Transgender-Person und medizinische Regelwerke

Menschen, deren geschlechtliche Identität nicht mit dem ihnen bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht übereinstimmt, galten bis 2022 in der ICD-10, der Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme der Weltgesundheitsorganisation (WHO) aus dem Jahr 1991, als psychisch krank (Diagnose F 64.0 im Kapitel "Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen"):

Forderung nach Depathologisierung

In der Transgender-Community besteht Konsens darüber, dass "Transsexualismus" oder "Transvestitismus" keine psychischen Krankheiten sind, sondern dass der zugeschriebene Krankheitscharakter subtiler Ausdruck von Transphobie und Diskriminierung ist. Sie betonen, dass Transgender-Personen, die ihr eigenes Geschlecht offen und selbstbestimmt leben können, die sozial wie juristisch anerkannt sind und auf Wunsch Zugang zu geschlechtsanpassender medizinischer Behandlung haben, nicht öfter an psychischen Krankheiten leiden als die Durchschnittsbevölkerung.

Gefordert wurde daher die offizielle Depathologisierung und Streichung der Diagnose der Geschlechtsidentitätsstörung aus den internationalen Krankheitskatalogen.

Viele Transgender-Personen brauchen medizinische Behandlungen, um auch ihren Körper an das Erscheinungsbild des empfundenen und gelebten Geschlechts anzupassen. Um die Kostenfinanzierung essentieller Behandlungen wie der Hormonbehandlung oder der genitalanpassenden Operationen durch die Krankenversicherungen nicht zu gefährden, wird gefordert, statt der psychischen Diagnosen eine Sparte für Transsexuelle im somatischen Bereich des ICD zu schaffen.

Diese Sichtweise erarbeiten sich zunehmend auch Expert*innen aus den Bereichen Psychiatrie und/oder Psychotherapie. Politiker*innen appellierten an die WHO, die Transgender-Diagnosen aus dem Bereich der psychischen Krankheiten zu streichen.

Transgender zu sein ist keine Krankheit

Im DSM-V, dem Diagnostischen und Statistischen Handbuch Psychischer Störungen der American Psychiatric Association (APA), wurde die medizinische Diagnose "Gender Identity Disorder" bereits 2013 durch die Diagnose "Gender Dysphoria" ersetzt.

Die WHO verabschiedete 2019 ihre grundlegend überarbeitete "Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme, 11. Revision" (ICD-11), die am 1.1.2022 offiziell in Kraft trat, aber bisher noch nicht in deutscher Sprache vorliegt.

Transgender-Personen werden hier nicht mehr als Menschen mit "Störungen der Geschlechtsidentität" im Abschnitt "Mentale und Verhaltensstörungen" eingeordnet. Statt dessen wird der neue Abschnitt "Conditions related to sexual health" geschaffen, in dem es die Kategorie "Gender incongruence" gibt. Definiert wird diese "Geschlechts-Inkongruenz" als ausgeprägte und beständige Nichtübereinstimmung zwischen dem erlebten und dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht.

Krankheitswertig ist damit nicht länger das Transgender-Sein an sich, sondern ein eventuell damit einhergehender Leidensdruck.

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