Johanna Dohnal
Johanna Dohnal erhält 2008 den Wiener Frauenpreis für ihr "Lebenswerk".
Frauen müssen für ihre Rechte selber kämpfen, geschenkt wird ihnen nichts, lautete Johanna Dohnals Credo. Sie selbst hat viele Kämpfe ausgefochten und wie keine andere die Frauenpolitik in Österreich geprägt. Unter Frauenpolitik verstand sie aktive Gleichstellungspolitik und setzte Themen wie Straffreiheit für Schwangerschaftsabbruch, Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen, Schutz vor Gewalt einschließlich sexueller Belästigung sowie Frauenquoten auf die politische Agenda.
Johanna Dohnal war eine überaus engagierte Politikerin, sie griff auch Forderungen der neuen (autonomen) Frauenbewegung auf, war unbequem, aber aufgrund ihrer Konsequenz sehr oft erfolgreich. "Sie hatte ein besonderes Talent für das Politische, ein feines Gespür dafür, was möglich war und ausgereizt, was gerade noch ging", stellt die Historikerin Maria Mesner fest (zitiert in: diestandard, 18.3.2013).
Biografie
Als Johanna Dietz wird sie 1939 in Wien geboren. Sie macht eine Lehre zum Industriekaufmann, so die damalige Bezeichnung, und arbeitet als kaufmännische Angestellte. Mit knapp 17 Jahren tritt sie der SPÖ bei. 1969 wird sie im 14. Wiener Gemeindebezirk (Penzing) Bezirksrätin, 1971 zur Vorsitzenden der Penzinger Sozialistinnen gewählt. Obmännin heißt dies damals noch. Ab 1972 arbeitet sie mehr als sieben Jahre lang in der Parteizentrale der SPÖ als Wiener Landesfrauensekretärin. 1973 wird sie Wiener Gemeinderätin und Landtagsabgeordnete. Seit 1974 ist sie Mitglied des Bundesfrauenkomitees.
Fristenregelung und Medienkoffer Sexualerziehung
Es ist dies die Zeit der SPÖ-Alleinregierung, die es der Partei ermöglicht, längst überfällige Reformen wie die bereits in den 1920er-Jahren von Sozialdemokratinnen geforderte Reform des Familienrechts und die Abschaffung des § 144 des Strafrechts, der Schwangerschaftsabbruchs unter Strafe stellt, in die Wege zu leiten.
Gleichzeitig sind dies die ersten Jahre der autonomen Frauenbewegung, deren wesentliche inhaltliche Forderungen die völlige Freigabe des Schwangerschaftsabbruchs und die Enttabuisierung des Themas "Gewalt gegen Frauen" sind. Der Kampf um die Straffreiheit des Schwangerschaftsabbruchs ("Fristenregelung"), an dem sich Johanna Dohnal innerhalb der SPÖ aktiv beteiligt, politisiert sie in feministischem Sinn. 1973 wird die "Fristenregelung" beschlossen, 1975 tritt sie in Kraft. 1974 initiiert Johanna Dohnal die Gründung des Komitees "Helfen statt strafen", das die Durchführung der Fristenreglung in Wiener Spitälern sicherstellt und die Gründung von zwei Familienberatungsstellen forciert ebenso wie die Verbreitung von Informationen über Empfängnisverhütung. Entgegen heftiger Kritik vonseiten konservativer Politikerinnen und Politiker, Eltern sowie Lehrerinnen und Lehrer setzt sie Jahre später die Einführung des "Medienkoffers Sexualerziehung" an den Schulen durch, mit dessen Hilfe Kindern elementares Wissen über ihren eigenen Körper vermittelt werden soll.
Reform des Familienrechts, Bewusstseinsbildung, erstes Frauenhaus
Mitte der 1970er-Jahre gelingt auch eine umfassende Reform des Familienrechts. Der Ehemann ist nicht länger Oberhaupt der Familie und kann seiner Ehefrau nicht mehr verbieten, berufstätig zu sein.
Ende der 1970er-Jahre beginnt Johanna Dohnal, Selbstbewusstseinsseminare für Frauen zu organisieren, die auf großes Interesse stoßen, in Teilen der eigenen Partei jedoch auch auf Widerstand. Sie zerstöre mit diesen Seminaren, so lautet der Vorwurf, die Familien; Männer von Seminarteilnehmerinnen würden aus der SPÖ austreten, weil sie nun mit einer Emanze verheiratet sind. Dohnal lässt sich nicht einschüchtern. Sie setzt sich (vergeblich) für eine Verkürzung der täglichen Arbeitszeit ("Sechsstundentag") ein, um Frauen und Männern die partnerschaftliche Teilung der Hausarbeit und Kinderbetreuung zu erleichtern sowie (mit Erfolg) für die Möglichkeit, dass auch Väter nach der Geburt eines Kindes in Karenz gehen können.
Zur selben Zeit unterstützt sie ein von Sozialarbeiterinnen entworfenes Konzept für ein autonomes Frauenhaus. Der politische Widerstand dagegen ist "nicht von schlechten Eltern", wie sie selbst sagt. Doch Johanna Dohnal beweist Stärke. 1978 wird Österreichs erstes Frauenhaus in Wien tatsächlich eröffnet.
Staatssekretariat
1979 schafft Bruno Kreisky im Zuge einer Regierungsumbildung vier neue Staatssekretariate, zwei davon ausschließlich für Frauenfragen zuständig, und besetzt alle vier mit Frauen. Eine davon ist Johanna Dohnal. Sie wird Staatssekretär für allgemeine Frauenfragen im Bundeskanzleramt. Kreiskys Entscheidung, den Frauenanteil in der Regierung deutlich zu erhöhen, löst erst einmal einen Schock aus - innerhalb der SPÖ, in der Öffentlichkeit und auch im Parlament. Seinen eigenen Aussagen zufolge erschüttert Kreisky am meisten die Reaktionen der Männer in den eigenen Reihen. Sein Fazit: „Bei der Todesstrafe und der Emanzipation der Frau darf man die Basis nicht fragen. Denn die Basis (...) ist primär reaktionär.“ (Zit. in: Kurier, 13.10.1979) Mit der Schaffung eigener Frauenstaatssekretariate löste Kreisky Frauenpolitik erstmals aus dem Bereich der Familienpolitik heraus und etablierte Frauenpolitik als eigenständigen Politikbereich.
Auch als Regierungsmitglied ist es Johanna Dohnal wichtig, dass Politik für die Frauen mit den Frauen gemacht wird. Zu diesem Zweck veranstaltet sie regelmäßige Frauenenqueten in Wien und Frauenforen in den einzelnen Bundesländern als Diskussionsplattform für Frauen aus allen gesellschaftlichen, politischen und konfessionellen Bereichen. Bewusstseinsbildung ist ihr ein großes Anliegen. Sie stellt immer wieder klar, wo überall Machtungleichheiten zwischen den Geschlechtern bestehen. Die Möglichkeit der eigenständigen Existenzsicherung für Frauen (auch im Alter) ist neben dem Schutz vor Gewalt ihr größtes Anliegen. Sie setzt sich ein für gleiche Lehrpläne für Mädchen und Buben und für geschlechtsneutrale Stellenausschreibungen. Das Ziel von Bildungskampagnen wie "Töchter können mehr" ist es, Mädchen zu motivieren, andere als die traditionellen (und traditionell schlecht bezahlten) Frauenberufe zu ergreifen.
Anfang der 1980er-Jahre, zur Zeit der beginnenden Friedensbewegung, gründet Johanna Dohnal den Arbeitskreis „Frieden – Abrüstung – Dritte Welt“, der zehn Jahre lang aktiv ist und unter anderem erreicht, dass gemäß dem Motto „Waffen sind kein Spielzeug“ die Kasernenbesuche von Kindergarten- und Schulkindern vom Wiener Stadtschulrat untersagt werden.
1987 wird Johanna Dohnal Bundesvorsitzende der SPÖ-Frauen und stellvertretende Parteivorsitzende. 1988 kann sie sich endlich offiziell als Staatssekretärin bezeichnen. Denn eine von ihr initiierte Gesetzesänderung ermöglicht es, Amtsbezeichnungen und Titel auch in weiblicher Form zu führen. Johanna Dohnal ist es wichtig, Frauen sprachlich sichtbar zu machen, denn Sprache beeinflusst unser Denken und das Bild, das wir uns von der Welt machen.
Frauenministerium
Im Nationalratswahlkampf 1990 machen sich die SPÖ-Frauen für die Aufwertung des Ressorts beziehungsweise die Umwandlung des Staatssekretariats in ein Frauenministerium stark. Nach einigem Zögern und Drängen gelingt dies: Anfang 1991 wird Johanna Dohnal als erste Frauenministerin Österreichs angelobt. Etwa zur gleichen Zeit wird auch die Einrichtung der Anwältin für Gleichbehandlungsfragen, aus der später die Gleichbehandlungsanwaltschaft hervorgeht, in den Zuständigkeitsbereich der Frauenministerin übertragen.
1993 tritt das vom Büro der Frauenministerin ausgearbeitete Bundes-Gleichbehandlungsgesetz für den öffentlichen Dienst in Kraft.
Nachdem die SPÖ bei den Wahlen 1994 erhebliche Verluste hinnehmen muss, entschließt sich Bundeskanzler Vranitzky, das Regierungsteam zu "verjüngen". Anfang April 1995 endet Johanna Dohnals Tätigkeit als Regierungsmitglied. Im Herbst desselben Jahres legt sie den Vorsitz der SPÖ-Frauen zurück. Ein Viertel Jahrhundert Politik sei genug, erklärt sie; sie wolle den reichen Schatz ihrer Erfahrungen aus einiger Distanz auswerten, auch wenn sie es vermissen werde sich einzumischen (Ö1 Mittagsjournal, 30.8.1995).
Engagement nach Regierungstätigkeit
Fallweise ist Johanna Dohnal auch in ihrem Ruhestand intensiv politisch tätig. Sie unterstützt das Frauenvolksbegehren 1997 und fünf Jahre später das Volksbegehren Sozialstaat, und sie empört sich öffentlich über den Umgang mit Asylanten und "Schubhäftlingen".
Zu ihrem 65. Geburtstag schenken ihr die SPÖ-Frauen Teilstipendien für Studentinnen, die zum Thema Geschlechtergerechtigkeit forschen (heute: Johanna-Dohnal Förderpreise). 2005 wird sie zur "Bürgerin der Stadt Wien" ernannt, 2009 wird ihr der Titel Professorin verliehen. Aus einer von ihr am Institut für Politikwissenschaft und Soziologie in Innsbruck gehaltenen Vorlesungsreihe geht das Buch Johanna Dohnal - Innenansichten österreichischer Frauenpolitiken (2008) hervor.
Am 20. Februar 2010 stirbt Johanna Dohnal - ganz plötzlich – in ihrem Haus in Mittergrabern (NÖ). Dort hatte sie mit ihrer langjährigen Partnerin Annemarie Aufreiter gelebt, mit der sie einige Wochen zuvor eine eingetragene Partnerschaft eingegangen war. Die rechtliche Möglichkeit dafür bestand erst seit Jänner dieses Jahres.
2011 erfolgt die Benennung einer städtischen Wohnhausanlage in Penzing (Jenullgasse 18 bis 26) in Johanna-Dohnal-Hof, und 2012 wird im 6. Wiener Gemeindebezirk ein Platz nach ihr benannt. 2013 erscheint "Johanna Dohnal - Ein politisches Lesebuch", das Reden der wohl bekanntesten österreichischen Frauenpolitikerin einem breiten Publikum zugänglich macht und ihre politische Arbeit in einen zeitgeschichtlichen Zusammenhang stellt.
Wichtige frauenpolitische Errungenschaften zur Zeit Johanna Dohnals
- Straffreiheit für Schwangerschaftsabbruch (1975)
- Familienrechtsreform (1976 bis 1978)
- Österreichs erstes Frauenhaus in Wien (1978)
- Novellierungen des Gleichbehandlungsgesetzes für die Privatwirtschaft (1979 ff.)
- Förderungsprogramm für Frauen im Bundesdienst (1981)
- Mutterschutz für Bäuerinnen und Selbständige (1982)
- Einvernahme von weiblichen Opfern eines Sexualdelikts durch Kriminalbeamtinnen (1983)
- Vergewaltigung in der Ehe als Straftatbestand (1989)
- Beseitigung der Amtsvormundschaft für unehelich geborene Kinder (1989)
- Verweis eines gewalttätigen Ehepartners aus der Wohnung (1990)
- Elternkarenz (1990)
- Bundes-Gleichbehandlungsgesetz für den öffentlichen Dienst (1993)
- Einbeziehung des Krankenpflegepersonals in Nachtschwerarbeitsgesetz (1993)
Literatur
- Feigl, Susanne (2002): "Was gehen mich seine Knöpfe an? Johanna Dohnal. Eine Biografie.", Wien
- Kreisky, Eva; Niederhuber, Margit (Hg.) (1998): "Johanna Dohnal. Eine andere Festschrift.", Wien
- Mesner, Maria; Niederkofler Heidi (Hg.) (2013): "Johanna Dohnal - 
Ein politisches Lesebuch.", Wien
- Thurner, Erika; Weiss Alexandra (Hg.) (2008): "Johanna Dohnal - Innenansichten Österreichischer Frauenpolitik", Innsbrucker Vorlesungen. Innsbruck/Wien/Bozen
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