VALIE EXPORT
VALIE EXPORT wurde 2011 in der Rubrik "Bildende Kunst" mit dem Wiener Frauenpreis ausgezeichnet.
"Kunst schärft die Wahrnehmung und trägt deswegen ein transformatives und subversives Potenzial in sich", findet VALIE EXPORT. Als Künstlerin hat sie sich eine Reihe von Ausdrücken geschaffen, die im Laufe der Zeit allerdings selbst ihre Form gewandelt haben: Fotografien, Skulpturen, body performances, Videos, Großinstallationen, Texte. Früher heftig für ihre Radikalität kritisiert, gilt sie mittlerweile als Ikone des Feminismus und Pionierin im Bereich Medienkunst. Werkblöcke von VALIE EXPORT finden sich heute in berühmten Museen, wie dem "Centre Pompidou" in Paris, dem "Museum of Modern Art" (MoMA) in New York oder dem "Tate Modern" in London.
Biografie, Werk und Auszeichnungen
VALIE EXPORT wird 1940 als Waltraud Lehner in Linz geboren. Sie setzt sich in ihrer Jugend mit Kunstgeschichte auseinander, experimentiert mit der Fotokamera und besucht die Kunstgewerbeschule. 1960 zieht sie nach Wien. Nachdem sie 1964 die Höhere Bundeslehranstalt für Textilindustrie mit einem Diplom in Design abschließt, arbeitet sie einige Zeit zunächst in der Filmbranche als Cutterin und Script Girl. 1966 verfasst sie ihren ersten filmischen Text "AUS ALT MACHT NICHT NEU - ein versuch der sinnlosigkeit. metaphorische bildassoziation, Projekt" (Drehbuch).
VALIE EXPORT: Transport der Gedanken nach außen
1967 macht sie sich im engsten Sinne des Wortes einen Namen als Künstlerin: Sie nennt sich von nun an VALIE EXPORT. Sie bringt damit ihr Bedürfnis zum Ausdruck, die eigenen Gedanken nach außen zu transportieren. Der Künstlername wird immer in Versalien geschrieben. Im Anschluss daran entsteht ihr erstes Kunst-Objekt, in dem sie die Zigarettenmarke Smart Export zitiert, sie aber umändert für ihre eigene Namensdarstellung.
"TAPP- und TASTKINO"
Schon bald ist ihr Name in aller Munde. Mit dem "TAPP- und TASTKINO" erregt sie 1968 große Aufmerksamkeit. In einer vor den Oberkörper geschnallten Kino-Box, die von Händen der Passantinnen und Passanten , auch Kindern, besucht werden kann, und die nackte Körper - Kinoleinwand befühlen können, schafft sie ein taktiles Miniaturkino - und löst damit eine Woge von Anfeindungen aus. Dass diese Aktion bis heute vielen Menschen in Erinnerung geblieben ist, erklärt sie damit, dass sie auf mehreren empfindlichen Ebenen angesetzt hat. Als Künstlerin hat sie in ihrer Performance die Intimsphäre durchbrochen und als Frau öffentlich in eine vorherrschende Definition von Kunst eingegriffen. (Ö1 Menschenbilder: Die vielstimmige Frau - VALIE EXPORT, 24.11.1996)
"Aktionshose: Genitalpanik"
1969 tritt sie im Münchner Stadtkino mit einer Hose auf, die im Genitalbereich ausgeschnitten ist. Bald darauf erscheint "Aktionshose: Genitalpanik" als Poster und Fotoserie. Die berühmteste Fotografie zeigt das Poster, auf dem sie mit gespreizten Beinen auf der Bank vor einem Haus sitzend ein Maschinengewehr in der Hand hat. Während sie durch diese Pose einerseits die Objektivierung ihrer Weiblichkeit durch den männlichen Blick erzwingt, unterbricht das Maschinengewehr - Inbegriff aggressiver Männlichkeit - diese Interpretation unmittelbar. Mit ambivalenten Bildpolitiken dieser Art spielt VALIE EXPORT gerne, De- und Rekontextualisierungen sind bewusst von ihr eingesetzte Strategien, bei denen sie Bekanntes in einen anderen Kontext stellt, um ihm eine neue Bedeutung zu geben.
Körper im Mittelpunkt
Der Körper steht deswegen so oft im Mittelpunkt ihrer Arbeit, erklärt sie, weil viele Restriktionen und Normen direkt am Körper ansetzen und Menschen in vieler Hinsicht in ihm gefangen sind. Er kann sowohl von außen als auch von innen gewaltsam deformiert werden, kann gleichzeitig aber auch in transformatorischer Absicht eingesetzt werden. Über ihre Performance "Eros/ion" (1971) schreibt sie: "ich wälze mich zuerst in zerbrochenem glas und dann auf einer glasplatte. gleiches material evoziert gleiche bedeutung. zustandsänderungen des materials ändern auch die bedeutung des materials. glas als scheibe bedeutet: transparenz. glas als scherben bedeutet: läsion. dieser minimalen varianz entspringt auch der kunstcharakter, der erkenntnischarakter ist". (zitiert auf der Homepage der Künstlerin: www.valieexport.at)
Filme
Nach einigen Avantgarde-Filmprojekten realisiert sie schließlich auch Spielfilme. Der Film "Unsichtbare Gegner", 1976, Idee: VALIE EXPORT, Drehbuch Peter Weibel, Mitarbeit VALIE EXPORT, Regie: VALIE EXPORT, Mitarbeit Peter Weibel wird 1977 als erste Festivalaufführung bei den "Internationalen Filmfestspielen in Berlin" gezeigt. Der Film hat über 800 Schnitte. Ihr dritter Spielfilm, der Politthriller "Die Praxis der Liebe", 1984 Drehbuch, Regie VALIE EXPORT wird 1985 für den "Goldenen Bären" nominiert.
Universitätsprofessuren und Auszeichnungen
Seit den 1980er-Jahren wird VALIE EXPORT von zahlreichen internationalen Universitäten, darunter dem "San Francisco Art Institute", als Gastprofessorin eingeladen. Von 1991 bis 1995 ist sie o.H. Professorin an der "Hochschule der Künste Berlin", 1994 Vizepräsidentin an der Hochschule der Künste Berlin, danach unterrichtet sie von 2004 bis 2005 an der "Kunsthochschule für Medien Köln". Demgegenüber bekommt VALIE EXPORT in Österreich, das sie als ängstliches Land mit großem Nachholbedarf beschreibt, verhältnismäßig spät Anerkennung für ihre Arbeit.
Erst seit den späten 1990er-Jahren wird sie mit österreichischen Kunstpreisen ausgezeichnet, darunter der "Gustav-Klimt-Preis"(1998), der "Alfred-Kubin-Preis" (2000) und der "Oskar-Kokoschka-Preis" (2000). 2005 erhält sie das "Große Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich" und wird zum Mitglied der Österreichischen Kurie für Wissenschaft und Kunst gewählt. Die "Universität für künstlerische Gestaltung" in Linz verleiht ihr 2009 die Ehrendoktorwürde. 2014 erhält VALIE EXPORT den "Yoko Ono Lennon Courage Award for the Arts", zusammen mit Laurie Anderson, Marianne Faithful und Gustav Metzger.
"Kubus EXPORT – Der Transparente Raum" am Lerchenfelder Gürtel
2001 wurde am Wiener Lerchenfelder Gürtel unter der U-Bahn-Brücke ihre Installation Kubus EXPORT - Der Transparente Raum eröffnet. Ziel des vom Frauenservice Wien (MA 57) initiierten Projekts "Frauen sichtbar machen" ist es dabei gewesen, die Aneignung des urbanen Raumes durch Frauen voranzutreiben. Auf Basis von EXPORT's Konzept, eines nur aus Glas gebauten Kubus und gezeichnetem Entwurf, hat die Architektin Silja Tillner einen transparenten Glaskörper architektonisch umgesetzt, der ein interessantes Spannungsverhältnis mit dem massiven U-Bahn-Bogen aufbaut, sich in den ihn umgebenden Raum ausdehnt und durch seine Transparenz die beiden Seiten des Gürtels miteinander verbindet.
Ausstellungen
Die Ausstellung "Zeit und Gegenzeit" (2010/2011) im Wiener Belvedere, modifiziert im Linzer LENTOS Kunstmuseum, rückt EXPORTs jüngere Werke in den Vordergrund.
Ihr künstlerisches Schaffen der letzten zwanzig Jahre sei vielen weniger präsent, meint Kuratorin Angelika Nollert. Nicht nur sie selbst, sondern auch die zeitlichen Umständen verändern sich ständig und somit unterliegt auch ihre Arbeit kontinuierlichem Wandel, erklärt EXPORT. Zwar ziehen sich Themen wie "Identität", "politische feministische Positionen", "Konzeptuelle Fotografie", "Sprache" wie die Performance: "The voice as performance, act and body" 2007 an der Biennale Venedig, Arsenale, "Film-Performance": wie Up+Down*On+Off/STEDELIJK zur Wiedereröffnung des Stedelijk Museums in Amsterdam, 2012, als roter Faden durch ihr Werk, gleichzeitig macht sie sichtbar, wie sich diese Bereiche immer wieder transformieren. Auch die Medien, die in ihrem Schaffen zum Einsatz kommen, sind stets neue.
Letizia Ragaglia, Direktorin des "Museion" in Bolzano/Bozen, in dem 2011 ebenfalls eine Ausstellung mit dem Titel "Zeit und Gegenzeit" zu sehen ist, weist darauf hin, dass sich VALIE EXPORT bei weitem nicht nur mit Feminismus, sondern auch mit einer Reihe anderer politischer Themen auseinandergesetzt hat. In der Ausstellung zu sehen ist unter anderem die Großinstallation "Fragmente der Bilder einer Berührung" (1994), in der an auf- und abwärts bewegende Metallstangen befestigte Glühbirnen in Glaszylinder eintauchen, die entweder mit Wasser, Milch oder Öl befüllt sind. Während diese wichtige Bestandteile menschlichen Lebens sind, drückt die Kombination mit Elektrizität eine potenzielle Gefahr aus und bringt einen Kurzschluss zwischen Energien zum Ausdruck. Gerade diesen Doppelungen und Zweideutigkeiten, so Ragaglia, kommt eine wichtige Rolle in EXPORTs Werk zu.
Werke
- "TAPP und TASTKINO Expanded Cinema Aktion" (Performance, 1968)
- "Die Praxis der Liebe" (Spielfilm, 1984)
- "Fragmente der Bilder einer Berührung" (Installation, 1994)
- "Kubus EXPORT - Der Transparente Raum" (Permanent-Installation am Lerchenfelder Gürtel, 2001)
- "Anagrammatische Komposition mit Würfelspiel (nach W. A. Mozart, Klavier) für Sopransaxophon" (Transposition Klavier - Sopransaxophon: Gerald Preinfalk) (Permanentinstallation im Theater an der Wien, 2010)
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