Margit Schratzenstaller

Margit Schratzenstaller wurde 2009 für ihre "Leistungen im Bereich Sozial- und Wirtschaftswissenschaften" mit dem Wiener Frauenpreis ausgezeichnet.

Margit Schratzenstaller

Margit Schratzenstallers Fokus als Referentin für öffentliche Finanzen am Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) liegt an der Schnittstelle zwischen einer wirtschaftswissenschaftlichen theoretischen Perspektive, anwendungsorientierter Forschung und Politik. Genderaspekte spielen in ihrem Spezialgebiet, der Steuer- und Budgetpolitik, prinzipiell eine wichtige Rolle.

Biografie

Margit Schratzenstaller wird 1968 in Landshut (D) geboren. Ihre Eltern bestehen darauf, dass sie vor dem Studium etwas "Handfestes" lernt, und so schließt sie zunächst eine Ausbildung zum Industriekaufmann ab, wie es damals noch heißt. 1991 inskribiert sie dann Betriebswirtschaft an der Universität Gießen. Im Zuge des Studiums und nicht zuletzt während eines Auslandsaufenthaltes in Milwaukee (USA) verschiebt sich ihr Interesse allerdings hin zu volkswirtschaftlichen Fragestellungen. Sie sattelt um und spezialisiert sich auf die Finanzwissenschaft, also die Lehre von den internationalen öffentlichen Ausgaben und Einnahmen. 1996 erhält sie ihr Diplom in Wirtschaftswissenschaften, 2001 promoviert sie in Gießen mit einer Arbeit über fiskalischen Wettbewerb um Direktinvestitionen. 2002 wird sie im Graduiertenkolleg "Die Zukunft des Europäischen Sozialmodells" an der Universität Göttingen angenommen, wo sie sich als Postdoc mit fiskalischem Wettbewerb in einer erweiterten EU beschäftigt. Im wissenschaftlichen Elfenbeinturm möchte sie allerdings nicht bleiben, vielmehr interessiert sie das Feld der angewandten Politikberatung, das ihr die Möglichkeit konkreter Mitgestaltung gibt.

WIFO (Wirtschaftsforschungsinstitut)

Seit 2003 geht sie dieser Tätigkeit der Politikberatung im WIFO nach (zwischen 2006 und 2008 ist sie stellvertretende Leiterin des Instituts). Das WIFO ist mit unterschiedlichen Aufgaben, zum Beispiel der Konjunkturprognose, betraut und berät die SozialpartnerInnen sowie Verwaltungseinheiten und Ministerien in punkto wirtschaftspolitische Maßnahmen. Anwendungsorientierte Forschung schließt für sie dabei immer auch das konkrete Umfeld mit ein, also Öffentlichkeitsarbeit und Sensibilisierung hinsichtlich wirtschaftlicher Zusammenhänge.

Wenngleich dies nicht ihr vorrangiges Beschäftigungsfeld ist, so versucht sie dennoch immer "Gender Budgeting" miteinzubeziehen. "Gender Budgeting" zielt darauf ab, geschlechtsspezifische Aspekte und Forderungen in jede Phase des Budgetprozesses einzubringen, von der Planung über die Umsetzung bis hin zur Kontrolle. Dabei werden Ausgaben und Einnahmen des Staates aus einer Gleichstellungsperspektive beleuchtet. Wie wirken sich Steuern unterschiedlich auf Frauen und Männer aus, welche Konsequenzen haben sie für die Erwerbstätigkeit? Trotz konzeptueller und praktischer Herausforderungen kann "Gender Budgeting" ihrer Meinung nach positiv in Budgetpolitik intervenieren.

Margit Schratzenstaller weist darauf hin, dass Geschlechteraspekte mittlerweile sogar von der Mainstream Ökonomie aufgegriffen worden sind. Auch hier sei erkannt worden, dass Gleichstellungsdefizite, wie die große Einkommensschere zwischen Männern und Frauen, aus ökonomischer Perspektive von Nachteil sind. Sie verweist auch auf volkswirtschaftliche Studien, denen zufolge eine höhere Repräsentation von Frauen positive Wachstumseffekte hätten. (in: AUF. Eine Frauenzeitschrift 2011/Nr. 153, Seite 10 f.). Davon abgesehen hält Schratzenstaller fest: "Die Verwirklichung der Gleichstellung der Frauen in ökonomischer, sozialer und politischer Hinsicht ist ein fundamentales Menschenrecht, das auch dann durchzusetzen ist, wenn es sich weder betriebswirtschaftlich noch gesamtwirtschaftlich rechnet" (ebenda).

Im Kontext der Frauenpreisverleihung betont die Ökonomin unter anderem, dass Arbeit in Österreich sehr hoch besteuert ist. Frauen sind dabei in unteren Einkommensbereichen überdurchschnittlich hoch vertreten, was sich individuell wie gesamtwirtschaftlich negativ auswirkt. Wenn Frauen, die hoch qualifiziert sind, nicht oder nur teilweise erwerbstätig sind, liegt Humankapital brach.

Andererseits argumentiert sie, dass das Normalarbeitsverhältnis von (mehr als) vierzig Wochenstunden als allseits gültiger Referenzpunkt prinzipiell in Frage zu stellen wäre - für Männer und Frauen. Insbesondere wenn es um die Betreuung von kleinen Kindern geht, könne dies wünschenswert sein. Zudem erscheint ihr die allgemeine Durchsetzung des männlichen Vollzeitmodells nicht angemessen, um "den künftigen sozialen und gesellschaftlichen Herausforderungen (demographische Entwicklung, Klimawandel), die eine sozial und ökologisch nachhaltigere Wirtschaftsweise unabdingbar machen" zu begegnen (zitiert in: AUF. Eine Frauenzeitschrift 2011/Nr. 153, Seite 11).

Seit 2012 ist Margit Schratzenstaller eine der KoordinatorInnen des Forschungsprojekts "WWWforEurope - Ein neuer Wachstumspfad für Europa", durchgeführt vom WIFO in Kooperation mit Partnerorganisationen aus zwölf EU-Ländern. Dabei wird versucht, Lösungsansätze "for a more dynamic, inclusive and sustainable Europe" zu generieren, wie es auf der Homepage heißt (www.foreurope.eu). Wirtschaftliche Entwicklungen, betont sie, müssen ökologisch viel nachhaltiger werden. Nicht nur auf österreichischer, sondern auch auf europäischer Ebene braucht es konkrete Visionen, die Klimaziele beinhalten. Dringlich ist zudem die immer größer werdende Einkommens- und Vermögensungleichheit. Es braucht Antworten auf Verteilungsfragen, wovon die Ungleichheit zwischen Männern und Frauen einen wichtigen Aspekt darstellt. Genderaspekte sollten dabei nicht nur auf Fragen der Sozial- und Arbeitspolitik bezogen werden, sondern auch in Bereichen wie Budget-, Umwelt- oder auch der Industriepolitik stärker in den Vordergrund gerückt werden.

Schratzenstaller ist im Fiskalrat an der Österreichischen Nationalbank als Expertin vertreten. Sie ist außerdem Kuratoriumsmitglied des "Europäischen Forum Alpbach", bei dem sich jedes Jahr Expertinnen und Experten sowie Studierende aus ganz Europa treffen, um politische, wirtschaftliche und kulturelle Fragen in einem interdisziplinären Format zu diskutieren. Sie ist mitverantwortlich für die Themenwahl der Wirtschaftsgespräche.

Universitätsprofessur

Seit mehreren Jahren ist Margit Schratzenstaller nun Lehrbeauftragte an der Universität Wien, wo sie jeweils im Sommersemester eine Vorlesung über Grundlagen der Steuerlehre hält. Sie sieht es als Privileg, etwas zur Ausbildung der nachfolgenden Generation beitragen zu können und freut sich immer wieder darüber, dass junge Menschen noch Fragen stellen, wie ein zukunftsfähiges Wirtschaften gestaltet werden kann.

Publikationen

  • Schratzenstaller, Margit (2014): Familienpolitik in ausgewählten europäischen Ländern im Vergleich (WIFO-Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Familien und Jugend Wien), Wien
  • Schratzenstaller, Margit (2013): Besteuerung höherer Einkommen und Vermögen – Internationale Entwicklungstendenzen, Möglichkeiten und Grenzen, in: Vierteljahreshefte zur Wirtschaftsforschung, DIW Berlin, 82,1, Seite13 bis 34
  • Schratzenstaller, Margit (2012): Gender Budgeting im Steuersystem (WIFO -Studie im Auftrag der Kammer für Arbeiter und Angestellte Wien), Wien
  • Schratzenstaller, Margit (2012): Die gesellschaftlichen Funktionen und Herausforderungen des Steuerrechts, in: Ehs/Gschiegl/Ucakar/Welan (Hg.): Politik und Recht. Spannungsfelder der Gesellschaft, Wien.
  • Schratzenstaller, Margit (2011): Vom Steuerwettbewerb zur Steuerkoordinierung in der EU? In: WSI-Mitteilungen, 6/2011, Seite 304 bis 313

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