«  1  »

 

Landtag, 34. Sitzung vom 25.01.2019, Wörtliches Protokoll  -  Seite 12 von 55

 

ländern und auch aus dem Ausland an. Auch für anerkannte Flüchtlinge ist Wien ein attraktiver Wohnort. Ein Faktor, der dafür verantwortlich ist, ist sicherlich die Kürzung des Mindestsatzes für die Bedarfsorientierte Mindestsicherung in einigen anderen Bundesländern. Um die Integrationschancen und finanziellen Belastungen fair auf alle Bundesländer zu verteilen, scheint daher eine mit dem Bezug der Mindestsicherung verbundene Residenzpflicht unumgänglich. Bereits die ehemalige Stadträtin Mag. Wehsely kündigte im Oktober 2016 eine Prüfung über eine Mindestaufenthaltsdauer in Wien als Voraussetzung für einen Antrag auf Mindestsicherung an. Warum wurde bisher keine Residenzpflicht bzw. Mindestaufenthaltsdauer für den Bezug der Bedarfsorientierten Mindestsicherung eingeführt?)

 

Ich ersuche Herrn Landesrat Hacker um Beantwortung.

 

Amtsf. StR Peter Hacker: Schönen guten Morgen! Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Frau Kollegin Emmerling, Sie stellen mir eine Frage zur Bedarfsorientierten Mindestsicherung. Ich lese jetzt nicht die ganze Frage vor, aber die Schlussform, damit sozusagen meiner Antwort dann gefolgt werden kann. Sie fragen: „Warum wurde bisher keine Residenzpflicht beziehungsweise Mindestaufenthaltsdauer für den Bezug der Bedarfsorientierten Mindestsicherung eingeführt?“

 

Eigentlich könnte ich mir die Antwort leicht machen mit einem Satz, nämlich, weil die Nachteile die Vorteile überwiegen. Aber ich mache es mir natürlich nicht so einfach, keine Sorge.

 

Wir müssen uns natürlich mit der Frage beschäftigen: Was ist eigentlich der Sinn und der Zweck, was ist eigentlich das Ziel der Mindestsicherung? Darüber kann man politisch unterschiedlicher Meinung sein, aber Faktum ist, wir haben es im Gesetz stehen. Man braucht eigentlich nur das Gesetz zu lesen. Ich finde, § 1 Abs. 1 des Wiener Mindestsicherungsgesetzes ist großartig formuliert: „Die Wiener Mindestsicherung hat zum Ziel, Armut und soziale Ausschließung verstärkt zu bekämpfen und zu vermeiden, die Existenz von alleinstehenden und in Familien lebenden Personen zu sichern, die dauerhafte Eingliederung oder Wiedereingliederung, insbesondere von volljährigen Personen bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres, in das Erwerbsleben sowie die soziale Inklusion weitest möglich zu fördern. Die Gleichstellung von Männern und Frauen ist als durchgängiges Prinzip zu verfolgen.“ Das ist also die vom Gesetzgeber in diesem Haus festgelegte definierte Zielsetzung des Wiener Mindestsicherungsgesetzes. Es ist noch gar nicht so lange her, ist nicht einmal ein Jahr her, dass dieses Haus dieses Gesetz mit dieser Formulierung beschlossen hat.

 

Daher zurück zu Ihrer Frage, warum wir die Residenzpflicht oder die Mindestaufenthaltsdauer bis jetzt nicht eingeführt haben. Weil im Sinne dieser Zieldefinition des Gesetzgebers die Nachteile für die Stadt die Vorteile, die aus einer solchen Regulierung kämen, überwiegen, weil alle Regulierungen, die wir einführen, müssen sich natürlich an der Zielsetzung dieses Gesetzes orientieren. Und diese habe ich gerade in dem Sinne auch vorgelesen.

 

Abgesehen davon haben viele es österreichweit in dieser etwas aufgeregten Debatte dieser Tage vergessen, wir haben eine nach wie vor gültige 15a-Vereinbarung, also, wenn Sie so wollen, einen Staatsvertrag. Diesen Staatsvertrag hat auch dieses Haus hier vor langer Zeit, vor vielen Jahren, mitbeschlossen. In dieser 15a-Vereinbarung über den Kostenersatz in Angelegenheit der Sozialhilfe wird unter anderem auch die Frage des Ausgleichs für aus anderen Bundesländern zuziehende Mindestsicherungsbezieher geregelt. Nach den Bestimmungen des Art. 3 Abs. 1 dieser Vereinbarung ist jener Träger zum Kostenersatz verpflichtet, in dessen Bereich, also Ort, Raum, Bundesland, sich der Hilfesuchende während der letzten sechs Monate vor Gewährung der Hilfe mindestens fünf Monate lang aufgehalten hat, also binnen sechs Monaten fünf Monate aufgehalten hat. Diese Unterscheidung ist gemacht worden, vor allem um das Problem oder die Fragestellung bei obdachlosen Personen gut regulieren zu können.

 

Einige Bundesländer sind ausgestiegen. Eigentlich ist es sozusagen ganz interessant. Da bin ich froh über solche Fragen, weil dann fängt man nämlich an, sozusagen wieder zurückzuschauen, was denn eigentlich die Intentionen waren. Eigentlich ist es interessant, anhand dieser Fragestellung darüber nachzudenken, wieso manche Bundesländer diese 15a-Vereinbarung gekippt haben. Sie wollten sich offensichtlich auf Kosten der Bundeshauptstadt Geld ersparen. Und sie wollten sich offensichtlich auf Kosten der großen Städte Geld ersparen, weil wenn Sie sich die Städtestatistiken anschauen, dann werden Sie draufkommen, dass Wien bei Weitem nicht als isolierte Stadt in Österreich alleine mit dem Phänomen ist, wesentlich mehr Mindestsicherungsbezieher zu haben als das, sage ich einmal, flache Land, ohne dass ich jetzt das flache Land beleidige, als der ländliche Raum.

 

Die österreichischen Bundesländer sind sich auch jetzt in der Debatte einig, alle Sozialreferenten der Bundesländer sind sich einig, alle Landeshauptleute sind sich einig, dass wir ein Interesse daran haben, eine österreichweite Regelung zur Mindestsicherung zu haben. Es besteht daher aus meiner Sicht auch gar kein Grund, aus dieser gültigen 15a-Vereinbarung, die wir hier beschlossen haben, auszusteigen, sondern diese Debatte und diese Entwicklung, die im Augenblick stattfinden, abzuwarten.

 

Ich glaube auch, dass in Wirklichkeit als Regulierung die Frage des Aufenthaltstitels wesentlich höhere Bedeutung als die Frage der Dauer des Aufenthaltes hat. Auch hier finden wir eigentlich in unserem Gesetz, das wir vor einigen Monaten hier beschlossen haben, eine sehr, sehr gute Formulierung und eine klare Antwort zu dieser Frage, wie das geregelt ist. Nämlich gemäß § 5 Abs. 1 Wiener Mindestsicherungsgesetz stehen Leistungen nach diesem Gesetz grundsätzlich nur österreichischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern zu. Gemäß Abs. 2 sind diesen österreichischen Staatsbürgern bestimmte Personen gleichgestellt, und zwar unter bestimmten

 

«  1  »

Verantwortlich für diese Seite:
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular