Renée Schroeder

Renée Schroeder wurde 2007 in der Kategorie "untypische Frauenberufe" mit dem Wiener Frauenpreis ausgezeichnet.

Weiter denken! So lautet für Renée Schroeder das Gebot der Stunde, auch wenn die Molekularbiologin als eine der führenden Vertreterinnen ihres Bereichs schon sehr viel erreicht hat. Renée Schroeder "hat sich mit großem Engagement in die Diskussion um Ethik und Wissenschaft" eingebracht, heißt es in der Juryerklärung des Frauenpreises 2007. "Sie äußert sich immer wieder kritisch zu allen Haltungen, die einengen und damit letztlich auch diskriminieren" (ebenda).

Biografie

Renée Schroeder wird 1953 in João Monlevade (Brasilien) geboren. Mit dem Militärputsch - sie ist damals 14 Jahre alt - entscheiden sich die aus Luxemburg stammenden Eltern, nach Österreich zu ziehen. Es ist schwierig gewesen, Deutsch zu lernen und sich auf die von der Nachkriegszeit geprägte Umgebung in Bruck an der Mur einzustellen, erinnert sie sich (profil.at, 22.07.2013). Doch mit der Aufbruchsstimmung der späten 1960er-Jahre sei plötzlich vieles möglich geworden - insbesondere für Frauen.

Das 1972 begonnene Biochemie-Studium schließt Schroeder 1981 mit einem Doktorat an der Universität Wien ab. Nach der Promotion arbeitet sie zunächst am "Centre national de la recherche scientifique" (CNRS) in Frankreich, unterstützt durch ein Stipendium der "European Molecular Biology Organisation" (EMBO). Die nächste Post-doc Stelle wird durch ein Schrödinger Stipendium ermöglicht. Nach diesem Aufenthalt am "Wadsworth Center" in New York kehrt sie schließlich als Assistentin an das Institut für Mikrobiologie und Genetik an die Universität Wien zurück, wo sie seit 1986 arbeitet. 1993 folgt die Habilitation mit einer Arbeit zur Wechselwirkung von Antibiotika mit der Ribonukleinsäure (RNA). Die RNA, dieses für sie so faszinierende Molekül, wird sie während ihrer gesamten universitären Laufbahn begleiten. Zunächst haut sie sich jedoch "den Schädel [...] zwei Mal an der Glasdecke" der Universität Wien an (zitiert aus: orf.at): Zwar wird Renée Schroeder bereits zwei Jahre nach ihrer Habilitation außerordentliche Professorin. Ihre ordentliche Professur für RNA-Biochemie an der Universität Wien erhält sie allerdings erst 2006, also dreizehn Jahre und zwei Ablehnungen später.

Schon während ihrer Dissertation begeistert sich Schroeder für die Vielseitigkeit der Ribonukleinsäure. Wie die DNA kann sie Erbinformation transportieren, ist aber chemisch viel aktiver. Viele Jahre stand das eher unscheinbare RNA-Molekül im Schatten der DNA, nun ist seine Bedeutung unbestritten. In "Die Henne und das Ei. Auf der Suche nach dem Ursprung des Lebens" (2011) stellt Schroeder das von ihr so bezeichnete "Molekül des Lebens", mit dem sie sich seit nunmehr dreißig Jahren beschäftigt, einem breiten Publikum vor (zitiert aus: www.dashennei.net). Das gemeinsam mit Ursel Nendzig verfasste Buch, das als Wissenschaftsbuch des Jahres 2012 ausgezeichnet worden ist, reicht dabei von Antworten auf die Frage nach dem Ursprung des Lebens, über Einblicke in angewandte Ethik, bis hin zur Diskussion genetischer Möglichkeiten.

Auszeichnungen

Für ihr wissenschaftliches Werk ist Reneé Schroeder bereits mehrfach ausgezeichnet worden, etwa mit dem Theodor-Körner-Stiftungspreis für Wissenschaft und Kunst (1984) oder dem Sandoz-Forschungspreis für Biologie (1992). Im Jahr 2001 wird ihr Engagement im Mentoring-Programm für Frauen an der Universität Wien mit dem von der Firma L'Oréal und der Unesco vergebenen "Special Honor Award for Women in Science" gewürdigt. Im darauf folgenden Jahr wird sie Wissenschaftlerin des Jahres, wobei speziell ihr Einsatz für eine größere gesellschaftliche Akzeptanz von Wissenschaft hervorgehoben wird. 2003 erhält sie schließlich den Wittgensteinpreis, die renommierteste österreichischen Auszeichnung im Wissenschaftsbereich. 2006 wird Reneé Schroeder das Große Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik verliehen. Ihre jüngste Auszeichnung ist der Eduard Buchner Preis der Deutschen Gesellschaft für Biochemie und Molekularbiologie (2011).

Mitgliedschaften

2003 wird Schroeder als zweite Frau in der Geschichte wirkliches Mitglied der mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse der "Österreichischen Akademie der Wissenschaft" (ÖAW). Bereits bei der ersten Feier wird sie damit konfrontiert, ganz eindeutig in der Minderheit zu sein. Mit dem Kommentar "Ehefrauen dürfen da nicht sitzen" (zitiert in: profil.at, 22.7.2013) wird ihr der Platz im Festsaal streitig gemacht. Schroeders Mitgliedschaft in der ÖAW sollte auch nicht von langer Dauer sein. Im Mai 2012 kehrt sie der Akademie öffentlichkeitswirksam den Rücken. Aus Protest gegen den hohen Anteil an Mitgliedern des Cartellverbands und gegen die schwache Exzellenzförderung - insbesondere von Frauen - gibt Schroeder schließlich ihren Platz in der ÖAW auf.

Mit dem Austritt aus der Akademie beendet Schroeder jedoch nicht ihre Arbeit in wissenschaftlichen Gremien. War sie zwischen 2001 und 2005 Mitglied der Bioethik-Kommission des Bundeskanzlers und von 2005 bis 2010 Vizepräsidentin des Wissenschaftsfonds FWF, ist sie nun Mitglied des "Rats für Forschung und Technologieentwicklung". Zudem war sie von 1998 bis 2004 österreichische Delegierte der "European Molecular Biology Organisation" und ist seit 2007 Chefherausgeberin des Journals "RNA-Biology".

Gesellschaftspolitisches Engagement

Bezeichnend ist auch ihr gesellschaftspolitisches Engagement, etwa bei der "Initiative Religion ist Privatsache". Als überzeugte Atheistin hat Schroeder mit ihren religionskritischen Ansichten so manches Mal für Aufruhr gesorgt. Sie versteht sich nicht prinzipiell als Religionsgegnerin, jeder Person solle ein Weltbild zugestanden werden. Damit erübrigt sich für sie aber nicht die am kirchlichen Machtapparat und am kirchlichen Frauenbild zu leistende Kritik. Generell kritisiert sie die gestiegene Erwartungshaltung an Frauen: "Sie […] müssen drei Mal mehr leisten als die guten Männer - und dann haben sie immer noch nichts sicher. Es gibt zwar heute viel mehr Möglichkeiten für Frauen, aber der Leistungsdruck ist so hoch wie nie" (derStandard.at, 30.3.2013).

In der Verbindung ihrer wissenschaftlichen und gesellschaftskritischen Einsichten ist Schroeder konsequent. Selbst Naturgesetzen könne keine ewige Wahrheit zugeschrieben werden. Immer zählen laut Schroeder die Bedingungen, unter denen sich wissenschaftlichen Tatsachen ereignen (profil.at, 22.7.2013). Deshalb wird sie nicht müde, das große Gewicht gesellschaftlicher Einflüsse auf die Entwicklung menschlicher Potenziale zu unterstreichen. "So kann es nicht weitergehen" erklärt sie und stellt einer Huldigung des Wirtschaftswachstums das selbstlose Wachstum von Zellen entgegen (zitiert aus: www.dashennei.net).

Auch Schroeders neustes mit Ursel Nendzig verfasstes Buch "Von Zellen, Menschen und Waschmaschinen. Anstiftung zur Rettung der Welt" (2014) verspricht neue Akzente. Diese setzt sie auch in ihrem Privatleben: Schroeder hat den zweiten Bildungsweg an der landwirtschaftlichen Fachschule in Hollabrunn nicht gescheut, um einen Bergbauernhof in Salzburg erwerben zu können. Dort will sie sich in ihrer Pension der Kraft alpiner Heilkräuter widmen.

Publikationen

  • Schroeder, Renée et al. (2010): "Genomic SELEX for Hfq-binding RNAs identifies genomic aptamers predominantly in antisense transcripts”. In: "Nucleic Acids Research (38)", Seite 3794 bis 3808
  • Schroeder, Renée; mit Nendzig, Ursel (2011): "Die Henne und das Ei. Auf der Suche nach dem Ursprung des Lebens". St. Pölten
  • Schroeder, Renée; mit Nendzig, Ursel (2014): "Von Zellen, Menschen und Waschmaschinen. Anstiftung zur Rettung der Welt". St. Pölten

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