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Landtag, 51. Sitzung vom 10.11.2020, Wörtliches Protokoll  -  Seite 8 von 8

 

die sich aber trotzdem das Wesen und den Charakter von kleineren Einheiten - einem Miteinander - bewahrt hat und dieser Atmosphäre der Anonymität von wirklichen Großstädten entkommen ist.

 

Tokio ist heute eine Stadt mit 38 Millionen Einwohnern, Jakarta 34 Millionen, Delhi 29 Millionen, Manila 23 Millionen, Mumbai 23 Millionen, Chongqing - eine Stadt, von der man kaum etwas weiß - 30 Millionen Einwohner, Schanghai 22 Millionen Einwohner. Das sind Größenordnungen, die einen schon sehr nachdenklich machen, die deutlich unter Beweis stellen, mit welchen neuen Herausforderungen wir es hier zu tun haben und wie sich das städtische Leben und die Gestaltung des urbanen Raums in den nächsten Jahren verändern werden.

 

Wir haben es hier mit völlig neuen Begriffen zu tun - den Begriffen der Megastadt, des megaurbanen Raums -, sie betreffen uns nicht wirklich, aber dennoch stellen sich einige Probleme auch im kleineren Rahmen. Es sind Probleme der Nachhaltigkeit, der Grundversorgung, des Verkehrs, der Bildung, Probleme der Segregation, der Armut, der Auswirkungen massiver Wanderungsbewegungen.

 

Im Rahmen der Europäischen Union ist Wien nicht nur die fünftgrößte Stadt, sondern auch ein starker politischer Akteur. Wien agiert nicht nur als Stadt in allen relevanten Programmen, sondern auch als Land im Ausschuss der Regionen. Wien ist gleichzeitig auch eine der diversesten Städte der Europäischen Union: 13 Prozent unserer Bevölkerung sind EU-Bürgerinnen und -Bürger, 17 Prozent Drittstaatsangehörige. Das ist ein demographischer Faktor, widerspiegelt aber auch wirtschaftliche und kulturelle Vernetzungen, Diversität und Vielfalt als Reichtum und Bereicherung unserer Gesellschaft und unserer Kulturen.

 

Seit 1995 ist Wien auch Mitglied von Eurocities, dem größten Netzwerk europäischer Großstädte. Es ist ein ganz wichtiges Werkzeug zur Positionierung und zur Vertretung der Städte auf europäischer Ebene, aber auch zur Erarbeitung gemeinsamer Programme, gemeinsamer Projekte und gemeinsamer Strategien. Wien ist in diesem Zusammenhang besonders aktiv in den Bereichen Public Services, Housing and Homelessness, also Wohnbau, und in der Nachbarschaftspolitik. Das entspricht der Geschichte, der Gegenwart und auch unserer Geographie.

 

Insgesamt zählt die Europäische Union zu den am stärksten verstädterten Regionen der Welt. Über 70 Prozent der europäischen Bürger leben in einem städtischen Gebiet und der globale Trend spiegelt sich daher auch auf der europäischen Ebene wider. Die Entwicklung städtischer Gebiete hat daher einen wesentlichen Einfluss auf die zukünftige nachhaltige Entwicklung der Union selbst und ihrer Bürger, wirtschaftlich, ökologisch und eben auch sozial.

 

Die immer komplexeren Herausforderungen brauchen lokale, aber auch regionale Strategien und sie brauchen überregionale, das heißt, europäische Strategien. Daraus resultiert die Notwendigkeit einer Städteagenda für die Europäische Union, die sich im sogenannten Pakt von Amsterdam von 2016 niedergeschlagen hat. Der Pakt von Amsterdam verbrieft eine stärkere Verankerung der städtischen Dimension in der Politik der Europäischen Union und wird als fortlaufender Prozess definiert, der sich ununterbrochen ändert und an neue Gegebenheiten anpasst.

 

Ich weiß, dass es im Moment ein bisschen heikel ist: Auch die UNESCO hat sich sehr mit den Problemen der Städte beschäftigt, und der Herr Landtagsvorsitzende hat mir gerade sein UNESCO-Archiv in seinem Büro gezeigt, das schon gewaltige Dimensionen angenommen hat. Ich erlaube mir aber trotzdem den Hinweis, dass eben nicht nur die EU, sondern auch die UNESCO sich dieses Themas angenommen hat.

 

Es gibt eine eigene UNESCO Cities Platform mit einer New Urban Agenda, die sich besonders mit dem Problem der Nachhaltigkeit beschäftigt, wofür ja die UNESCO als die Lead-Organisation in der Umsetzung der Entwicklungsziele verantwortlich ist. Sie hat auch, und das ist ein sehr interessanter Aspekt, den Begriff der Urban Landscape geprägt und beschäftigt sich unter diesem Titel mit der Vereinbarkeit von großen urbanen Konglomerationen mit historischen Kernen und mit der besonderen Verantwortung gegenüber den historischen Zentren.

 

Ich erlaube mir zu guter Letzt noch einen Hinweis: Es ist die Donau fast ein Synonym für Wien, Wien ist ohne die Donau eigentlich nicht zu denken und Donau und Wien gehören zusammen, ein quasi automatisches Begriffspaar. Ich selbst habe noch in meiner Tätigkeit im Außenministerium, als ich als Sektionsleiterin für europäische Integration zuständig war, eine Donauraumkooperation ins Leben gerufen und ich freue mich sehr, dass diese Donaustrategie, die wir damals im Jahr 2000 begonnen haben, jetzt eine EU-Strategie geworden ist.

 

Sie betrifft den Lebensraum von 118 Millionen Menschen in 14 Staaten, und Wien kommt in diesem Prozess eine bedeutende Koordinationsrolle zu. Ich erinnere an die Worte von Bürgermeister Seitz, die ich eingangs zitiert habe, über die historische Verantwortung Wiens auch gegenüber dem europäischen Osten und Südosten als kulturelles und politisches Zentrum und als Einfallstor für die Kontakte zum westlichen Europa.

 

In diesem Sinne, einen herzlichen Glückwunsch zu dieser denkwürdigen Entscheidung. Herzlichen Dank, dass Sie mir zugehört haben, und ich wünsche der Stadt Wien für die kommenden Herausforderungen alles, alles Gute. Danke.

 

(Allgemeiner Beifall.)

 

(Die Bundeshymne wird gespielt.)

 

(Die Europahymne wird gespielt.)

 

(Allgemeiner Beifall.)

 

Präsident Ernst Woller: Ich danke für Ihre Teilnahme. Normalerweise würden wir heute vielleicht mit einem Glas anstoßen, das ist aber leider nicht möglich. Ich darf Ihnen jedoch beim Hinausgehen ein kleines Präsent überreichen. Danke schön.

 

(Allgemeiner Beifall.)

 

(Schluss um 12.03 Uhr.)


 

 

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