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Landtag, 5. Sitzung vom 24.06.2021, Wörtliches Protokoll  -  Seite 54 von 93

 

Erstens geht es um die Bekämpfung von Armut, auch strukturell und hinsichtlich der Maßnahmen unterschiedlicher Institutionen. Das beinhaltet jedenfalls, dass der Zustand der Arbeitslosigkeit von uns abgelehnt wird. Das heißt: Unter dem Titel der Bekämpfung von Armut und Arbeitslosigkeit streben wir an, dass möglichst rasch möglichst alle Menschen einen möglichst qualitativ hochwertigen und gutbezahlten Arbeitsplatz bekommen. Das ist das Ziel sozialdemokratischer Sozialpolitik.

 

Das ist es, was wir tun wollen und warum wir diese Übung heute hier vornehmen. Es geht um die Vermittlung in den Arbeitsprozess. Und ich sage jetzt ganz deutlich dazu: Wenn ich von Vermittlung in den Arbeitsprozess spreche, dann meine ich damit den ersten Arbeitsmarkt und nicht irgendwelche karitativen oder sonstigen Maßnahmen und dergleichen mehr. Ich meine damit die volle Erwerbstätigkeit jedes Mannes, jeder Frau, jedes Jugendlichen, die damit in die Lage versetzt werden, für sich selbst und ihre Lieben zu sorgen, also unabhängig zu sein. Das ist das Ziel der Sache: Hilfe zur Selbstständigkeit.

 

Das geht jetzt sowohl an die christliche als auch an die andere Seite. Seien Sie mir nicht böse, aber ich habe manchmal den Eindruck, dass es eine gewisse bürgerlich romantische Vorstellung gibt, dass es ein Klientel gäbe, um die man sich zu kümmern hätte und die man sich demzufolge auch ewig erhalten möge. - Das ist der Weg in die Unmündigkeit, meine Damen und Herren! Das will ich nicht.

 

Ich zeige Ihnen das an einem Beispiel. Vor vielen Jahren haben wir es für richtig befunden, uns um die Punks zu kümmern. Das ist eine schwierige Gruppe. Kaum waren diese imstande, für sich selber zu sorgen, habe ich sie blutenden Herzens verlassen - der Herr Landesrat wird sich entsinnen - und mich nicht mehr mit ihnen getroffen, weil sie eben für sich selber sorgen und sich selbst um alles kümmern konnten. Das hat auch gewirkt, und was dort gegangen ist, geht hier auch. Das heißt, es geht hier um die Frage, die Menschen in die Lage zu versetzen, sich selbst zu helfen, und dabei auch die gesamte Expertise unserer Einrichtungen zu verwenden.

 

Meine Damen und Herren! Etwas ist in diesem Zusammenhang heute mehrfach gekommen, und ich kläre einen Denkfehler auf. Die Mindestsicherung, die wir in Wien auszahlen, beträgt 712,10 EUR pro Monat, das sind 75 Prozent des 100-prozentigen Höchstsatzes, und den 100-prozentigen Höchstsatz erhält man dann, wenn man bestimmte Bedingungen erfüllt. Wenn man also sagt, dass die Auszahlung von 75 Prozent eine Kürzung darstellt, dann ist das falsch gedacht. Eine 100-prozentige Auszahlung ist eine Erhöhung und ein Anreiz. Das spielen wir jetzt stärker aus. Wenn Sie sagen, dass wir den Leuten, die die Grundbedingungen für 100 Prozent nicht erfüllen, etwas nehmen und sie über einen längeren Zeitraum in einem System lassen, dann erweckt das den irrigen Anschein, als wären diese 100-ige Regelung der Normalfall und die 75 Prozent eine Kürzung. Das sagen Sie hier dauern, es ist aber genau umgekehrt. Die 75 Prozent sind der untere Level, und wenn jemand in einer Maßnahme, in einem Kurs oder einer Beschäftigung ist, dann kommt er auf 940,46 EUR. Das ist die Wahrheit. Und wenn von einer Kürzung geredet wird, dann ist das Propaganda, meine Damen und Herren. Vicky! Ich mag dich, aber in diesem Fall ist das schlechte Propaganda und das lasse ich mir so nicht sagen. Das möchte ich hier ganz klar anmerken.

 

Es geht immer darum, dass man den Menschen Freiheit schenkt. Man muss ihnen die Möglichkeit geben, ihr Schicksal in die eigene Hand zu nehmen. Darum geht es und um nichts anderes.

 

Zur Frage des Beschäftigungsbonus plus: Dieser bleibt natürlich, nur in einer besseren Konstruktion. Bis jetzt war das eine Prämie: Unter- oder Über-25-Jährige haben einmalig eine Prämie ausbezahlt bekommen, wenn sie eine Arbeit angenommen haben. Das war zugegebenermaßen keine sozialdemokratische Idee, und sie ist aus meiner Sicht auch schlecht, weil es absolut komisch ist, jemandem, um den man sich bemüht und der auch in einen Arbeitsplatz will, dann eine Prämie zu geben. Gleichzeitig hat das alte System vorgesehen, dass jemand, wenn er dann endlich arbeitet und eine Arbeitnehmerveranlagung hat, diese Arbeitnehmerveranlagung zu 100 Prozent auf die Mindestsicherung angerechnet bekommen hat und diese somit gemindert wurde. Das heißt, die Arbeitnehmerveranlagung ist aufgefressen worden durch die Minderung der Mindestsicherung. Das ändern wir, weil das ganz unlogisch ist. In Zukunft ist es so, dass wir die Arbeitnehmerveranlagung, die für über 10.000 Betroffene übrigens automatisch ausbezahlt werden wird, nicht mindernd einführen werden. Dafür fällt diese Ausbezahlung von 990 EUR einmalig im Leben weg. Und das betrifft insgesamt überhaupt niemanden, denn die 60 Leute, die das beantragt haben, haben es schon erhalten und bekommen den Benefit der Arbeitnehmerveranlagung, und die anderen 10.000 minus 60 haben es nicht beantragt.

 

In diesem System gibt es keinen Verlierer, meine Damen und Herren. Es gibt aber 10.000 Gewinnerinnen und Gewinner, nämlich die, die in Zukunft eine ganze Menge von Anrechnungen auf die Mindestsicherung nicht mehr haben und somit ein höheres Einkommen, und das ist gut für die Leute. Das ist die Wahrheit, über die wir heute diskutieren.

 

Das betrifft auch die sogenannte Vier-Monats-Regelung. Diese war gedanklich niemals erfunden als Orientierungsphase, sondern sie war geschuldet der Angst, dass es keine Kursmaßnahmen und keine Betreuung gibt. Jetzt sieht die neue Regelung - und das ist übrigens auch die alte Regelung - wie folgt aus: Jemand kommt in die Situation der Mindestsicherung. Er oder sie erhält die von mir bereits erwähnen 712,10 EUR, also 75 Prozent. In dem Moment, wo jemand hergeht und für den Arbeitsmarkt befähigt und gewählt ist, eine Kursmaßnahme macht, einen Job annimmt oder sonst irgendetwas, wird automatisch auf 25 Prozent aufgestockt, als Motivation und Anreiz dafür, dass Leute in diese Maßnahmen hineingehen, in diesen Maßnahmen bleiben und diese Maßnahmen auch vollenden. Und das ist ihr Interesse, meine Damen und Herren, das ist kein Zwang.

 

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