6.3 Stadtentwicklung
Für die Smart City Wien sind die Strategien und Instrumente der Stadtentwicklung von entscheidender Bedeutung. Sie müssen unmittelbar aus der Smart City Strategie abgeleitet werden und sind entscheidend dafür, wie wir unser unmittelbares Lebensumfeld gestalten.
In den vergangenen Jahren war Wien durch eine rasante Bevölkerungszunahme und eine rege Bautätigkeit geprägt. Diese Entwicklung hat sich einerseits abgeschwächt, andererseits rücken durch den zunehmend spürbaren Klimawandel auch andere Aspekte wie die Hitze in der Stadt in den Mittelpunkt der Stadtentwicklung. Auch auf die zunehmende Konkurrenz zwischen Flächenbedarfen für Wohnen und Arbeiten müssen wir in der Smart City eingehen.
Auf diese Themen wollen wir mit neuen Ansätzen reagieren.
Die Fortschrittskoalition arbeitet für eine lebenswerte Stadt, in der es ausreichend Flächen für Wohnen, Arbeit und Erholung für alle Menschen gibt. Mobilitätsbedürfnisse in der Stadt sollen möglichst ökologisch erfüllt werden. Eine sensibel ausgewogene Aufteilung der Flächen in Wien ist daher oberstes Ziel.
Unser gemeinsames Ziel ist eine Stadt, in der man gerne und günstig wohnt. Das wird durch das „Wiener Modell“ der sozialen Wohnpolitik sichergestellt. Die 2019 neu eingeführte Widmungskategorie „geförderter Wohnbau“ stellt einen Meilenstein dar und soll einen sehr hohen Stellenwert in der Stadtplanung haben. Sie stellt sicher, dass überall dort, wo Flächen in Wohngebiet umgewandelt werden, nun zwei Drittel für den sozialen Wohnbau vorgesehen sind. Vor dem Hintergrund des Bevölkerungswachstums und der Änderungen in der Wirtschaftsstruktur unserer Stadt sowie des Trends zu – mit Wohnnutzungen mischfähigen Betrieben ohne namhafte Emissionen, müssen wir auch darüber nachdenken, wo wir künftig Arbeitsplätze in unserer Stadt ansiedeln.
Die ausreichende Versorgung der Wienerinnen und Wiener mit sozialer Infrastruktur ist essentiell für die Lebensqualität. Dazu gehören vor allem Schul- und Kinderbetreuungseinrichtungen, Gesundheitsversorgung, kulturelle sowie Sport- und Freizeiteinrichtungen). Das betrifft ganz besonders die Außenbezirke, wo die größten Stadtentwicklungsgebiete sind.
Trotz des Wachstums der Stadt halten wir den Grünraumanteil in Wien bis 2050 bei über 50 % und schaffen zusätzliche kühle Erholungsräume. Im Zusammenwirken mit dem intensiven Ausbau des öffentlichen Verkehrs, der Förderung thermischer Gebäudesanierungen und der erneuerbaren Energie wirkt sich das positiv auf den Klimaschutz und das Klima in unserer Stadt aus. Diese Überlegungen müssen in die Ziele und Instrumente der Stadtentwicklung noch stärker als bisher einfließen.
Schlussendlich wollen wir durch die Instrumente der Bürger_innenbeteiligung die demokratische Kultur gemeinsam mit allen in Wien lebenden Menschen stärken.
Smarter together 3.0 – der Stadtentwicklungsplan 2035
Der 2014 im Gemeinderat beschlossene Stadtentwicklungsplan (STEP) 2025 gab die strategische Richtung für die Entwicklung der wachsenden Stadt Wien vor. Der STEP und seine Fachkonzepte stellen Leitziele für die Stadt sowie Handlungsanleitungen für die mit Stadtplanung betrauten Fachdienststellen dar. Doch Urbanität bedeutet permanente Veränderung und Bereitschaft, sich immer wieder mit Neuem auseinanderzusetzen.
Daher vereinbaren wir:
- Wir erarbeiten unter der Federführung der Magistratsabteilung 18 in den kommenden drei Jahren einen neuen, modernen Stadtentwicklungsplan 2035, der unter dem Titel „smarter together 3.0“ Wien zu einer Klimamusterstadt macht, in der die Menschen gerne leben.
- Dieser neue STEP 2035 steht vor allem unter der Prämisse, die Stadt „klimafit“ zu machen. Die Empfehlungen des Klimarates werden daher zentrale Bedeutung haben. Die neue Zielvorgabe der Klimaneutralität der Smart City Rahmenstrategie ist auch für die Stadtentwicklung und Stadtplanung maßgeblich. Stadtentwicklungsgebiete und neue Stadtteile werden klimafit geplant.
- Um die zukünftigen Herausforderungen zu meistern, ist ein Umdenken erforderlich. Die betonlastige Planung und Ausgestaltung von Plätzen und Stadtteilen ist nicht mehr zeitgemäß. Der STEP 2035 und daraus folgende Maßnahmen müssen wesentlich zur Klimawandelanpassung beitragen.
- Auch die zahlreichen Fachkonzepte des STEP müssen dem neuen Leitziel „smarter together 3.0“ folgend im Sinne der Klimawandelanpassung adaptiert werden.
- Ein neues Fachkonzept “Soziale Infrastruktur” wird im Zuge der Entwicklung des neuen STEP 2035 erstellt und macht verbindliche Vorgaben für die Ausstattung von Stadtentwicklungsgebieten mit sozialer Infrastruktur. Die Rolle der Infrastrukturkommission wird im Zuge der Erstellung des Fachkonzepts neu definiert.
- Im Rahmen der Überarbeitung werden auch die derzeitigen Zielgebiete überdacht und etwaige neue Zielgebietsdefinitionen vorgenommen. Zwei Zielgebiete sind uns besonders wichtig: aspern - Die Seestadt Wien als Vorzeigequartier für nachhaltiges Wohnen und Arbeiten sowie Rothneusiedl als Stadtentwicklungslabor für die CO2-neutrale Stadt.
Stadtplanungsprozesse und -instrumente
Verfahren müssen schneller und einfacher werden. Die Komplexität der in der Stadtplanung vorhandenen Instrumente (Fachkonzepte, Leitbilder, Stadtteilentwicklungskonzepte, Wettbewerbe, kooperative Verfahren, Qualitätsbeiräte, Bauträgerwettbewerbe, uvm.) wird analysiert und bewertet.
Daher vereinbaren wir:
- Wir straffen Verfahren ohne städtebaulichen und baukulturellen Qualitätsverlust und prüfen Vorschriften und Normen dahingehend, wie die Ziele der Stadtplanung rascher und kostengünstiger erreicht werden können. Planung und Wohnbau sollen mit dem Ziel, Verfahrensdauern zu verkürzen und nur notwendige Instrumente anzuwenden, möglichst verschränkt arbeiten.
- Das Stadtteilbezogene Entwicklungskonzept (SEK) wurde 2020 eingeführt und stellt eine Zwischenebene zwischen STEP und Flächenwidmungs- und Bebauungsplan dar. Das SEK greift funktional zusammenhängende Entwicklungen auf und behandelt übergeordnete raumplanerische Fragestellungen. Wir entwickeln das SEK anhand von konkreten Pilotprojekten (wie z.B. Südraum Favoriten, Oberes Hausfeld) auf die Funktionalität als Instrument testen und im Zuge des STEP 2035 bei Bedarf weiterentwickeln. Ziel ist die Vereinfachung und Konzentration der Planungsprozesse und die Vermeidung von Redundanzen in der Bearbeitung.
- Mit der Novelle der Bauordnung 2014 wurde das neue Instrument der städtebaulichen Verträge geschaffen. Es unterstützt die Finanzierung für neu zu schaffende notwendige technische und soziale Infrastruktur in neuen Stadtteilen. Diese privatrechtlichen Verträge sollen weiterhin - unter Einbeziehung der Bezirksvertretungen - zum Einsatz kommen. Um die Nachvollziehbarkeit und die Transparenz dieser Verträge zu erhöhen, sollen ein Leitfaden und ein Kriterienkatalog erstellt werden, der Bauträger_innen und Investor_innen als Grundlage zur Verfügung steht.
Das starke Wachstum Wiens hat sich zuletzt abgeschwächt. Diese Entwicklung lässt eine maßvollere Dichte bei Stadterweiterungen zu.
Daher vereinbaren wir:
- Das Widmungs- und Bauprogramm von bisher 10.000+ Wohnungen soll reduziert werden, um die gewachsenen Strukturen in den Außenbezirken besser zu berücksichtigen. Dabei achten wir auf eine kompakte Siedlungsentwicklung und Dichten, die eine nachhaltige Infrastrukturentwicklung garantieren („Stadt der kurzen Wege”).
- Ein wesentliches Ziel ist die Schaffung lebendiger Quartiere mit architektonischer Vielfalt und einer hohen Qualität des öffentlichen Raumes. Dafür braucht es eine strategische Herangehensweise, indem wir gemeinsam mit den Bewohner_innen, aber auch Bauträger_innen an der Qualitätssicherung der Quartiere arbeiten.
- Gewerbliche Bauträger haben in den letzten Jahren zunehmend Einfamilienhausgebiete als Aktionsgebiete erkannt. Dies betrifft insbesondere Kleingartengebiete, Gartensiedlungen und Gebiete der Bauklasse I. Durch das Ausnutzen verschiedener baurechtlicher Möglichkeiten sind in den letzten Jahren vermehrt nutzflächenmaximierte Mehrparteienwohnhäuser entstanden, die das gewohnte Stadtbild beeinträchtigen und in hohem Maße Grünraum versiegeln. Wir entwickeln eine Strategie, wie zukünftig mit diesen Gebieten umzugehen ist. Baukulturelle und ökologische Qualität spielen dabei eine ganz wesentliche Rolle.
Vor dem Hintergrund der Änderungen in der Wirtschaftsstruktur unserer Stadt hin zum Dienstleistungsbereich – sowie angesichts des Trends zur Nutzungsmischung - ist eine Evaluierung einiger Instrumente des Flächenwidmungs- und Bebauungsplans sinnvoll.
Daher vereinbaren wir:
- Eine Fachenquete zu Widmungskategorien soll einen Anstoß zum Thema Nutzungsmischung geben. Insbesondere sollen sich Expert_innen mit den Widmungskategorien „Geschäftsviertel“, „Gemischtes Baugebiet“, „Betriebsbaugebiet“, „Gartensiedlungsgebiet“ und der Bebauungsbestimmung „Wohnzone“ befassen. Produzierende Betriebe und Industriegebiete, wie sie im Fachkonzept „Produktive Stadt“ angeführt werden, sollen davon nicht nachteilig berührt sein.
Bürger_innenbeteiligung und Partizipation
Beteiligungsprozesse wurden in den Zielkatalog der Smart City Rahmenstrategie aufgenommen. Der Grundsatz unseres Partizipationsgedankens ist, dass die in der Rahmenstrategie vereinbarten Qualitätsstandard und Instrumente der Teilhabe von allen sozialen Gruppen sowie den unterschiedlichen Akteur_innen angenommen und mitgetragen werden. Nur so können alle am gesellschaftlichen Leben gleichberechtigt teilnehmen und einen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung der Stadt leisten.
Partizipation und Bürger_innenbeteiligung in der Smart City sind eine Einladung, an zahlreichen auch neuen Beteiligungsformaten und -initiativen teilzuhaben und Diskussionen über Strategien und konkrete Maßnahmen und Räume aus der Zivilgesellschaft nicht nur zuzulassen, sondern zu ermöglichen und zu fördern.
Daher vereinbaren wir:
- Das bereits in der Magistratsdirektion eingerichtete „Kompetenzzentrum für Partizipation“ wird als zentrale Servicestelle für alle mit Beteiligung befassten Magistratsabteilungen gestärkt. Die Kompetenzstelle entwickelt einen Partizipationshub, der als serviceorientierte Anlaufstelle für alle Dienststellen, die Partizipationsprojekte umsetzen, und für zivilgesellschaftliche Initiativen agieren soll. Wir wollen Beteiligungskompetenz, eine Unterstützung des Partizipationsmainstreamings sowie der Wissenstransfer (magistratsintern und auch außerhalb) stärken.
- Das Forum Partizipation soll weitergeführt werden, um den Wissenstransfer in der Verwaltung aufrecht zu erhalten.
- Gemeinsam mit der Kompetenzstelle wird die neue Stadtregierung ein Konzept für partizipative Budgetgestaltung in den Bezirken erarbeiten, den interessierten Bezirken zur Verfügung stellen und ausrollen.
- Weiters entwickeln wir gemeinsam mit der Kompetenzstelle das Modell eines partizipativen Klimainvestitionsbudgets. Die Methode des “Bürger_innenrates” wird in den nächsten Jahren als Pilotprojekt bei einem ausgewählten Klimainvestitionsprojekt erprobt. Die Ergebnisse werden für ein gemeinsames Handeln für eine klimagerechte Stadt herangezogen.
- Eine Evaluierung des Masterplans partizipative Stadtentwicklung wird von der Kompetenzstelle Partizipation geprüft und durchgeführt, wenn diese zur Weiterentwicklung im Rahmen der Smart City Rahmenstrategie erforderlich ist.
- Im Sinne der Smart City Rahmenstrategie werden Indikatoren für Partizipationsziele erarbeitet und in die Überarbeitung aufgenommen.
- In Kooperation mit der Kompetenzstelle Partizipation planen wir die Etablierung einer digitalen Beteiligungsplattform der Stadt Wien, die über alle Beteiligungsangebote der Stadt informiert und zur direkten Teilhabe einlädt. Die Plattform wird in mein.wien.gv.at integriert.
- Mit der Lokalen Agenda 21 setzen Bürger_innen nachhaltige Projekte in Wien um. Gemeinsam mit Politik und Verwaltung wird die Zukunft der Stadt gestaltet. Wir erarbeiten gemeinsam ein Konzept der Weiterführung der Arbeit der Lokalen Agenda 21.
- Mitsprache, Mitbestimmung und aktive Gestaltung durch Kinder und Jugendliche fördern das Verständnis für demokratische Prozesse. Die aus dem Beteiligungsprojekt „Werkstadt Junges Wien“ entstandene Kinder- und Jugendstrategie 2020 bis 2025 der Stadt Wien enthält konkrete Maßnahmen zur Beteiligung von Kindern und Jugendlichen. Hier wird ein besonderes Augenmerk auf die Umsetzung der Strategie und deren regelmäßige Evaluierung gelegt. Auch das Kinder- und Jugendparlament soll gestärkt werden.