Landtag, 35. Sitzung vom 27.11.2014, Wörtliches Protokoll - Seite 57 von 62
Also wir haben im Strafgesetzbuch beim Menschenhandel die Ausbeutung zur Bettelei strafrechtlich geregelt.
Wenn man jetzt diese strafrechtlichen Normen verbessern will, dann kann man darüber diskutieren. Das muss man im Parlament drüben bringen. Es kann natürlich jeder Vorschläge bringen und sie den jeweiligen Fraktionskollegen im Parlament übermitteln, aber Faktum ist, dass wir mit dem Landes-Sicherheitsgesetz, mit dem Eisenbahngesetz, mit dem Strafgesetzbuch und mit dem Sicherheitspolizeigesetz wirklich ausreichend gesetzliche Instrumentarien haben, und dass es darum geht, dass diese dort, wo sie nicht ordentlich vollzogen werden, eben künftig ordentlich vollzogen werden. Das ist einfach notwendig.
Von einem sektoralen Bettelverbot wäre erstens einmal ja auch das stille Betteln umfasst. Das wäre vermutlich auch verfassungswidrig, weil ja dann das stille Betteln in den Sektoren verboten wäre und diesbezüglich ja die Spruchpraxis des Verfassungsgerichtshofes relativ klar ist. Also das geht nicht. Abgesehen davon, dass dann natürlich ein Verdrängungseffekt wäre. Dann würde sich das woanders abspielen und in Summe nichts ändern.
Was ich aber schon auch sagen möchte als Sozialdemokrat, als Sozialist, ist, dass natürlich für unsere Bewegungen in unserer Ideengeschichte das Betteln nicht etwas Positives ist. Für uns ist es nicht das Ziel, dass möglichst viel gebettelt wird, das ist irgendwie klar, sondern wir haben ganz andere Grundsätze. Die Sozialdemokratie ist unter anderem dafür gegründet worden, dass niemand mehr betteln gehen muss, und das ist natürlich innerstaatlich auch weitestgehend gelungen. Österreicher und Zuwanderer, die sich legal in Österreich aufhalten, sind ja voll in die Sozialleistungen eingebunden und müssten an sich im Großen und Ganzen nicht betteln. Es gibt natürlich – das muss man auch immer sagen, das sagen mir Psychologen und Sozialarbeiter – Menschen, die auf Grund ihrer Persönlichkeitsstruktur diese Angebote, die der Sozialstaat bietet, nicht annehmen. Das ist eine kleine Minderheit, aber das ist auch eine Realität. Tatsache ist jedoch, dass innerstaatlich die Bettelei für uns durchaus etwas ist, das wir überwinden wollen und schon gar nicht heroisieren wollen.
Zum Beispiel heißt es in unserer Ideengeschichte gemäß einer Aussage von Ferdinand Freiligrath, die wir oft zitieren: „Was wir ersehnen von der Zukunft Fernen, dass Brot und Arbeit uns gerüstet stehen, dass unsere Kinder in den Schulen lernen und unsere Alten nicht mehr betteln gehen.“ – Das war ein wesentliches Ziel der Arbeiterbewegung, das Betteln zu überwinden. Und insofern, glaube ich, ist es natürlich weiterhin unser Ziel, dass wir die Ursachen des Bettelns beseitigen. (Beifall bei FPÖ, SPÖ und ÖVP.) Das haben wir für Österreich und für Wien, speziell das rote Wien, das heute rot-grün regierte Wien, auch erreicht, wir können allerdings schwer die Ursachen in ganz Europa beseitigen. Wir bemühen uns, wir unterstützen Sozialprojekte, wir bemühen uns in der EU, dass ein fairer Ausgleich mit den neuen Ländern, die der EU beigetreten sind, erfolgt und dass dort bessere soziale Verhältnisse Platz greifen. Das wird perspektivisch sicher dazu führen, dass dieses Problem geringer wird, da bin ich durchaus zuversichtlich, aber das dauert Zeit, und die Weltwirtschaftskrise hat natürlich nicht dazu beigetragen, dass sich das beschleunigt hätte, sondern eher, dass das abgeschwächt wurde.
Aber Tatsache ist, dass für uns die Bettelei etwas ist, was wir überwinden wollen perspektivisch, dass wir aber nicht die Armut bekämpfen, sondern die Ausbeuter, die das Betteln für sich gewinnbringend und profitorientiert einsetzen. Dagegen kämpfen wir auf das Schärfste. (Beifall bei der SPÖ.)
Weil ich noch sechs Minuten habe und das natürlich nicht unbedingt allzu sehr verkürzen will, möchte ich schon noch eines einbringen. Grundsätzlich war natürlich die Mildtätigkeit, die gerade die großen Religionen eingebracht haben, ein historischer Fortschritt gegenüber vorher. Es hat ja sicher auch Phasen in der Weltgeschichte gegeben, wo jemand, wenn er arm war, wenn er Hunger gehabt hat, gestorben ist. Dagegen sind die großen Religionen aufgetreten – das Christentum ebenso wie der Islam wie auch der Buddhismus – mit der Mildtätigkeit, mit dem Appell, man soll doch etwas abgeben. Diese Mildtätigkeit war, so gesehen, ein historischer Fortschritt in der Menschheit und ist positiv. Natürlich hat die Mildtätigkeit den Nachteil, dass dann der Arme davon abhängig ist: Kriege ich was oder kriege ich nichts? Und wenn die, die mehr haben, nichts abgeben wollen, weil sie sagen, das brauche ich selbst oder ich will jetzt nicht, dann geht die Mildtätigkeit ins Leere.
Dagegen hat sich die organisierte Arbeiterbewegung gewandt, dagegen hat sich der Sozialstaatgedanke gewandt, und deshalb hat man ja auch den Sozialstaat entwickelt. Da haben wir jetzt mit dem Wiener Grundsicherungsgesetz schon sehr viel geschaffen und haben auch das Bundes-Grundsicherungsgesetz überboten, und wir schauen innerstaatlich, dass man natürlich so viel wie möglich an Ursachen der Bettelei beseitigt. Ich glaube jedoch, es ist wichtig, dass man die Dinge auseinanderhält und dass man perspektivisch wirklich die Probleme, die es gibt, nicht aufbauscht, aber auch nicht schönredet, soweit Ausbeutung gegeben ist. Die Sicherheitsbehörden haben ihre Aufgaben, aber vor allem müssen wir natürlich die Ursachen der Bettelei bekämpfen. Dieses negative Phänomen werden wir aber sicher nicht dadurch bekämpfen, dass wir das stille Betteln, noch dazu in verfassungswidriger Weise, verbieten, weil dies eben auch ein Menschenrecht ist.
In dem Sinn möchte ich schließen mit einem Zitat von Hans Rauscher, der das wirklich sehr gut zusammengefasst hat, was hier die Aufgabe ist. Er hat gesagt: „Es ist durchaus vernünftig, Bettelei zu regulieren. Humanität sollte aber der Maßstab sein, mit Realismus als Begleiter.“ – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und von Abg Dr Jennifer Kickert.)
Präsident Johann Herzog: Zu Wort gemeldet ist Abg Seidl. Ich erteile es ihm.
Abg Wolfgang Seidl (Klub der Wiener Freiheitlichen): Danke, Herr Präsident! Frau Landesrätin! Meine Damen und Herren!
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