Landtag, 16. Sitzung vom 19.10.2022, Wörtliches Protokoll - Seite 14 von 61
zum Beispiel aus Syrien und Afghanistan haben einen viel höheren Anreiz und auch eine höhere Bereitschaft, die österreichische Staatsbürgerschaft zu beantragen. Dementsprechend sehen wir auch in dieser Gruppe einen Anstieg.
Wir sehen eine zweite Dynamik durch den Krieg in der Ukraine. Da sehen wir, dass seit Beginn des Krieges die Anträge und vor allem die Anfragen nach Terminen stark gestiegen sind. Meine Analyse: Nein, es sind nicht Personen aus der Ukraine, weil die erst neu hier sind, aber so eine Kriegssituation zu Unsicherheit bei unterschiedlichen ethnischen Gruppierungen führt. Und diese Unsicherheit führt auch dazu, dass man sich dann die Frage stellt, ob man nicht die österreichische Staatsbürgerschaft annehmen möchte.
Dementsprechend sehen wir einen Anstieg, den wir dahin gehend auch abwickeln möchten, dass es einerseits Personalaufstockungen schon gab und auch noch geben wird, weil wir davon ausgehen, dass dieser Trend anhalten wird. Zusätzlich sind noch Aufgaben dazugekommen, wie § 58c, die Einbürgerung von Opfern des NS-Regimes und deren Nachfahren, die Wien zu stemmen hat.
Das heißt, einerseits gibt es Personalaufstockungen und auf der anderen Seite einen sehr, sehr weitreichenden Reformprozess mit insgesamt 21 Teilreformprojekten, wo vor allem das Thema Staatsbürgerschaft einen sehr, sehr großen Schwerpunkt einnimmt, weil die Stundenanzahl für die Verfahren sehr, sehr lange sind. Sie sind sehr komplex, und das Anliegen ist, auch im Bereich der Staatsbürgerschaft die Verfahren im Rahmen der Rechtsmöglichkeiten des Bundesgesetzgebers noch zu vereinfachen.
Ein Bereich der Reformen ist beispielsweise auch, unter Zusammenarbeit mit NGOs und Rechtsanwaltskanzleien zu schauen, wo wir Verfahrensschritte im Rahmen des Rechtsrahmens vereinfachen können, um hier noch effizienter in der Abwicklung von allen Verfahren zu werden, um in Zukunft mehr Verfahren abwickeln zu können, weil wir davon ausgehen, dass es auch langfristig notwendig sein wird.
Wir haben insgesamt in den letzten 8 Jahren eine Steigerung der Staatsbürgerschaftsverfahren von ungefähr 100 Prozent, und da sind die Verfahren, die auf Grund des § 58c gemacht werden, nicht mit einberechnet. Wenn man diese einberechnet, kommen nochmal deutlich mehr dazu.
Wir sehen einen stetigen Trend. Notwendig wären gesetzliche Veränderungen, um die Abwicklung der Verfahren vereinfachen zu können. Ganz unabhängig von der ideologischen Diskussion, ob man insgesamt den Zugang zur Staatsbürgerschaft vereinfachen möchte, wird es bei diesem hohen Aufkommen auch notwendig sein, die gesetzlichen Rahmenbedingungen dahin gehend zu verändern, dass die Abwicklung der Verfahren schneller und rascher geht.
Präsident Ing. Christian Meidlinger: Die 1. Zusatzfrage kommt von der ÖVP und wird von Frau Abg. Hungerländer gestellt. Bitte.
Abg. Mag. Caroline Hungerländer (ÖVP): Wir haben das auch im Ausschuss vorbesprochen, ich denke aber, es ist derartig interessant, dass es auch hier im Plenum alle hören sollen. Was im Ausschuss auch ein bisschen angedeutet wurde, ist die Zahl der potenziell berechtigten Personen, die eine Staatsbürgerschaft beantragen könnten. Jetzt weiß ich, dass das unmöglich genau geschätzt werden kann, weil es eben so komplex ist. Haben Sie aber vielleicht eine Annäherung, wie viele Personen in etwa anspruchsberechtigt sein könnten?
Präsident Ing. Christian Meidlinger: Herr Landesrat, bitte.
Lhptm-Stv. Christoph Wiederkehr, MA: Das ist schwierig, weil ich selber die Daten nicht habe und diese auch nicht genau zur Verfügung stehen. Wir haben insgesamt die Zahl der ausländischen Staatsbürger in Wien, da sind wir jetzt bei über 620.000, die aktuell in Wien leben. Da muss man schauen, wie viele von denen schon 6 oder 10 Jahre hier sind. Wer welche Anforderungen schon erfüllt, ist sehr, sehr schwer festzustellen.
Wir haben, um uns dem anzunähern, auch eine Studie beauftragt gehabt, deren Ergebnisse auch schon vorliegen, nämlich wie viele Personen die Staatsbürgerschaft annehmen wollen, die möglicherweise antragsberechtigt sind, was die Motive dafür sind und ob es Unterschiede aus unterschiedlichen Herkunftsländern gibt. Das konnten wir klar feststellen, es sind sehr unterschiedliche Motive, die Staatsbürgerschaft anzunehmen und auch eine unterschiedlich starke Nachfrage bei der theoretischen Frage: Wollen Sie die Staatsbürgerschaft haben?
Es ist eher gegen die öffentliche Intuition: Diejenigen, die von weiter her kommen oder aus Konfliktregionen kommen, geflohen sind, wollen eher die Staatsbürgerschaft bekommen und geben auch als Grund die mögliche Zugehörigkeit zum Land an. Ich sehe auch das Annehmen der Staatsbürgerschaft als schönen Schritt in Richtung Integration.
Wie viele von diesen 600.000 die Antragsvoraussetzungen mitbringen, ist wirklich Kaffeesudlesen, weil auch die Ansprüche, um die Staatsbürgerschaft zu bekommen, doch relativ hoch sind, Einkommensnachweise relativ hoch sind. Ich gehe davon aus, dass viele von denen die Antragsberechtigung zwar theoretisch haben, aber nicht die Voraussetzungen erfüllen. Wir bemühen uns gerade darum, da auch zu erleichtern, den Personen auch ein erstes Feedback zu geben, ob sie theoretisch eine Staatsbürgerschaft bekommen können, indem wir in Kürze einen Fragebaum veröffentlichen werden, wo man sich selber durchklicken kann, um auch vor dem Beginn des Verfahrens festzustellen, ob es sich überhaupt auszahlt, weil natürlich viele auch ein Verfahren einleiten, wo dann relativ schnell klar ist: Das wird nichts, weil die Voraussetzungen fehlen. Es ist auch ein Ziel vom Reformprozess, schon frühzeitig im Verfahren, oder besser noch davor, draufzukommen, ob es überhaupt eine theoretische Aussicht auf Erteilung der Staatsbürgerschaft gibt.
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