Soziale Anerkennung im eigenen Geschlecht

Der Weg "zwischen den Geschlechtern" ist meist ein langer Prozess. Oft beginnt er mit Unbehagen - bezüglich sozialer Geschlechtsrollen oder auch mit körperlichen Geschlechtsmerkmalen. Das Unbehagen verdichtet sich zu dem Gefühl, einem anderen Geschlecht anzugehören. Diese Gefühle können schon in der frühen Kindheit vorhanden sein oder sich in späteren Lebensabschnitten einstellen. Oft treten sie erstmals in der Pubertät auf.

Manche Menschen identifizieren sich von klein auf eindeutig in ihrem empfundenen Geschlecht. Sie können gar nicht verstehen, dass ihre Umgebung sie einem anderen Geschlecht zuordnet. Werden diese Kinder jedoch nicht in ihrer empfundenen Geschlechtsidentität unterstützt, kann sie das massiv verunsichern. Es kann auch dazu führen, dass sie ihre empfundene Geschlechtsidentität jahre- oder jahrzehntelang verleugnen. Vor allem ältere Menschen haben oft einen langen Leidensweg der Verdrängung oder Verleugnung ihrer eigenen Identität hinter sich. Sie sind in einer Zeit groß geworden, als Transgender-Personen noch von der Mehrheit als pervers angesehen wurden. Manchen ist es erst im hohen Alter möglich, auf ihr Empfinden zu vertrauen und ihr Geschlecht ihrem Empfinden anzupassen.

In den letzten Jahren hat sich viel diesbezüglich verändert. Die Themen Geschlechtsidentitäten und Transgender werden gesellschaftlich und medial breit diskutiert. Die öffentliche Meinung über Transgender-Personen hat sich deutlich gewandelt. Es gibt heute mehr Offenheit, Unterstützung und Akzeptanz, sowohl im privaten Umfeld der meisten Menschen als auch in der Arbeitswelt. Diesem Umdenken ist es zu verdanken, dass heute deutlich mehr Transgender-Personen schon in jungen Jahren den Weg in ihr eigenes Geschlecht suchen und finden.

Inting: Sich der Geschlechtsidentität bewusst werden

Diese erste Phase ist meist verwirrend und es ist wichtig, Bezeichnungen für das eigene Empfinden und geeignete Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner zu finden. Viele Transgender-Personen sind mit Widerständen bis hin zu offener Transphobie konfrontiert, wenn sie sich zu erkennen geben.

Selbsthilfegruppen bieten eine gute Möglichkeit, vielleicht erstmals über das eigene Empfinden zu sprechen und sich mit Menschen auszutauschen, denen es ähnlich geht. Das kann helfen, mehr Klarheit und Sicherheit zu erlangen, um sich nach und nach im Freundes- und Familienkreis als Transgender Person zu offenbaren. Insbesondere Eltern und nahe Angehörige haben oft Schwierigkeiten, sich mit einer Geschlechtsänderung anzufreunden. Hier kann die professionelle Beratung von Angehörigen eine große Unterstützung sein.

Coming-out: Die Geschlechtsidentität nach außen zeigen

Im "Coming-out" geht es darum, das eigene Identitätsgeschlecht anzunehmen und Schritt für Schritt in die eigene Persönlichkeit zu integrieren. Dabei ist die soziale Anerkennung besonders wichtig. Geschlechtsrollen sind historisch und kulturell unterschiedlich gestaltet. Unser Geschlecht wird auch durch Erziehung und Sozialisation bestimmt, die soziale Zuordnung erfolgt entsprechend den körperlichen Merkmalen und dem äußeren Erscheinungsbild. In der Kindheit und Pubertät erlernen wir ein dem Geschlecht entsprechendes Verhalten und Auftreten. Dabei sind Wechselwirkungen mit unseren sozialen Umfeldern prägend.

Einen ähnlichen Lernprozess müssen auch Transgender-Personen im Zuge ihres Geschlechtswechsels durchlaufen. Hier geht es um eine Angleichung des äußeren Erscheinungsbildes, um überhaupt im Identitätsgeschlecht erkannt und angesprochen zu werden, und um die Umsetzung bisher nur innerlich oder privat gelebten Geschlechtsempfindens und geschlechtsrollentypischen Verhaltens im Alltag und in der Öffentlichkeit.

Dies ist für viele mit großen Unsicherheiten verbunden. Meist ist es noch deutlich sichtbar, dass eine Person ihr Geschlecht gewechselt hat oder gerade wechselt. Die Angst, abgelehnt oder lächerlich gemacht zu werden, ist groß. Transgender-Personen leben in dieser Phase meist noch nicht vollständig in ihrem Identitätsgeschlecht, sondern arbeiten etwa im "alten" Geschlecht und erproben sich in der Freizeit, im Freundeskreis und in der Familie im eigenen Geschlecht.

Änderung der Gesamterscheinung

Die Annäherung an das Identitätsgeschlecht lässt sich nach einer gewissen Zeit des Einlebens auch nicht mehr verbergen. Die Gesamterscheinung ändert sich, Aussehen, Gestik, Mimik und Sprache werden angepasst. Ab einem bestimmten Punkt ist es Transgender-Personen emotional meist nicht mehr möglich, noch länger im abgelegten Geschlecht aufzutreten. Dann ist es nötig, auch im Arbeitsalltag ein Coming-Out zu wagen. Dies will gut geplant sein und auch hier sind Selbsthilfegruppen und professionelle Beratung hilfreiche Stützen. Nach wie vor verlieren viele Transgender-Personen im Zuge ihres Geschlechtswechsels ihren Arbeitsplatz, obwohl sie eigentlich durch das Gleichbehandlungsgesetz geschützt sind. Seit 2006 ist klar, dass das Diskriminierungsverbot aufgrund des Geschlechts auch auf Transgender-Personen anwendbar ist. Durch diese Schutzbestimmungen und die zunehmende gesellschaftliche Akzeptanz von transidenten Lebensweisen steigt die Zahl derer, die auch in ihrem Arbeitskontext in ihrem eigenen Geschlecht Anerkennung finden, langsam an.

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