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Landtag, 5. Sitzung vom 24.06.2021, Wörtliches Protokoll  -  Seite 50 von 93

 

gegen das türkis-blaue Sanktionsdeckelungs- und Sanktionierungskürzungsregime positioniert haben. All das bauen Sie mit diesem Abänderungsantrag heute ab, und das in einer Schnelligkeit und vor allem ohne Begutachtung. - Es ist wirklich enttäuschend, was hier passiert!

 

In Wien mit rot-grüner Regierung beziehungsweise mit grüner Regierungsbeteiligung war klar: Wir machen nicht Politik auf den Rücken der Ärmsten. Wir investieren in Menschen und bieten ihnen Perspektiven, vor allem den jungen Menschen. Wir haben gesagt, wir bestrafen nicht, sondern wir wollen 10.000 junge Menschen in Beschäftigung bringen. Vor allem wollen wir auch diese zentrale Anlaufstelle für Unter-25-Jährige schaffen, wo sowohl die MindestsicherungsbezieherInnen als auch die arbeitslosen Jugendlichen zusammenkommen. - Das ist dank Rot-Grün auch umgesetzt worden, und deswegen halte ich es für eine Frechheit, dass Sie uns vorwerfen, dass wir keine Early Intervention machen wollen. Natürlich wollen wir das, aber nicht mit Bestrafungs- und Kürzungssanktionen!

 

Dass Rot-Pink bei dem vorliegenden Antrag von einer Weiterentwicklung der Mindestsicherung spricht, ist wirklich eine Verhöhnung der armutsbetroffenen Personen, denn eigentlich ist genau das Gegenteil der Fall. Wohin die Reise geht, zeigt sich nämlich ganz deutlich, wenn auf der einen Seite positive Anreizsysteme wie eben der Beschäftigungsbonus plus abgeschafft werden und auf der anderen Seite Sanktionen und Kürzungen verschärft werden. - Ich hoffe wirklich sehr, dass viele SPÖ-WählerInnen heute zuschauen, weil diese echt wissen sollten, dass sie mit diesem Wahlverhalten nicht soziale Politik gewählt haben, sondern eine neoliberale Sanktionspolitik. Das ist wirklich ein Wahnsinn.

 

Ich habe es eh vorher schon gesagt: Das Absurdeste ist vor allem der Zeitpunkt der Novelle. Wir haben gerade die zweite und tatsächlich größte Wirtschaftskrise der Zweiten Republik. Liebe KollegInnen von der SPÖ! Sie wissen doch ganz genau - und eigentlich auch Sie von den NEOS, denn so viel ökonomisches Wissen traue ich sogar Ihnen zu -, dass das jetzt gerade nicht funktioniert. Wir haben viel mehr Arbeitskräfte als Arbeitsplätze. Das ist im Übrigen immer so, denn der Kapitalismus schafft eben nicht für alle gleichzeitig gleichberechtigte Arbeit, sondern das ist extrem ungleich verteilt. Deswegen brauchen wir ein soziales Auffangnetz, damit in solchen Situationen entsprechend abgefedert werden kann. Das heißt: Es gibt diese Arbeitsplätze gerade nicht. Trotzdem wird aber starker Druck auf diese Menschen aufgebaut, obwohl es eben gerade im Moment viele Angebote gar nicht gibt. Und das ist wirklich unverständlich!

 

Ich gebe Ihnen natürlich recht, Jörg Konrad, dass das Problem tatsächlich darin besteht, dass man natürlich Leute in Beschäftigung bringen will. Das ist ganz klar. Wenn wir aber Leute in Beschäftigung bringen wollen, dann müssten wir auch wirklich einmal eine große und eindringliche Arbeitszeitdebatte führen, die die Sozialdemokratie übrigens im Bund führt. Und in Wien hätten wir eine progressive Mehrheit. In Wien hätten wir die Möglichkeit, sofort eine Arbeitszeitverkürzung bei den Stadt-Wien-Angestellten durchzusetzen und die Arbeitszeit endlich anders zu verteilen und damit natürlich auch die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Sie tun das jedoch einfach nicht! Stattdessen gehen Sie in eine neoliberale Koalition mit den Pinken und kürzen bei der Mindestsicherung. Das ist ein Wahnsinn!

 

Ja. Ich habe beim AMS gearbeitet, und ich weiß daher sehr genau: Verschärfungen, Kürzungen und Repression schaffen keine Perspektive, sondern sie erzeugen im Gegenteil mehr Armut, Ausgrenzung und Perspektivenlosigkeit. Das ist ja das ganze Problem an der Sache.

 

Als besonders dreist habe ich es auch empfunden, dass Sie mit diesem Initiativantrag wirklich eine Schnellschussaktion gemacht haben und es auch die Möglichkeit der Begutachtung nicht gab. Unter Rot-Grün gab es zehn Jahre lang diese gute Tradition, wichtige gesetzliche Änderungen, die so schwere Eingriffe bedeuten, tatsächlich auch begutachten zu lassen und sich von der Zivilbevölkerung und von den NGOs eine Expertise und Informationen zu holen, was diese denn zu diesem Vorschlag zu sagen haben. Ich verstehe das vor allen Dingen von den NEOS nicht: Ihr seid doch so sehr für Transparenz, wenn es aber jetzt darum geht, eine Begutachtung zu machen, tragt ihr das einfach mit und lasst es durchgehen. Ich verstehe das wirklich nicht!

 

Kommen wir jetzt noch zu den konkreten inhaltlichen Verschlechterungen. Das halte ich für wichtig, damit man es besser nachvollziehen kann.

 

Erstens: Im vorliegenden Initiativantrag wird der Beschäftigungsbonus plus abgeschafft. Was ist denn dieser Beschäftigungsbonus plus? Warum macht dieser Sinn? Warum ist das wichtig für ein positives Anreizsystem? - Es handelt sich dabei um eine einmalige Förderung von MindestsicherungsbezieherInnen, die dann zum Tragen kommt, wenn MindestsicherungsbezieherInnen es selbst schaffen, in eine Erwerbstätigkeit und über die Geringfügigkeitsgrenze zu kommen. Bei Unter-25-Jährigen muss diese Beschäftigung ein halbes Jahr lang ununterbrochen stattfinden und bei Über-25-Jährigen über ein Jahr lang.

 

Potenziell betrifft diese Kürzung zirka 100.000 BezieherInnen, die dadurch eben keinen Anspruch mehr auf diese Einmalzahlung von zirka 680 EUR bis 910 EUR haben. Argumentiert wird diese Kürzung damit, dass das zu wenig in Anspruch genommen wurde. Im Hinblick darauf frage mich wirklich auch selber, warum das so wenig in Anspruch genommen wurde, obwohl es so viele gibt, die das potenziell beziehen könnten. Warum? Wurde es nicht angeboten? Warum macht man keine automatische Auszahlung? Was ist da passiert? Da scheint es doch einen ziemlichen Systemfehler zu geben. Diese Lösung ist aber naheliegend, und deswegen ist es wirklich ein Wahnsinn, dass das abgeschafft und nicht anders in Anspruch genommen wird.

 

Die zweite Änderung haben wir eh schon besprochen: Die jungen MindestsicherungsbezieherInnen unter 25 müssen nun ab dem 1. Tag einer Notlage mit massiven Kürzungen rechnen. Es sind nun 237,40 EUR. Bis jetzt war sichergestellt, dass diese jungen Menschen in einer Notlage in den ersten vier Monaten mit keinen

 

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