Landtag, 17. Sitzung vom 23.11.2022, Wörtliches Protokoll - Seite 71 von 84
und Nicht-Österreicher sowie AlleinerzieherInnenhaushalte am stärksten armutsgefährdet.
Die Wiener Mindestsicherung weist eine den armutsgefährdeten Personen sehr ähnliche KundInnenstruktur auf. Im Gegensatz zu vielen anderen Bundesländern erreicht die Mindestsicherung in Wien auch deswegen die höheren Prozentsätze von armutsgefährdeten Personen und erfüllt damit ihre zentrale Funktion als Existenzsicherung vulnerabler Zielgruppen. Diesen Weg werden wir weitergehen. Während in Wien immerhin 35 Prozent der armutsgefährdeten Personen durch die Mindestsicherung unterstützt werden, liegt dieser Prozentsatz in anderen Bundesländern zwischen 5 Prozent und 13 Prozent. In Niederösterreich, wo ja bekanntlich der Herr Soziallandesrat von der FPÖ gestellt wird, liegt der Anteil bei mageren 9 Prozent. Ich glaube, diesen Weg sollten wir in Wien nicht gehen!
Wir haben bereits darauf hingewiesen, dass das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz eine völlig unzureichende Grundlage darstellt, um Menschen in Notsituationen eine entsprechende Absicherung zu geben. Während die 15a-Vereinbarung über die Bedarfsorientierte Mindestsicherung noch das Ziel hatte, zur verstärkten Bekämpfung und Vermeidung von Armut und sozialer Ausschließung beizutragen, ist die schwarz-blaue Sozialhilfe nur mehr ein Zuschuss zum Lebensunterhalt, aber sicherlich kein Instrument der Armutsbekämpfung. Wenig überraschend wurden zentrale Elemente vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben, und weitere Aufhebungen drohen zu folgen. So führte die FPÖ gemeinsam mit der türkisen ÖVP eine degressive Kinderstaffelung ein, die schon von einer Vorrednerin erwähnt wurde, welche ab dem 3. Kind nach derzeitigem Wert nur mehr 1,58 EUR pro Tag an Unterstützung vorgesehen hätte und damit unzählige Kinder in die Armut gestürzt hätte. Mit der Wiener Mindestsicherung wird hingegen ein wichtiger Beitrag im Kampf gegen Kinderarmut geleistet. Jedes Kind, egal, ob es das erste oder das dritte ist, erhält in Wien gleich viel, nämlich 264 EUR. Wien hat den höchsten Richtsatz für Kinder im Bundesländervergleich. Auf den sogenannten Arbeitsqualifizierungsbonus wird dann die Nachrednerin meiner Fraktion noch einen kurzen Hinweis geben.
Verfassungskonforme und armutsvermeidende grundsatzgesetzliche Regelungen wurden bereits im Wiener Mindestsicherungsgesetz umgesetzt. So wurde der in der Anfrage angesprochene Behindertenbonus bereits 2020 implementiert. Der Zuschlag für AlleinerzieherInnen wird durch höhere Mindeststandards für Kinder ausgeglichen, und diese kommen allen Kindern in Mehrkindfamilien zu Gute. Weiters wurden auch die Vermögensregelungen sowie Ausnahmen von der Einkommensanrechnung analog zum Sicherungsgrundgesetz ausgestaltet. Das sind Änderungen, die von Kollegen Seidl in diesem Haus in der Vergangenheit ausdrücklich begrüßt wurden.
Lassen Sie mich zum Schluss noch zu gewissen Bundesländervergleichen kommen, damit diese auch richtig dargestellt werden. Auch die wiederholte Forderung der FPÖ-Wien, man müsse ÖsterreicherInnen bei der Mindestsicherung Vorrang geben, ist ebenso irritierend wie EU-rechtswidrig, da Personen mit rechtmäßigem Aufenthalt in der Regel gleichzustellen sind und eben nicht diskriminiert werden dürfen. Das wäre die nächste zu erwartende Niederlage der FPÖ vor dem Verfassungsgerichtshof. Die durchschnittliche Bezugsdauer, die heute auch schon angesprochen wurde, ist übrigens kein Indiz für Missbrauch, sondern spiegelt vielmehr die schwierige Lage von schlechtqualifizierten und arbeitsmarktfernen Personengruppen wider. Mit 9,5 Monaten liegt Wien sehr nahe an den durchschnittlichen Bezugsdauern. Im Burgenland beträgt die Bezugsdauer durchschnittlich 9,2 Monate, in der Steiermark und in Tirol 8,3 Monate sowie in Niederösterreich 8,5 Monate.
Geschätzte Damen und Herren! Ich glaube, wir haben in zahlreichen Diskussionen in Aktuellen Stunden und im Rahmen diverser Anfragen an den Herrn Landesrat dieses Thema bearbeitet, besprochen und diskutiert. Wir werden uns von Ihnen nicht beirren lassen und diesen, wie wir meinen, vernünftigen Weg weitergehen. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)
Präsident Ernst Woller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr StR Nepp. Ich erteile ihm das Wort.
StR Dominik Nepp, MA: Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Lassen Sie mich eingangs kurz auf meine Vorredner eingehen. Kollege Konrad von den NEOS hat eigentlich keine der wichtigen Fragen zur Mindestsicherung beantwortet. Das Einzige, womit er hier herausgekommen ist, war die Rassismuskeule. Er hat die Rassismuskeule geschwungen. Ich meine, es ist ein Armutszeugnis, und zwar insbesondere ein intellektuelles Armutszeugnis, dass Sie die wichtigen Fragen nicht beantworten können und wollen, nämlich: Wie finanzieren wir in Zukunft das System der Mindestsicherung? Wie unterscheiden wir zwischen den verschiedenen Personen? Auch ich sage, dass die Mindestsicherung ein wichtiges Instrument für viele ist, die unverschuldet in eine schwierige Situation kommen. Wie aber trennen wir die, die es wirklich brauchen und bemüht sind, wieder in den Arbeitsprozess einzusteigen, von denen, die nur hier herkommen, um zu schmarotzen? - Diese Fragen wollen oder können Sie nicht beantworten, meine sehr geehrten Damen und Herren von den NEOS!
Auf der anderen Seite hat sich Rot-Grün beziehungsweise haben sich Frau Spielmann und Herr Wagner darüber aufgeregt und gesagt: Immer wieder kommen Sie mit diesem Thema! - Ja! Wir werden nicht müde, dieses Thema immer wieder zu debattieren, bis endlich eine verfassungsrechtlich konforme Umsetzung erfolgt, die Mindestsicherung in Wien endlich dem Sozialhilfe-Grundgesetz des Bundes folgt und Herr StR Hacker nicht ständig meint, dass er es nicht verfassungsmäßig umsetzen möchte. (Amtsf. StR Peter Hacker: Das stimmt ja nicht! Das ist vollkommen falsch! Zuhören!) Was ist denn das für ein Stadtrat, der auf die Verfassung pfeift und dieses Gesetz bewusst verfassungswidrig bleiben lässt? Kommen Sie einmal wieder auf den Boden der Verfassung zurück! (Beifall bei der FPÖ.)
Und dann kommt immer wieder das Totschlagargument. Frau Spielmann ebenso wie Herr Wagner haben
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