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Landtag, 2. Sitzung vom 17.12.2015, Wörtliches Protokoll  -  Seite 54 von 85

 

Und ja, es wird zusätzlich noch eine Arbeitsgruppe geben, die sich mit der Stärkung der Bezirksdemokratie auseinandersetzen wird, indem es um die Zusammenarbeit zwischen Bezirken und der Gemeinde geht beziehungsweise der BezirksvorsteherInnen und der Bevölkerung. Und das ist dann tatsächlich eine Arbeitsgruppe, nicht nur interfraktionell, sondern selbstverständlich auch unter Einbeziehung der Bezirke. Mit dieser Arbeitsgruppe wollen wir tatsächlich die ersten Vorschläge 2017 vorliegen haben.

 

Kurz zum Abg. Wiederkehr und seiner Meinung, dass es die 5 Prozent-Hürde in Österreich nicht gäbe. Kurze Replik: Selbstverständlich gibt es sie, nicht nur in Wien, sondern auch in anderen Bundesländern – Salzburg, Kärnten, Tirol und Vorarlberg. Steiermark hat auch eine Hürde, keine prozentuelle, sondern die Notwendigkeit, ein Grundmandat zu erringen. Auf Bundesebene gibt es das auch, eben nur nicht mit 5 Prozent, sondern mit 4 Prozent. – Nur damit wir das alles richtig einordnen können.

 

Mein Kollege Margulies hat gemeint, ich müsste mindestens ebenso lange reden wie Abg. Kowarik bei seiner wirklich sehr profunden Vorlesung über die Untiefen des Wiener Wahlrechts, sonst hätte ich verloren. Aber ich muss zugeben, auf solche Spielchen lasse ich mich nicht ein. Ich werde mich daher nicht auf eine wahrscheinlich nicht gar so profunde und ebenso lange Rede einlassen. (Beifall von Abg. Michael Stumpf, BA.) Ja, man kann ja durchaus zugeben, worin die Stärken liegen und worin unbehagt nicht.

 

Aber ich möchte jetzt zu dem Thema kommen, bei dem mir tatsächlich viel am Herzen liegt, nämlich der Möglichkeit der politischen Mitbestimmung der EU-BürgerInnen und der Drittstaatsangehörigen. Ja, Herr Blind, ich weiß, dass da unsere Meinungen so etwas von diametral auseinander sind – es ist so. Aber es ist unter anderem deswegen wichtig, weil ich sehr, sehr viele Leute kenne, denen es auch wichtig ist. Weil ich auch einmal nicht österreichische Staatsbürgerin war, sondern Drittstaatsangehörige, wie es so schön heißt. Und ich vergesse nicht, das immer wieder zu betonen, einfach deswegen, weil die meisten Menschen bei dem Wort Drittstaatsangehörige oder Nicht-EU-BürgerIn meistens einen anderen Typ von Mensch im Bild haben, in ihrer Imagination.

 

Ich erzähle Ihnen einfach an einem Beispiel, nämlich am Beispiel meines Vaters, was das bedeutet hat. Wir haben in Wien 350.000 Menschen, die in Wien leben, manchmal schon Jahrzehnte in Wien leben und sich nicht politisch beteiligen können. Das war zum Beispiel bei meinem Vater auch so. Er hat die letzten 30 Jahre seines Lebens in dieser Stadt gelebt, hat die letzten 30 Jahre seines Leben in Wien gearbeitet, hat in dieser Stadt seine Kinder großgezogen, hat in dieser Stadt seine Steuern bezahlt und alle anderen Abgaben und Ähnliches mehr. Er hat es tatsächlich nicht verstanden, warum es ihm nicht erlaubt ist, in dieser Stadt politisch teilzunehmen beziehungsweise es nur eine Bedingung gibt, politisch teilzunehmen, nämlich seine angestammte Staatsbürgerschaft zurückzulegen, um eine andere zu bekommen. (Abg. Armin Blind: Das wollen wir! Ganz genau!)

 

Es gibt aus meiner Sicht zwei Möglichkeiten, dieses Dilemma zu ändern: Entweder man lässt Menschen auf kommunaler Ebene mitwählen, zum Beispiel diejenigen, die schon lange in dieser Stadt oder auch in diesem Bundesland wohnen. Und die Länge des Aufenthalts kann man dann definieren. Was heißt, lange? Sind das drei Jahre? Sind das fünf Jahre? Sind das sieben Jahre? – Ich habe mir die Möglichkeiten des Wahlrechts von Nicht-EU-BürgerInnen in anderen Mitgliedstaaten der EU angesehen. Ich weiß jetzt nicht, ob es der Herr Juraczka war, aber irgendjemand vor mir hat gemeint, das gibt es anderswo nicht. Falsch! Das gibt es in mehr als der Hälfte der EU-Mitgliedstaaten, nämlich in 15 von 28 dürfen Nicht-EU-BürgerInnen auf kommunaler Ebene wählen.

 

Da gibt es interessante und unterschiedliche Zugänge. Das eine Kriterium ist zum Beispiel, wie gerade angesprochen, die Aufenthaltsdauer von drei bis fünf Jahren. Es gibt aber auch zum Beispiel den Zugang über einen speziellen Aufenthaltsstatus. Das heißt, jede Person, jede Nicht-EU-BürgerIn, die ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht in einer Stadt oder in einem Bundesland erhält, erhält damit auch auf dieser Ebene das Wahlrecht. Dann gibt es auch – würde mit unserem System nicht so kompatibel sein – die Möglichkeit der Aufnahme in ein WählerInnenverzeichnis. Das haben wir sowieso.

 

Spannend, aber nicht für Österreich, ist ein Kriterium zum Beispiel der Gegenseitigkeit. Das heißt, wenn in deinem Land meine BürgerInnen auf kommunaler Ebene wählen dürfen, gewähren wir das deinen BürgerInnen in meinem Land auch. Das ist hauptsächlich interessant für ehemalige Kolonialstaaten.

 

All diese Möglichkeiten gäbe es. Wie gesagt, Sie wollen es festmachen an der Staatsbürgerschaft. Man könnte auch sagen, entweder den Zugang zur Staatsbürgerschaft weniger restriktiv handhaben oder aber Doppelstaatsbürgerschaften zulassen. Auch da weiß ich, dass wir einen diametralen Unterschied in der Auffassung haben, weil dem Abg. Blind die Frage der Loyalität gegenüber einem Gemeinwohl so wesentlich ist. (Abg. Armin Blind: Sagen Sie ruhig Staat dazu!) – Dem Staat, ja, aber dem unterliegt ja die Phantasie, dass dieses staatliche Gebilde eine durch und durch homogene Gemeinschaft ist, denn sonst würde es ja nicht gehen. Es korrespondiert zu einem sehr ethnisch oder auf anderen Ebenen homogenisierten … (Abg. Armin Blind: Nein, Bekenntnisgemeinschaft, Frau Kollegin!) – Ja, auch das, ich meine, schauen Sie mich und sich an. Ich meine, was wir für Bekenntnisse haben, nicht? (Abg. Armin Blind: Beide zur Bundesverfassung und zur Republik Österreich! Das haben Sie ja gelobt, oder nicht?) – Ja natürlich, sowieso. Und so würden wir dann auch arbeiten. Ich habe ja trotz meines Bekenntnisses zur österreichischen Bundesverfassung eine zweite Staatsbürgerschaft, und die hindert meine Loyalität nicht daran, meine Bekenntnisse, nämlich auch gegenüber der österreichischen Bundesverfassung, wahrzunehmen. Das ist kein Problem, tatsächlich, ist kein Problem! (Beifall bei GRÜNEN und NEOS.)

 

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