Landtag, 38. Sitzung vom 27.06.2019, Wörtliches Protokoll - Seite 43 von 63
macht natürlich einen riesigen Unterschied, ob es dann zu einem Disziplinarverfahren beim Bundesverwaltungsgericht kommt oder ein solches Verfahren gar nicht erst zustande kommt, weil es vorher eingestellt wird.
Wie muss man sich das in der Praxis vorstellen? - In der Praxis muss man sich das so vorstellen, dass das Verwaltungsgericht zuständig ist, über alle Disziplinarverfahren von Wiener Beamten zu entscheiden, was immer man denen vorwirft. Es gibt einen Bescheid, es gibt eine Strafe, eine Sanktion, welcher Art auch immer, und dann sitzt der Richter des Verwaltungsgerichtes mit dem Beamten dort, der Beschwerdeführer ist, und auf der anderen Seite sitzt diese Disziplinaranwältin als Amtspartei. Diese Disziplinaranwältin kann aber über den judizierenden Richter entscheiden, ob irgendwann einmal auf Grund irgendeiner möglichen vermuteten Dienstverfehlung disziplinär Anklage erhoben wird oder nicht. Damit ist die Äquidistanz zu den beiden betroffenen Parteien in diesem Verfahren natürlich nicht mehr gegeben, und die Unabhängigkeit, die ja offensichtlich sein muss, bei der es ja nicht einmal den Verdacht einer Befangenheit geben darf, ist damit gefährdet. Wir wären gut beraten, auch diese Bestimmung zu überlegen, noch dazu, wenn die Mehrheit der Richter uns so deutlich darauf aufmerksam macht.
In der Vergangenheit haben die gesetzlichen Bestimmungen schon öfter den Verfassungsgerichtshof auf den Plan gerufen. Es hat schon viele Aufhebungen gesetzlicher Bestimmungen gegeben. Ich erinnere mich an Urzeiten, als die Spannungen noch viel größer waren, als sie im Augenblick glücklicherweise sind. Es ist schon Jahre und Jahrzehnte her, es war unter dem, ich darf ihn nennen, Stadtrat und späteren Landtagspräsidenten Hatzl, den Präsidenten vom Verwaltungsgericht nenne ich jetzt nicht, da ist die gesamte Geschäftsverteilung vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben worden, weil die Mehrheit der Richter zum Verfassungsgerichtshof gegangen ist.
Wir haben aber in den letzten Jahren trotzdem drei Aufhebungen von gesetzlichen Bestimmungen, und zwar sind das die Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes vom 3. März 2015, vom 10. Dezember 2013 und vom 14. Juni 2018. Dazu kommt eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. September 2015, in der festgestellt wird, dass die Nichtübernahme eines UVS-Mitgliedes durch das Land Wien rechtswidrig war.
Es ist nicht alles in bester Ordnung, ich glaube, dass die Politik, ich darf sagen, die rot-grüne Politik, da ein bisschen einen Nachholbedarf hat. Es geht hier um sehr ernste Angelegenheiten, es geht um die zentrale Rechtsschutzeinrichtung im Bereich der Stadt Wien, und die Unabhängigkeit dieser Einrichtung muss über jeden Zweifel erhaben sein.
Sehr geehrter Herr Präsident, nichtsdestoweniger, wenn ich jetzt auch einige kritische Worte gefunden habe, waren diese nicht gegen Sie gerichtet, sie waren gegen den politischen Partner in diesem Haus gerichtet, der diese Bestimmungen beschlossen hat. (Abg. Dr. Kurt Stürzenbecher: Das war mit deiner Stimme, soweit ich weiß!) Ich glaube, dass die Bestimmungen, die dort aufgehoben worden sind, sind nicht mit meiner Stimme beschlossen worden. Wir haben immer wieder auf diese problematischen Punkte aufmerksam gemacht, dass die Unabhängigkeit dieses Gerichtes außer jeder Frage stehen muss.
Nicht kritisiert wird von mir selbstverständlich auch die Arbeit des Verwaltungsgerichtes. Die ist sehr bemerkenswert, noch dazu, wenn sie so viel intensiver erfolgt als in allen anderen Bundesländern. Das wird in diesem Haus gewürdigt. Wir sagen ein großes Dankeschön.
Ich bin schon gespannt, was Sie uns sagen werden. Sie werden uns all das sagen, was Sie meinen und was Sie vom Land als Rechtsträger brauchen. Ich bin davon überzeugt, dass das Verwaltungsgericht weiterhin eine sehr gute Arbeit machen wird. Ich ersuche darum, den Dank auch allen Mitarbeitern zu bestellen, und wünsche alles Gute für die Zukunft. (Beifall bei der ÖVP.)
Präsident Ernst Woller: Zu Wort gemeldet ist Herr Abg. Ellensohn. Ich erteile es ihm.
Abg. David Ellensohn (GRÜNE): Sehr geehrter Präsident des Verwaltungsgerichtes! Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
Heuer haben wir wieder einen etwas umfangreicheren Bericht des Verwaltungsgerichtes - aus mehreren Gründen. Der Bericht selber, aber auch die Stellungnahme der Wiener Landesregierung machen nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ mehr aus, weil es eine Neuerung gibt, eben durch die Stellungnahme der Landesregierung.
Wie wichtig die gute Arbeit einer unabhängigen Justiz ist, hat auch der Vorredner gesagt. Das kann man gar nicht hoch genug schätzen, schon gar nicht in Zeiten, in denen politische Kräfte in Österreich offen, nämlich gar nicht so versteckt, an einer illiberalen Demokratie arbeiten. Stichwort Orbánisierung - vorläufig durch einen Schuss in beide eigene Knie gestoppt. Schauen wir, wie es weitergeht.
Wenn Freiheiten eingeschränkt werden, Medien gesteuert und kontrolliert werden sollen, dann ist die unabhängige Justiz immer das letzte Bollwerk, das es noch gibt. Ich hoffe, dass wir es nicht als letztes Bollwerk brauchen, aber für gewöhnlich geht das der Reihe nach: die Freiheiten, die Medien und ganz am Ende die Justiz. Möge es nicht so weit kommen!
Die Themen sind, leider, muss man sagen, natürlich ähnlich geblieben, weil die Arbeitsbelastung nicht weniger wird. Es sind zum Glück ein paar RichterInnen dazugekommen, es ist das Personal aufgestockt worden, aber es gibt nach wie vor Diskussionen über Personalbelastung, Dauer der Verfahren und die Frage des Disziplinarrechts. Die Anzahl der offenen Verfahren hat zugenommen, das Verwaltungsgericht Wien ist aber sicher ein funktionierendes Gericht, das seine Aufgabe erfüllen kann, dank RichterInnen, dank LandesrechtspflegerInnen, juristischem und Kanzleipersonal und nicht zuletzt durch die Arbeit des Präsidenten Dr. Kolonovits und der Vizepräsidentin Mag. Hornschall. Ein herzliches Dankeschön in diesem Zusammenhang. (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.)
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