Stefanie Wöhl - Preisträgerin Frauenpreis 2023

Stefanie Wöhl wurde mit dem "Käthe-Leichter-Sonderpreis der Stadt Wien" ausgezeichnet.

Preisträgerin in gelb-grün gemustertem Kleid

Die Jury des Wiener Frauenpreises begründet ihre Entscheidung folgendermaßen:

Im Rahmen des "Käthe-Leichter-Sonderpreises der Stadt Wien" wird eine besondere Wissenschaftlerin ausgezeichnet, die sich im Sinne Käthe Leichters für die Verwirklichung der Geschlechtergerechtigkeit einsetzt ebenso wie für ihre hervorragenden Leistungen in der Frauen- und Geschlechterforschung.

Käthe Leichter war eine der bedeutendsten Frauen der 1. Republik. Sie studierte als eine der ersten Frauen Staatswissenschaften und Nationalökonomie. Da ihr der Abschluss ihres Studiums zu dieser Zeit in Österreich nicht möglich war, übersiedelte sie 1917 nach Heidelberg und promovierte bei Max Weber. Sie war als aktive Pazifistin bekannt. 1925 übernahm Käthe Leichter den Aufbau des Frauenreferats in der Wiener Arbeiterkammer. In dieser Position baute sie systematisch eine Datenbank mit Material über arbeitende Frauen auf und erhob mit Fragebögen detailliert deren private und berufliche Lebensumstände. Weil sie sich als Sozialdemokratin im Untergrund gegen die Nationalsozialist*innen betätigte, wurde sie 1942 im Alter von nur 46 Jahren als Häftling des KZ Ravensbrück in der NS-Tötungsanstalt Bernburg in Deutschland ermordet. Sie gilt bis heute als eine der weltweit ersten Sozialwissenschaftlerinnen und als eine der wichtigsten Pionierinnen auf dem Feld der Frauenforschung.

Die Wiener Frauenpreis-Jury hat sich gemeinsam mit der Käthe-Leichter-Preis-Jury darauf verständigt, mit diesem Preis Stefanie Wöhl und ihr Engagement in der Geschlechterforschung auszuzeichnen.

Stefanie Wöhl ist Professorin für Politikwissenschaft an der Fachhochschule des BFI Wien.

Seit 2003 forscht, veröffentlicht und lehrt Stefanie Wöhl zu Gender und Diversität im europäischen Integrationsprozess. Von 2006 bis 2011 war sie an der Universität Wien als post-doc Universitätsassistentin und als Leiterin des Referats Genderforschung beschäftigt. Von 2011 bis 2013 war sie Research Fellow in der Einstein Forschungsgruppe "Krise der Demokratie", die von Prof.in Nancy Fraser an der Freien Universität (FU) Berlin geleitet wurde.

Anschließend hatte Stefanie Wöhl Gastprofessuren an der Universität Wien (2013) und der Universität Kassel (2015) inne. Seit 2015 ist sie an der Fachhochschule des BFI Wien beschäftigt und war 2015 bis 2018 Leiterin des "Stadt Wien Kompetenzteams für European and International Studies".

Ihr aktueller Forschungsschwerpunkt liegt auf den Folgen multipler Krisen für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Diversität. Hierzu hatte sie auch einen prestigeträchtigen Jean-Monnet-Lehrstuhl "Vielfalt und sozialer Zusammenhalt in der Europäischen Union" inne. Jean Monnet gilt als einer der Gründerväter der Europäischen Union. Nach ihm benannte Lehrstühle sind Lehrstühle für Professor*innen mit dem Schwerpunkt EU-Studien und fördern im Speziellen Forschung und Aktivitäten zur europäischen Integration aus einer Diversitätsperspektive zum sozialen Zusammenhalt. Im Zuge des Lehrstuhles können Podiumsdiskussionen und Workshops ebenso angeboten wie auch die Thematik in die Lehre an der Hochschule integriert werden. Forscher*innen sowie Lehrenden bietet der Lehrstuhl die Möglichkeit, ihre Kooperationen zu EU-Studien zu intensivieren und einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Insofern war es Stefanie Wöhl möglich mit dem Lehrstuhl Lehre und Forschung zur europäischen Integration aus einer Diversitätsperspektive in Wien zu intensivieren und damit Geschlecht und Vielfalt als Forschungs- und Lehrschwerpunkte über die Disziplinen Politikwissenschaft und Wirtschaft an der FH des BFI Wien zu stärken.

Stefanie Wöhl bot im Rahmen des Lehrstuhls Workshops für die Lehrer*innenausbildung und politische Entscheidungsträger*innen auf nationaler Ebene an, um Wissen über sozialen Zusammenhalt, Geschlecht und Vielfalt in der EU zu verbreiten, und arbeitete mit der internationalen wissenschaftlichen Gemeinschaft durch Veröffentlichungen und Konferenzen auf diesem Gebiet zusammen.

Ihre Forschungstätigkeiten resultieren in zahlreichen Publikationen, exemplarisch sei ihr Buch "Mainstreaming Gender? Widersprüche europäischer und nationalstaatlicher Geschlechterpolitik" genannt. Sie schreibt wichtige Artikel wie "Die Covid-19-Pandemie und Wirtschaftskrisen: die Mehrfachbelastung von Frauen in Privathaushalten", "Perspektiven auf Wohnen: Geschlecht, Einkommen, Migrationsbiografie im Kontext der Internationalen Feministischen Politischen Ökonomie", "Gender, Diversity and Social Cohesion in Europe" oder "Strukturelle Sorglosigkeit: Die 24-Stunden-Betreuung in der Covid-19-Krise", "Die Bedeutung einer starken öffentlichen Daseinsvorsorge für Geschlechtergerechtigkeit" und "Multiple Inequalities in Gender Relations: Engaging the State in the International Political Economy".

Sie zielt mit ihrer Forschung aber immer darauf ab, Gender und Diversität in die EU-Forschung und -Lehre zu integrieren und Bewusstsein für sozialen Zusammenhalt bei einer breiteren Öffentlichkeit, Lehrkräften, der Zivilgesellschaft und politischen Entscheidungsträger*innen zu schärfen. So führte Stefanie Wöhl im Rahmen des Jean Monnet-Lehrstuhls auch zahlreiche öffentliche Veranstaltungen wie eine öffentliche Vortragsreihe, einen öffentlichen runden Tisch durch und erarbeitete Sonderpublikationen für Forschende, zivilgesellschaftliche Organisationen, Diversity-Praktiker*innen und politische Entscheidungsträger*innen.

Weil sie ganz in der Tradition Käthe Leichters wichtige und international anerkannte Forschung macht und darauf achtet, dass diese tatsächlich Auswirkungen auf die Lebensrealitäten hat, haben sich die beiden Jurys einhellig dafür entschieden, den "Käthe-Leichter-Sonderpreis der Stadt Wien" an Stefanie Wöhl zu verleihen.

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