Landesgesetzblatt für Wien

Jahrgang 2002Ausgegeben am 10. September 200236. Stück
36. Gesetz:Schutz von Pflanzen vor Schadorganismen (Wiener Pflanzenschutzgesetz) [CELEX-Nrn.: 300L0029, 395L0044, 3970046]

36.
Gesetz über den Schutz von Pflanzen vor Schadorganismen (Wiener Pflanzenschutzgesetz)
Der Wiener Landtag hat beschlossen:
Zweck und Geltungsbereich
§ 1. (1) Dieses Gesetz bezweckt den Schutz von Pflanzen und Pflanzenerzeugnissen vor Schadorganismen.
(2) Die im Forstgesetz 1975, BGBl. Nr. 440, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 59/2002, zum Schutze der Pflanzen vorgesehenen Maßnahmen werden durch dieses Gesetz nicht betroffen. Abweichend davon gelten die nach diesem Gesetz bestehenden Verpflichtungen auch für jene Grundflächen, auf die die Bestimmungen des Forstgesetzes 1975 Anwendung finden, sofern sie unmittelbar an landwirtschaftlich oder gärtnerisch genutzte Grundflächen angrenzen und begründete Interessen des Pflanzenschutzes bestehen.
(3) Der Schutz von Pflanzen vor Schädigungen durch jagdbare Tiere wird durch dieses Gesetz nicht geregelt.
Begriffsbestimmungen
§ 2. Im Sinne dieses Gesetzes sind:
1. Pflanzen:
a) lebende Pflanzen;
b) lebende Teile von Pflanzen einschließlich der Samen; als lebende Teile von Pflanzen gelten auch:
– Früchte im botanischen Sinne, sofern sie nicht durch Tieffrieren haltbar gemacht wurden,
– Gemüse, sofern es nicht durch Tieffrieren haltbar gemacht wurde,
– Knollen, Kormus, Zwiebeln und Wurzelstöcke,
– Schnittblumen,
– Äste mit Laub oder Nadeln,
– gefällte Bäume mit Laub oder Nadeln,
– pflanzliche Gewebekulturen;
als Samen gelten Samen im botanischen Sinne außer solche, die nicht zum Anpflanzen bestimmt sind;
2. Pflanzenerzeugnisse: unverarbeitete oder durch einfache Verfahren bearbeitete Erzeugnisse pflanzlichen Ursprungs, soweit sie nicht Pflanzen sind;
3. Schadorganismen: Schädlinge der Pflanzen oder Pflanzenerzeugnisse tierischer oder pflanzlicher Art sowie solche in Form von Viren, Mykoplasmen oder anderen Krankheitserregern;
4. Pflanzenschutzmaßnahmen: die Anwendung von biologischen, chemischen oder mechanischen Mitteln und Verfahren zur Bekämpfung von Schadorganismen oder zur Vorbeugung gegen deren Auftreten;
5. Integrierter Pflanzenschutz: eine Kombination von Verfahren, bei denen unter vorrangiger Berücksichtigung biologischer, biotechnischer, pflanzenzüchterischer sowie anbau- und kulturtechnischer Maßnahmen die Anwendung chemischer Mittel auf ein unumgänglich notwendiges Ausmaß beschränkt wird.
Aufgaben der Verpflichteten
§ 3. (1) Die Eigentümer von Grundstücken, Baulichkeiten und Transportmitteln, welche Pflanzen, Pflanzenerzeugnisse oder andere Gegenstände, die als Überträger von Schadorganismen in Betracht kommen, anbauen, erzeugen, lagern, verwahren oder zum Verkauf bereithalten, haben
1. ihre Grundstücke, Baulichkeiten und Transportmittel sowie Pflanzen und Pflanzenerzeugnisse auf das Vorkommen von Schadorganismen, welche eine erhebliche Schädigung oder wesentliche Gefährdung von Pflanzen erwarten lassen, zu überwachen und diese erforderlichenfalls im Rahmen eines integrierten Pflanzenschutzes rechtzeitig, wirksam und sachgerecht zu bekämpfen;
2. jedes atypische Auftreten oder jeden Verdacht eines solchen Auftretens von sich in Gefahr drohender Weise vermehrenden Schadorganismen dem Magistrat unverzüglich anzuzeigen;
3. die ihnen vom Magistrat aufgetragenen Pflanzenschutzmaßnahmen ohne unnötigen Aufschub durchzuführen;
4. die Durchführung von Pflanzenschutzmaßnahmen durch den Magistrat sowie das Betreten ihrer Grundstücke, Baulichkeiten und Transportmittel durch Organe des Magistrates sowie durch Sachverständige im Sinne des § 4 Abs. 3 zu Kontroll- und Überwachungszwecken im Interesse des Pflanzenschutzes – tunlichst nach vorheriger Verständigung – sowie die unentgeltliche Entnahme von Pflanzen- und Erdproben für Untersuchungszwecke in einem angemessenen Ausmaß zu dulden;
5. die zur Durchführung von Pflanzenschutzmaßnahmen erforderlichen Auskünfte (zB über das Auftreten von Schadorganismen) zu erteilen und gegebenenfalls sachdienliche Unterlagen vorzulegen.
(2) Den Eigentümern sind Pächter, Nutznießer und sonstige Verfügungsberechtigte gleichzuhalten (Verpflichtete).
Kontrollmaßnahmen
§ 4. (1) Der Magistrat hat Grundstücke, Baulichkeiten und Transportmittel, die mit Schadorganismen kontaminiert sein können, sowie erforderlichenfalls die rechtzeitige, wirksame und sachgerechte Durchführung von Pflanzenschutzmaßnahmen durch Verpflichtete zu überwachen, gegebenenfalls Pflanzen- und Erdproben zu entnehmen und Untersuchungen vorzunehmen.
(2) Sollte der Zutritt zu Grundstücken oder Baulichkeiten oder Transportmitteln verwehrt werden, sind die Organe des Magistrates bei Gefahr im Verzug befugt, sich diesen unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit der eingesetzten Mittel zu verschaffen.
(3) Nach Maßgabe gemeinschaftsrechtlicher Verpflichtungen ist Sachverständigen der Kommission der Europäischen Gemeinschaften eine Anwesenheit bei behördlichen Tätigkeiten, die auf Grund dieses Gesetzes erfolgen, zu ermöglichen.
Pflanzenschutzmaßnahmen
§ 5. (1) Bei Feststellung des Auftretens von Schadorganismen kann der Magistrat zum Zwecke der Bekämpfung sowie der Verhinderung der Verbreitung von Schadorganismen im gebotenen Ausmaß im Einzelfall mit Bescheid sowie beim Erfordernis großräumiger oder flächendeckender Vorgangsweise durch Verordnung folgende Maßnahmen anordnen:
1. die örtliche Beschränkung oder das Verbot des Verbringens von Pflanzen und Pflanzenerzeugnissen sowie von Überträgern von Schadorganismen;
2. das Verbot oder die Einschränkung des Anbaues bestimmter Pflanzenarten oder die Verwendung bestimmter Kultursubstrate im Interesse des Pflanzenschutzes sowie zum Zwecke der Vermeidung einer Beeinträchtigung benachbarter Pflanzenbestände die Entfernung von erheblichem Unkrautbewuchs;
3. die Anwendung bestimmter Pflanzenschutzverfahren, die Entnahme und Untersuchung von Pflanzen- sowie von Erdproben, die Durchführung von Maßnahmen zur Herstellung ausreichender Lebensbedingungen für nützliche Kleinlebewesen sowie die Einhaltung bestimmter Fruchtfolgen, Anbau- und Pflanzmethoden sowie Lagerformen;
4. die Beschränkung oder Sperre der Nutzung oder Benützung von bebauten oder unbebauten Grundstücken, welche von Schadorganismen in einem Gefahr drohenden Ausmaß befallen oder in einem solchen Ausmaß befallsverdächtig oder befallsgefährdet sind, die Erklärung einer mit Schadorganismen kontaminierten Fläche zur Befallszone (Sicherheitszone) oder eines mit Schadorganismen kontaminierten Gegenstandes zum Befallsgegenstand;
5. die Vernichtung, Entseuchung oder Entwesung von Befallsgegenständen sowie der Transportmittel, des Bodens, von Kultursubstraten oder von Räumlichkeiten gegebenenfalls unter Bestimmung der konkreten Vorgangsweise.
(2) Bei Gefahr im Verzug hat der Magistrat die Maßnahmen gemäß Abs. 1 unmittelbar anzuordnen und gegen Ersatz der Kosten durch den Verpflichteten erforderlichenfalls unverzüglich durchführen zu lassen.
§ 6. (1) Die Landesregierung kann hinsichtlich jener Schadorganismen, welche eine erhebliche Schädigung oder wesentliche Gefährdung von Pflanzen erwarten lassen, bereits vor ihrem Auftreten die zu einer wirksamen Bekämpfung oder Verhinderung der Verbreitung gebotenen Maßnahmen (§ 5 Abs. 1) durch Verordnung anordnen.
(2) Erforderlichenfalls kann auch der Magistrat aus den im Abs. 1 genannten Gründen im Einzelfall Maßnahmen der dort bezeichneten Art mit Bescheid anordnen.
Haltung und Manipulation von Schadorganismen
§ 7. (1) Die Haltung von Schadorganismen sowie die Manipulation mit diesen (zB Züchtung, Verbringung u. dgl.) ist verboten.
(2) Das Verbot nach Abs. 1 gilt nicht für Forschungsvorhaben von wissenschaftlichen Einrichtungen des Bundes, bei Vorliegen einer auf gemeinschaftsrechtlichen Regelungen beruhenden Ermächtigung sowie im Falle einer gemäß Abs. 3 erteilten Ausnahme.
(3) Der Magistrat hat über Antrag für Versuchs- und Züchtungszwecke sowie für wissenschaftliche Untersuchungen eine Ausnahme vom Verbot des Abs. 1 zu erteilen, sofern berechtigte Pflanzenschutzinteressen vorliegen und keine Verschleppungsgefahr besteht.
(4) Bewilligungen nach Abs. 3 können erforderlichenfalls befristet und unter Auflagen erteilt werden. Sie sind zu widerrufen, wenn nachträglich Gründe eintreten, die der Erteilung der Bewilligung entgegengestanden wären, oder wenn eine Auflage wiederholt oder längere Zeit hindurch nicht eingehalten wird.
Kostentragung
§ 8. (1) Die Verpflichteten haben die Kosten der vom Magistrat angeordneten oder durchgeführten Bekämpfungsmaßnahmen einschließlich des für Fremdleistungen (Untersuchung von Proben, Erstellung von Fachgutachten u.dgl.) erbrachten Aufwandes selbst zu tragen bzw. zu ersetzen, sofern keine Bestreitung aus öffentlichen Mitteln erfolgt.
(2) Die Landesregierung kann durch Verordnung für die vom Magistrat in Vollziehung dieses Gesetzes vorzunehmenden nicht unter Abs. 1 fallenden sonstigen Tätigkeiten Gebühren festsetzen. Die betragsmäßige Bestimmung hat so zu erfolgen, dass die jeweiligen Einnahmen den behördlichen Aufwand zur Gänze abdecken.
(3) Werden entstandene Kosten aus öffentlichen Mitteln bestritten, wird im Rahmen der Inanspruchnahme eines finanziellen Gemeinschaftsbeitrages im Sinne des Art. 23 der Richtlinie 2000/29/EG über Maßnahmen zum Schutz der Gemeinschaft gegen die Einschleppung und Ausbreitung von Schadorganismen der Pflanzen und Pflanzenerzeugnisse, ABl. Nr. L 169 vom 10.07.2000 S. 1, die zugrundeliegende Forderung an die Europäische Gemeinschaft im Sinne dieser Regelung abgetreten.
Behörden
§ 9. (1) Die Vollziehung dieses Gesetzes erfolgt, soweit nicht anderes bestimmt ist, durch den Magistrat.
(2) Die Landesregierung kann unter ihrer Aufsicht und Kontrolle Aufgaben zur Durchführung des Pflanzenschutzes juristischen Personen des öffentlichen oder des privaten Rechtes übertragen, sofern diese und ihre Mitglieder am Ergebnis der von ihnen getroffenen Maßnahmen kein persönliches Interesse haben.
(3) Der Magistrat und die Landesregierung bilden gemeinsam, mit den amtlichen Stellen im Sinne des § 3 des Pflanzenschutzgesetzes 1995, BGBl. Nr. 532, zuletzt geändert durch Art. 4 des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 110/2002, den Amtlichen Österreichischen Pflanzenschutzdienst.
Strafbestimmungen und Sicherungsmaßnahmen
§ 10. (1) Wer als Verpflichteter
1. entgegen § 3 Abs. 1 Z 1 Grundstücke, Baulichkeiten und Transportmittel sowie Pflanzen und Pflanzenerzeugnisse nicht auf das Vorkommen von Schadorganismen, welche eine erhebliche Schädigung oder wesentliche Gefährdung von Pflanzen erwarten lassen, überwacht und diese erforderlichenfalls im Rahmen eines integrierten Pflanzenschutzes nicht rechtzeitig, wirksam und sachgerecht bekämpft,
2. entgegen § 3 Abs. 1 Z 2 ein atypisches Auftreten oder den Verdacht eines solchen Auftretens von sich in Gefahr drohender Weise vermehrenden Schadorganismen nicht oder nicht unverzüglich dem Magistrat anzeigt,
3. entgegen § 3 Abs. 1 Z 3 die vom Magistrat aufgetragenen Pflanzenschutzmaßnahmen nicht oder nicht ohne unnötigen Aufschub durchführt,
4. entgegen § 3 Abs. 1 Z 4 die Durchführung von Pflanzenschutzmaßnahmen oder das Betreten von Grundstücken, Baulichkeiten und Transportmitteln oder die Entnahme von Pflanzen- sowie von Erdproben nicht duldet,
5. entgegen § 3 Abs. 1 Z 5 die zur Durchführung von Pflanzenschutzmaßnahmen erforderlichen Auskünfte nicht erteilt oder sachdienliche Unterlagen nicht vorlegt,
6. die in einer Verordnung gemäß § 6 Abs. 1 enthaltenen Gebote und Verbote nicht befolgt,
7. den in Bescheiden gemäß § 6 Abs. 2 getroffenen Anordnungen nicht nachkommt,
8. entgegen § 7 Abs. 1 Schadorganismen hält oder mit diesen manipuliert,
9. die in Bescheiden gemäß § 7 Abs. 4 erteilten Auflagen nicht einhält,
begeht, sofern die Tat nicht den Gegenstand einer gerichtlich strafbaren Handlung bildet, eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 20.000 EUR zu bestrafen.
(2) Der Versuch ist strafbar.
(3) Die im Zusammenhang mit einer nach diesem Gesetz strafbaren Handlung stehenden Pflanzen, Pflanzenerzeugnisse und anderen als Überträger von Schadorganismen in Betracht kommenden Gegenstände können ungeachtet der Person des Verfügungsberechtigten für verfallen erklärt werden.
(4) Die Anordnung des Erlages eines Geldbetrages an Stelle der Beschlagnahme ist nicht zulässig.
Sprachliche Gleichbehandlung
§ 11. In männlicher Form angeführte personenbezogene Bezeichnungen beziehen sich auf Frauen und Männer in gleicher Weise. Bei Anwendung auf bestimmte Personen ist die jeweils geschlechtsspezifische Form zu verwenden.
Bezugnahme auf Richtlinien
§ 12. Dieses Gesetz dient auch der Umsetzung der Richtlinie 2000/29/EG über Maßnahmen zum Schutz der Gemeinschaft gegen die Einschleppung und Ausbreitung von Schadorganismen der Pflanzen oder Pflanzenerzeugnisse, ABl. Nr. L 169 vom 10.07.2000 S. 1, sowie der Richtlinie 95/44/EG mit den Bedingungen, unter denen bestimmte Pflanzen, Pflanzenerzeugnisse und andere Gegenstände gemäß den Anhängen I bis V der Richtlinie 2000/29/EG des Rates zu Versuchs-, Forschungs- und Züchtungszwecken in die Gemeinschaft oder bestimmte Schutzgebiete derselben eingeführt oder darin verbracht werden dürfen, ABl. Nr. L 184 vom 03.08.1995 S. 34, zuletzt geändert durch die Richtlinie 97/46/EG, ABl. Nr. L 204 vom 31.07.1997 S. 43.
Schlussbestimmungen
§ 13. (1) Dieses Gesetz tritt mit Ablauf des Tages seiner Kundmachung in Kraft.
(2) Mit dem In-Kraft-Treten dieses Gesetzes tritt das Kulturpflanzenschutzgesetz, LGBl. für Wien Nr. 21/1949, in der Fassung der Landesgesetze LGBl. für Wien Nr. 8/1955, 9/1959, 48/1993 und 11/2001 außer Kraft.
(3) Durch dieses Gesetz werden die Regelungen des Wiener Pflanzenschutzmittelgesetzes, LGBl. für Wien Nr. 18/1990, in der Fassung der Kundmachung LGBl. für Wien Nr. 23/1990 und des Landesgesetzes LGBl. für Wien Nr. 11/2001, nicht berührt.


Der Landeshauptmann:Der Landesamtsdirektor:
HäuplTheimer



Medieninhaber: Land Wien – Herstellung: WIENER ZEITUNG DIGITALE PUBLIKATIONEN GMBH, 1230 Wien
LGBl. für Wien ist erhältlich in der Drucksortenstelle der Stadthauptkasse, 1010 Wien, Rathaus, Stiege 7, Hochparterre und kann bei der MA 53 – Presse- und
Informationsdienst der Stadt Wien, Rathaus, 1082 Wien, Telefon: (01) 4000-81026 DW bestellt bzw. abonniert werden.


Verantwortlich für diese Seite:
Stadt Wien | Kommunikation und Medien
Kontaktformular