Eva Jantschitsch aka "Gustav"
Eva Jantschitsch wurde 2013 im Bereich "Musik" mit dem Wiener Frauenpreis ausgezeichnet.
"Über meine Musik erlaube ich mir Fragen zu stellen", erklärt Eva Jantschitsch – Fragen, die nicht selten eine grundlegende Skepsis gegenüber gesellschaftspolitischen Zuständen ausdrücken (Interview mit fm4, 5.5.2011). Die Antworten, die sie in ihren Songs und Kompositionen findet, sind dabei subtil und radikal gleichzeitig. Von ihrer Musik geht eine "Faszination" aus, wie die FAZ schreibt, "die Geist und Humor, Kunst und Kraft vereint und derzeit ihresgleichen sucht" (zitiert in: Begleitprogramm: Auf eigene Faust - Salzburger Festspiele).
Biografie
Eva Jantschitsch beginnt bereits früh damit, sich mit Musik auseinanderzusetzen. In ihrer Kindheit und Jugend spielt sie zunächst Geige und Klavier. Bereits bevor sie 1997 von Graz nach Wien zieht, um dort digitale Kunst und visuelle Mediengestaltung an der Universität für Angewandte Kunst zu studieren, gründet sie ihre erste Band. Hinter dem Namen EKG stehen die Anfangsbuchstaben der drei Mitglieder: Eva, Katrin und Gudrun. In späteren Bandformationen fühlt sie sich als Frau schließlich auf bestimmte Rollenbilder reduziert. Während ihre männlichen Bandmitglieder als Musiker und Programmierer angesprochen werden, wird sie von Publikum und OrganisatorInnen in erster Linie als Sängerin wahrgenommen. Ihre eigene kompositorische Leistung wird unter den Tisch gekehrt.
Gustav
Sie will sehen, wohin sie ihre eigenen Möglichkeiten führen. Eva Jantschitsch eignet sich die notwendigen Software-Kenntnisse an und entwickelt ein elektronisches Musikprojekt, dem sie den Namen Gustav gibt. Die Wahl dieses Künstlerinnennamens kommt dabei nicht von irgendwo: Ihr Vater hatte sich einen Sohn gewünscht und sie in den ersten Lebensjahren Gustav genannt. Die anfängliche Enttäuschung ihres Vaters stellt für sie aber keinen Grund zur Traurigkeit dar, sondern gibt ihr die Möglichkeit, Geschlecht als konstruiert zu begreifen und Irritation hervorzurufen.
Den ersten Auftritt hat Gustav 2002 beim Frauenbandfest im Wiener EKH (Ernst-Kirchweger-Haus). Zwei Jahre später kommt ihr erstes Album "Rettet die Wale" (2004) heraus. Den Großteil der Arbeit produziert sie dabei alleine auf ihrem Laptop, von zu Hause aus. Der gleich lautende Schlüsselsong des Albums, den sie heute bei Konzerten als Zugabe spielt, wird ein durchschlagender Erfolg. So überrascht es nicht, dass sie 2005 mit dem "Amadeus Austrian Music Award" als "FM4 Alternative Act des Jahres" ausgezeichnet wird.
Während sie sich selbst als professionelle Musikerin versteht, die mit Kunst ihren Lebensunterhalt verdienen will, widerstrebt ihr der Hype um ihre Person. Sie will in ihrer Selbstbestimmung nicht eingeschränkt werden, Starallüren liegen ihr fern. Gerade Gustav war als Projekt gedacht, das der Verwertungslogik des Musikbusiness nicht entsprechen sollte. Auch wenn sie damals oftmals von Freundinnen und Freunden hört, sie schulde der (männlich dominierten) Musikszene eine rasche Veröffentlichung des zweiten Albums, zieht sich Gustav zunächst zurück.
Neue Künstlerische Wege
Unterdessen schlägt Eva Jantschitsch neue künstlerische Wege ein und etabliert sich in den folgenden Jahren unter anderem als Komponistin in den Bereichen Theater, Film und Performance. Sie wirkt an der Musikgestaltung für Kathrin Rögglas Stück "draußen tobt die Dunkelziffer" mit, das die Schuldenthematik aufgreift und 2005 von Schorsch Kamerun am Wiener Volkstheater inszeniert wird.
2008 tritt sie im Wiener Brut in der queeren Burlesqueshow "Orlanding the Dominant" auf und arbeitet dort mit SV Damenkraft und den Sissy Boyz zusammen. Der Titel des Projekts enthält den Namen Virgina Woolfs Romanfigur Orlando, die ihr Geschlecht im Laufe des Geschehens wechselt und von einem Mann zu einer Frau wird. In der Performance werden "Musical-, Hip-Hop-, Techno-, Electronic- und Rock-Zitate (...) eingesetzt, um sexuelle Identitäten zu travestieren und durcheinander zu bringen" (zitiert aus: http://tanjawitzmann.com/tanjawitzmann_023.htm).
Zweites "Gustav"-Album
Im selben Jahr erscheint dann doch das nächste "Gustav"-Album. Wie zuvor schon in "Rettet die Wale" beweist die Künstlerin auch in "Verlass die Stadt" "politisches Rückgrat", wie es der Falter formuliert (Falter, 18.12.2012). Dieses drückt sich nicht selten durch eine Ironie aus, die sie über Brüche und Reibungen zwischen scheinbar unvereinbaren Elementen bewusst herstellt. So fasst sie in einer zarten und harmonischen Melodie (vertont unter anderem durch die "Trachtenkapelle Dürnstein") den beinharten Text von "Alles renkt sich wieder ein": "Mach aus den Städten Schutt und Asche / Ich will nie wieder Sonnenschein / Ein Menschenleben weg genügt nicht / Es müssen Gottesleben sein / Ich will die Kinder weinen hören / Die Mütter einsam flehn am Grab / Und keine Vögel solln mehr singen / Nur unsere Melodie erklingen".
Während der Ausgangspunkt von Gustavs Musik Elektro-Pop ist, baut sie auch andere Genres und Stilrichtungen ein, wie etwa Chanson oder Jazz. Sie mag die Schlager der 1950er- und 1960er-Jahre und versucht auch deren Klangwelt einzubringen. Sie analysiert die Konnotation von Klängen und interessiert sich dafür, wie das Gehirn auf diese reagiert beziehungsweise welche Emotionen sie auslösen. Dabei spielt sie gerade mit Klischees und versucht über eine eklektische Mischung von Bekanntem zu etwas musikalisch und inhaltlich Neuem zu kommen, wie sie in einem Interview gegenüber dem Musikmagazin "skug" erklärt (zitiert in: skug, 27.3.2013). Schwülstigkeit und Reduktion zusammenzubringen, das findet sie spannend.
Kompositionen und Auszeichnungen
Neben ihren Auftritten als Gustav (live wird sie von Elise Mory und Oliver Stotz begleitet) komponiert sie unter ihrem bürgerlichen Namen weiterhin für das Theater. 2009 arbeitet sie an der Musik zu Inszenierungen am Wiener Akademietheater sowie am Münchener Residenztheater und tritt bei der Eröffnung der Wiener Festwochen auf.
2011 komponierte sie für den Faust-Schwerpunkt der Salzburger Festspiele den Liederzyklus "Unterhaltungsmusik zur Suche nach Erkenntnis". Basierend auf Goethes Werk interpretiert sie dabei Texte neu und vertont sie. Für ihre Kompositionen zu Ferdinand Raimunds "Der Alpenkönig und der Menschenfeind" wird sie 2013 für den Österreichischen "Nestroy"-Theaterpreis nominiert.
Im selben Jahr wird sie für die Musik zu "Grenzgänger" mit dem "Österreichischen Filmpreis" ausgezeichnet. Florian Flickers Geschichte eines jungen Paares, das Menschen nächstens die österreichisch-slowakische Grenze zu überqueren hilft, ist Jantschitsch erstes Spielfilmprojekt. Zuvor hatte sie bereits Musik für Dokumentarfilme komponiert, wie etwa "5 1/2 Roofs" (2006) über Londoner Hausbesetzungen oder "Gangster Girl" (2008), der im österreichischen Frauengefängnis Schwarzau spielt. In Mirjam Ungers Doku "Oh Yeah, She Performs!" (2013), die vier junge Frauen porträtiert, die sich in einer männlichen Musikszene behaupten, wird sie schließlich selbst zur Protagonistin.
Eva Jantschitsch aka Gustav erhält den Frauenpreis der Stadt Wien für ihre kritische und emanzipatorische Auseinandersetzung mit Geschlechterstereotypen. Ihre Kritik an vorherrschenden Frauenbildern kann etwa aus Songs wie "Total Quality Woman" herausgehört werden. Während sie sich selbst innerhalb einer dritten Frauenbewegung verortet, baut sie dabei auf den vorausgegangenen beiden Frauenbewegungen auf und hat den Anspruch, deren Kämpfe um politische Partizipation und Selbstbestimmung weiter zu tragen, wie sie anlässlich der Preisverleihung 2013 erklärt. Die Worte und Klänge, die sie dafür als Medium wählt, sind alles andere als banal und lassen Raum für Interpretation offen.
Ausgewählte Musik von Gustav/Eva Jantschitsch
- Rettet die Wale (2004), Album (Mosz)
- Verlass die Stadt (2008), Album (Chicks on Speed Records)
- Unterhaltungsmusik zur Suche nach Erkenntnis (2011), Auftragswerk der Salzburger Festspiele
Weiterführende Informationen
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