Landtag, 48. Sitzung vom 25.09.2020, Wörtliches Protokoll - Seite 10 von 22
Eines der Länder, die es nicht haben, sind die USA. Die USA sind ja das Einwanderungsland per se, die USA vergeben ja auch die Staatsbürgerschaft beispielsweise per Geburt, aber selbst in den USA gibt es kein Ausländerwahlrecht, ja, es ist dort sogar noch strenger: Dort hat man das passive Wahlrecht für die obersten Ämter überhaupt nur, wenn man in den USA geboren ist. - Also es ist ja nicht so, dass Einwanderungsland gleichgesetzt werden muss mit Ausländerwahlrecht.
Wir sind ganz eindeutig der Ansicht, dass fünf Jahre Aufenthalt in Österreich viel zu wenig sind. Es darf der Meldezettel keinesfalls die Staatsbürgerschaft ersetzen. Fünf Jahre Aufenthalt in Österreich würde bedeuten, dass Personen, die 2015 nach Österreich gekommen sind - und wir wissen, welche Integrationsprobleme da bestehen - jetzt wahlberechtigt wären, und das hielten wir in höchstem Maße für unverantwortlich.
Sehr geehrte Damen und Herren! Auch wenn Sie da ein wenig auf die Wählerstimmen schielen, wie wir alle wissen: Ich glaube, da verschätzen Sie sich ein wenig, denn ich bezweifle, dass die Kollegen, die im 10. Bezirk die türkische Fahne schwenken und Erdogan die Treue schwören, wirklich eine Partei oder Parteien wählen, die für Feminismus und für Equality stehen. Ich glaube, Ihr Kalkül wird nicht ganz aufgehen.
Meine Damen und Herren, wir sagen, dass die Verleihung der Staatsbürgerschaft am Ende eines erfolgreichen Integrationsprozesses stehen muss. Das ist eine langfristige Entwicklung, denn bei einer Wahl werden auch langfristige Entscheidungen für das Gemeinwesen getroffen. Dieser Ansicht ist ja auch Ihr Herr Bürgermeister, dieser Ansicht ist ja auch Frau Rendi-Wagner, dieser Ansicht ist ja auch der burgenländische Landeshauptmann. Also wir sehen uns da in guter Gesellschaft und hoffen, dass diese Idee noch lange keine Umsetzung findet. - Vielen Dank.
Präsident Ernst Woller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abg. Kunrath. Ich erteile ihm das Wort.
Abg. Nikolaus Kunrath (GRÜNE): Sehr geehrte Damen und Herren! Werter Herr Präsident! Schönen Gruß auch an die Zuschauer am Livestream!
Ich muss heute der FPÖ ganz herzlich danken. Sie hat wieder einmal eindrucksvoll aufgezeigt, was uns unterscheidet, und ich möchte wirklich betonen: wieder einmal, leider.
Der Titel: „Integrationsverweigerung auf Kosten der Wiener Bevölkerung - Wien braucht ein Integrationsmaßnahmengesetz!“ - Ich wiederhole: „auf Kosten der Wiener Bevölkerung“, wie Herr Krauss ausdrücklich gesagt hat. Ich frage mich: Wer sind diese echten Wiener für Sie? (Ruf: Die Staatsbürger!) Wer ist denn damit gemeint? Alle? Wirklich alle? - Nicht so nach Meinung der FPÖ, und Herr Nepp bestätigt das ja gerade. Wien hat knapp zwei Millionen EinwohnerInnen. Nicht so aus Sicht der FPÖ, denn die FPÖ sieht ja 30 bis 40 Prozent weniger - das sind jene, die nicht österreichische Staatsbürger sind (Ruf: Die Einwohner …) -, denn für die FPÖ gibt es nur die echten, die unseren Wiener, also keine zugewanderten Personen. Hier wird klar exkludiert, weil gerne vergessen wird, dass Österreich - und, Frau Hungerländer, Sie haben das am Schluss Ihrer Rede auch gesagt - samt Wien als dessen Hauptstadt nicht erst seit Jahrzehnten ein Zuwanderungsland ist, sondern seit Jahrhunderten. Es gab nämlich einmal so ein Großösterreich, wenn Sie sich dunkel erinnern.
Übrigens: WienerInnen, von denen Sie sprechen, Herr Nepp und Herr Krauss, haben dann oft Großeltern aus den verschiedensten europäischen Ländern. Ich könnte genügend aufzählen. Und, Herr Kollege Damnjanovic, sorry, aber: Sie dürfen für die FPÖ-Politik offensichtlich reden, aber Sie werden von der FPÖ nicht als Wiener angesehen. Und da spreche ich noch nicht einmal von den 50 Prozent, die die Burschenschafter geflissentlich unter den Tisch fallen lassen, nämlich die Wienerinnen.
Aber was wäre Wien ohne diese Wiener und Wienerinnen, die Sie nicht als solche anerkennen wollen? Was würde das für das Pflegesystem in den Wiener Krankenhäusern oder für das Reinigungs- und das Putzsystem bedeuten? Oder, und da kann man abermals Herrn Kollegen Damnjanovic in Ihren Reihen sicherlich sehr Positives dazu erzählen, was wäre zum Beispiel der Wiener Fußball ohne zugewanderte Menschen?
Hier wird Integration ganz großgeschrieben, und zahlreiche Vorbilder sind in diesem Bereich in aller Kinder Munde und zeigen, wie wichtig solche sind. Nur zwei besonders erfolgreiche Sportler, die auch Ihnen sicherlich bekannt sind, seien einmal genannt: David Alaba und Marko Arnautović - eindeutig zugewanderte Kinder. (Ruf: ... ist überhaupt nicht zugewandert!)
Und apropos in aller Munde: Wir reden hier über Integration, und anstatt - ich sage es heute diplomatisch - populistische Plakate mit fiktiven Situationen der Bedrohung durch Burka tragende Frauen, wie ich meine, bewusst zu kreieren, sollten wir viel eher einer Frau zuhören, die zu diesem Thema Konstruktives zu sagen hat, nämlich Melisa Erkurt. Melisa Erkurt ist als Kleinkind mit ihrer Mutter aus dem Bosnien-Krieg nach Wien geflüchtet, hat ihren Abschluss an der Uni gemacht, wurde Deutschlehrerin, Journalistin und bezeichnet sich selbst trotzdem als Verliererin des Bildungssystems. Warum? - In ihrem aktuellen Buch „Generation haram“ - ich würde Ihnen übrigens sehr empfehlen, es einmal zu lesen - zeichnet sie ein ganz deutliches düsteres Bild, nämlich: Bildung wird in Österreich immer noch vererbt. Menschen wie sie (Zwischenruf.) - ach ja?, wer ist denn für Bildung verantwortlich gewesen in den letzten Jahren? - werden, wenn sie nicht gefördert werden, vom System aussortiert, jene Menschen übrigens, die die FPÖ exkludiert und als Nutznießer und Nutznießerinnen unseres Sozialsystems diffamiert. Dabei sind das all jene, die Berufe ausüben, die oftmals autochthone Österreicherinnen und Österreicher nicht machen wollen. Erst in der Covid-Pandemie wurde wieder einmal deutlich und für viele klarer, wie wichtig Pflegekräfte sind. Plötzlich stand im Lockdown fast alles still. Kurzzeitig waren aber die Pflegekräfte, die diplomierten Kranken- und Gesundheitspfleger und -pflegerinnen, die Lagerarbeiter sowie die Lagerarbeiterinnen in den Supermärkten im Mittelpunkt - oft leider danach nur mehr werbetechnisch. Die
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