziale Innovationen vorantreiben
Zur Bewältigung sich stetig verändernder sozialpolitischer Herausforderungen braucht es neue und innovative Ansätze.
Die Kreativität, Innovationskraft und das zivilgesellschaftliche Engagement der Wienerinnen und Wiener sollen helfen, Projekte voranzubringen, um dieser Herausforderung zu begegnen.
Daher vereinbaren wir:
- Mit einem Projekt für soziale Innovation schaffen wir die Rahmenbedingungen für eine Plattform für Social Entrepreneurship und Innovation. Dieses Projekt dient als Bindeglied zwischen Projektideen, Sozialinstitutionen und zusätzlichen Geldgeber_innen und eröffnet damit auch neue Beteiligungsmodelle in Wien.
- Das Pilotprojekt soll nach einer einjährigen Entwicklungsphase durch den Fonds Soziales Wien – unter Einbindung von Expert_innen aus dem Bereich Soziale Innovation und Social Entrepreneurship – bereits 2022 starten.