Landtag, 33. Sitzung vom 19.12.2018, Wörtliches Protokoll - Seite 5 von 46
Investitionen - und Investitionen in Anlagevermögen für die Allgemeinheit sind keine Schulden!
Dies ist besonders wichtig, wenn wir die wirtschaftliche und demographische Entwicklung auch Wiens bedenken. Städte wie Wien wachsen. Mobilität, soziale Teilhabe und ein sicheres Leben sind Grundbedingungen für dieses Wachstum. Die EU-Verträge räumen Städten jedoch nicht ausreichend Grundlagen ein, um diese gewaltigen Veränderungen ausreichend managen zu können.
Wien hat dies sehr früh erkannt und zwölf Städtepartnerschaften mitentwickelt und mit dem Pakt von Amsterdam 2016 einen Rechtsrahmen für EU-Städtepolitik gestaltet. Dieses Mandat ist wichtig - schließlich lebt die Hälfte der europäischen Bevölkerung in Städten, Tendenz steigend.
Erst vor wenigen Tagen durfte unser Rathaus im Zuge eines dieser Städtenetzwerke Tagungsort für die große Wohnkonferenz Europas sein. In vieler Hinsicht ist dies ein perfektes Beispiel für die europäische Arbeit dieser Stadt. Gemeinsam mit Entscheidungsträgern, Experten und Expertinnen und den Institutionen wurden evidenzbasierte Vorschläge gemacht, wie wir leistbares Wohnen in den Metropolen Europas schaffen können, wobei erneut bewiesen wurde, dass Wien auch in dieser Frage Vorbildfunktion hat. Die Finanzierung und langfristige Weiterentwicklung unserer Politik müssen jedoch auch durch sinnvolle europäische Regeln gewährleistet werden. Das ist heute nicht der Fall, und das muss in aller Klarheit auch so gesagt werden. Dass so viele andere europäische Städte dem Wiener Modell folgen wollen, stimmt mich aber für die Zukunft durchaus optimistisch. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)
Ein ganz zentraler Punkt dabei sind vernünftige Rahmenbedingungen, die uns erlauben, in Zeiten der Krise vernünftig investieren zu können. Aber auch außerhalb wirtschaftlicher Krisen sind Investitionen in lebenswichtige Bereiche der Stadt essenziell. Wien wächst, Wien wird jünger. Wir brauchen also neue Schulen, neue Kindergärten, neue Wohnungen und neue öffentliche Verkehrsmittel - ganz unabhängig davon, ob gerade Wirtschaftskrise ist oder nicht.
Die Verschuldungsregelungen in Europa sind in ihrer jetzigen Form nicht zielführend und eher an starren ideologischen Grundsätzen orientiert als am Wohl der Menschen. In dieser Form verhindern sie Investitionen und damit Wachstum. Wien wird sich, wie auch im Regierungsübereinkommen festgehalten, weiterhin für eine Golden Rule einsetzen, also für eine Neuregelung der Maastricht-Kriterien für Zukunftsinvestitionen und schlussendlich dafür, mehr soziale Sicherheit zu schaffen.
Wien steht mit dieser Meinung nicht alleine da. Prof. Joseph Stiglitz, Wirtschaftsnobelpreisträger, plädiert in zahlreichen seiner Vorträge und Interviews für eine expansive Finanzpolitik. Ein voreiliger Ausstieg aus schuldenfinanzierter Ausgabenpolitik birgt die Gefahr, die Volkswirtschaft zurück in die Rezession zu treiben, und weitere Ausgaben, vor allem Investitionen in Erziehung, Technologien und Infrastruktur, können sogar zu geringeren langfristigen Defiziten führen, wie er ausführt.
Die bisherigen Fiskalregeln auf allen Ebenen beschränken die öffentliche Hand in ihren Vorhaben zu investieren bei gleichzeitig maßvoller Verschuldung. Damit wird nicht nur der mögliche konjunkturelle Aufschwung gebremst, sondern es werden auch wichtige Projekte auf die lange Bank geschoben. Die Ausnahme von essenziellen Investitionen aus den Fiskalpakten wäre ein wichtiger Schritt für einen klaren antizyklischen Investitionskurs und würde noch mehr als bisher gewährleisten, dass wir den nächsten Generationen keine redimensionierte Stadt hinterlassen, sondern eine moderne, großzügige Stadt. Das ist auf kommunaler Ebene unser Kurs: Strukturreformen quer durch alle Bereiche, um Mittel freizubekommen, und Investieren in den weit gefassten Bereich der Bildung und Infrastruktur.
Drittens müssen die Kooperation und die Kohäsion weiter gestärkt werden. Wien hat hier oft eine Führungsfunktion, die wir gerne auch annehmen. Aus der aktuellen Diskussion über den nächsten mehrjährigen Finanzrahmen vernehmen wir leider, dass viele gute Projekte, wie zum Beispiel die Interreg-Programme, von der Kommission noch nicht ausreichend Zusicherung erhalten haben. Wenn man die Multiplikatoreffekte und den Mehrwert dieser Programme genau studiert, darf es eigentlich keinen Zweifel geben, dass sie die Stärken der EU beispielhaft repräsentieren: Wissenstransfer, Best-Practice-Beispiele und wirtschaftliches Zusammenwachsen. Ich wünsche mir von der nächsten Kommission ein klares Commitment für eine regionale, länderübergreifende Entwicklung.
Last but not least geht es - viertens - um eine spürbare europäische Sozialpolitik. Nur eine Europäische Union, die spürbar auf Seite der Bürgerinnen und Bürger ist, wird dauerhaft erfolgreich überleben. Die aktuelle Diskussion über die Einrichtung einer Europäischen Arbeitsagentur zeigt erneut das Potenzial für gemeinsame Lösungen. In diesem Fall können wir dem Lohn- und Sozialdumping endlich effektiv den Kampf ansagen. Es ist doch vollkommen klar, dass, wenn wir europaweit frei wirtschaften können, es auch europaweit Kontrollen und Sanktionen geben muss, ebenso Mechanismen, die soziale Standards und Arbeitsbedingungen verbessern.
Ich hoffe, dass die Bundesregierung die verbleibende Zeit nützt und gemeinsam mit uns, mit dem Standort, um diese wichtige Behörde in Wien wirbt und dass es gelingen möge, hier diese Behörde auch zu beherbergen. Als Stadt mit starker arbeitsrechtlicher Tradition und internationaler Ausrichtung sind wir jedenfalls ein idealer Standort.
Wenn wir gemeinsam über diese vier Prioritäten nachdenken, fällt zweifelsohne auf, dass nur wenige davon die notwendige Aufmerksamkeit während der österreichischen Ratspräsidentschaft erhalten haben. Leider wurde diese Chance nicht ausreichend genutzt, weil die mediale Konzentration auf ein anderes Thema, wie wir wissen, gelenkt wurde.
Sehr geehrte Damen und Herren! Das voraussichtliche Ausscheiden Großbritanniens ist nicht nur eine Un
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