Landtag, 22. Sitzung vom 26.04.2023, Wörtliches Protokoll - Seite 52 von 55
zieht sich ein bisschen wie ein Strudelteig, weil doch einiges an Blenden und Polemik zu hören ist wie gerade eben, einiges an Unwahrheiten und Sachwidrigkeiten. Persönliche Erlebnisberichte waren auch dabei - auch nett -, spannende und kreative juristische Auslegungsmethoden habe ich gehört.
Worum geht es eigentlich? - Es ist ein Dringlicher Antrag betreffend Novellierung der Verfassung der Bundeshauptstadt Wien - Reform der Bestimmungen über die Notkompetenzrechte des Bürgermeisters und des Stadtsenates - ein Dringlicher Antrag, gespickt mit konkreten Vorschlägen, die so gar nicht in die Logik unserer Wiener Stadtverfassung passen.
Diese zusätzlichen Punkte, die Sie anführen, würden mit Sicherheit zu mehr Unklarheit und zu mehr Rechtsunsicherheit führen, als jetzt nicht mehr bestehen, denn diese Bestimmungen, die Sie hier ansprechen - die Notkompetenz des Stadtsenats und die Notkompetenz des Bürgermeisters - wurden erstmals wortident wie heute vor 103 Jahren kundgemacht, und zwar damals im November 1920 im ersten Wiener Gesetzesblatt. Diese Stadtverfassung ist also ein Fels in der Brandung und richtet sich sicher nicht nach einer ÖVP-Kampagne oder nach irgendwelchen Spindoktoren, die sagen, was der ÖVP jetzt vielleicht irgendetwas bringt. (Beifall bei der SPÖ.)
Ich möchte mich jetzt noch einmal mit der Notkompetenz befassen, denn es klingt dann so: Wien an Bürgermeister: Notkompetenz, Wahnsinn, irgendwie. Das würden Sie gerne so dastehen lassen. So ist das überhaupt nicht. Es gibt die Notkompetenz für Bürgermeister und Bürgermeisterinnen in allen acht anderen Bundesländern. Es ist kein Wiener Spezifikum. Es gibt vergleichbare Regelungen in allen Gemeinden und Stadtrechten aller acht Bundesländer. (Abg. Dr. Jennifer Kickert: Stimmt nicht!)
Notkompetenzen sind notwendig, damit die Gemeinden rasch Entscheidungen zur Abwehr von Krisen, Engpässen und Notsituationen treffen können, so geschehen zum Beispiel im Rahmen eines Soforthilfebeitrags Wiens zur Linderung der humanitären Krise in der Ukraine oder im Rahmen der Corona-Pandemie, zum Beispiel betreffend Massentestungen. (Abg. Mag. Manfred Juraczka: Das hätte jetzt aber keiner in Zweifel gezogen! - Abg. David Ellensohn: Alle wollen das!)
Auf Bezirksebene gibt es übrigens auch eine Notkompetenz. Das finde ich durchaus spannend, dass das in Ihrem Antrag nicht vorkommt, aber vielleicht ist das jetzt nicht interessant oder wie auch immer.
Zusammenfassend: Es ist also eine ganz gängige und geübte Verwaltungspraxis in ganz Österreich, um Krisen von den Gemeinden und den Menschen fernzuhalten. Alle Fraktionen hier im Haus kennen die gängige Praxis bei der Ausübung der Notkompetenz und kennen vor allem die gängige Praxis, dass die Notkompetenz eng ausgelegt und sehr selten gezogen wird und dass die betreffenden Akten von diversen Stellen geprüft und begründet werden.
Im Falle der Energiekrise, des Black Friday und der in der Untersuchungskommission untersuchten Notkompetenz des Bürgermeisters war nach der Geschäftseinteilung des Magistrats die zuständige Dienststelle MA 5 zuständig, um zu beurteilen, ob es dringend notwendig ist, hier ein Handeln zu setzen, um gravierende Nachteile für alle Wienerinnen und Wiener hintanzuhalten. Sie wissen, wie die Rahmenbedingungen waren. Der Finanzdirektor hat es auch sehr gut ausgeführt, und insbesondere Sie, Herr Wölbitsch, haben ihn ja auch selbst befragt. Es steht außer Zweifel, dass es ein hohes Risiko gab, dass die Dringlichkeit gegeben war und dass die Notkompetenz zu ziehen war. (Beifall bei der SPÖ und von Abg. Mag. Bettina Emmerling, MSc.)
Wieder: Sie, Herr Wölbitsch, kennen den Verwaltungslauf. Die MA 5 hat also die gesamten Unterlagen vorbereitet, natürlich mit vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und mit vielen Leuten, die sich da wirklich gut auskennen. Die Unterlagen wurden freigegeben, der Prozess genehmigt. Weiter geht es. Dann kommt der Videndenlauf, zuerst die Buchhaltungsabteilung, die die korrekte Verbücherung prüft, dann geht es weiter ins Büro des Herrn Finanzstadtrats. Dort wird wieder von mehreren Leuten geprüft. Dann kommt der Notkompetenzakt zum Verfassungsdienst. (Zwischenruf von Abg. Dr. Markus Wölbitsch-Milan, MIM.) Auch beim Verfassungsdienst sind wieder mehrere Top-Juristen damit befasst. Nach dem Verfassungsdienst geht der Akt zum Magistratsdirektor. Auch beim Magistratsdirektor gibt es wieder einen Genehmigungslauf. Dann geht der Akt zum Bürgermeister, der in diesem Fall das zuständige Organ ist, und auch der Bürgermeister hat einen Präsidialchef - übrigens einen Top-Juristen -, der diese Akten und diese Dinge natürlich noch einmal überprüft.
Und Sie fordern jetzt, dass die Notkompetenz begründet werden soll? Ernsthaft? Wirklich? (StR Karl Mahrer - erheitert: Ja, wirklich! - Abg. Dr. Markus Wölbitsch-Milan, MIM: Da könnte ja jeder kommen! - Abg. Wolfgang Irschik - erheitert: Der Magistrat soll etwas prüfen? Um Gottes Willen! Genau das gehört ...)
Die ist begründet. Die ist in all diesen Abläufen im Magistrat und in all diesen Zusammenhängen, die wirtschaftspolitisch und weltmarktpolitisch gegeben waren, ausführlichst begründet. Außerdem liegt es doch auf der Hand, dass die Ausübung einer Notkompetenz nur dann zum Zug kommt, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen gegeben sind, wenn diese Notkompetenz auch begründet ist und die Dringlichkeit vorliegt. Also, ich denke, es ist wirklich ein sehr durchsichtiges Ablenkungsmanöver, das Sie hier abziehen. (Beifall bei der SPÖ.)
Also ehrlich, Sie suchen und suchen den großen Skandal und werden nicht fündig, und jetzt plötzlich ist die Stadtverfassung schuld, eine Verfassung, die in diesem Wortlaut bei diesen beiden Bestimmungen das erste Mal 1920 kundgemacht wurde. (Abg. Mag. Caroline Hungerländer: Was ist denn das für ein Argument? 100 Jahre Rotes Wien?) Also, ich denke wirklich, dass dies eine Verwaltungspraxis ist und dass wir diese Notkompetenz brauchen. - Bitte, Sie kommen gleich zum RednerInnenpult und haben alle Möglichkeiten, mir zu widersprechen. (Abg. Ing. Christian Meidlinger: Nicht beleidigt sein!)
Also bitte, geschätzte ÖVP, nicht beleidigt sein. Die Stadtverfassung und die Wiener Stadtverwaltung halten, was sie versprechen: Schnelles und transparentes Handeln im Sinne der Wienerinnen und Wiener, um Krisen
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