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Landtag, 29. Sitzung vom 31.01.2014, Wörtliches Protokoll  -  Seite 9 von 22

 

gerichtshof, so hat man sich den Beginn einer neuen Ära im Wiener Rechtsschutzsystem wohl nicht vorgestellt. Da die Regelungen über die Geschäftsverteilung ein essentielles Merkmal für die Unabhängigkeit eines Gerichtes sind, besteht ein dringendes Interesse daran, das Wiener Landesverwaltungsgericht mit einer verfassungskonformen Organisation zu versehen. Wann werden Sie dem Wiener Landtag eine entsprechende Regierungsvorlage zur Beschlussfassung zukommen lassen?)

 

Bitte, Herr Landeshauptmann.

 

Lhptm Dr Michael Häupl: Sehr geehrter Herr Abgeordneter!

 

Festzuhalten ist, dass entgegen Ihren Ausführungen der Verfassungsgerichtshof lediglich zwei zusammenhängende Bestimmungen des Gesetzes über das Verwaltungsgericht Wien, die den Geschäftsverteilungsausschuss betreffen, aufgehoben hat. In allen übrigen Punkten der erfolgten Anfechtung wurde das Gesetz vom Verfassungsgerichtshof nicht beanstandet. Gleichzeitig hat der Verfassungsgerichtshof dem Landesgesetzgeber ermöglicht, die Bestimmung betreffend die Anzahl der gewählten Mitglieder im Geschäftsverteilungsausschuss an seine Rechtsaufassung bis zum 31. Dezember dieses Jahres anzupassen.

 

Das bedeutet aber auch, dass die vom Verwaltungsgericht Wien beschlossene Geschäftsverteilung für das laufende Jahr Gültigkeit hat. Der Tätigkeit des Gerichtes steht somit nichts im Wege. Die erforderliche geringfügige Adaptierung des Gesetzes über das Verwaltungsgericht Wien wird sobald als möglich dem Landtag, möglicherweise schon in seiner nächsten Sitzung im März 2014, zur Beschlussfassung vorgelegt werden.

 

Präsident Prof Harry Kopietz: Danke. Die 1. Zusatzfrage stellt Herr Abg Dr Aigner. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 

9.37.28

Abg Dr Wolfgang Aigner (Klubungebundener Mandatar): Guten Morgen, Herr Landeshauptmann!

 

Ich danke für die Beantwortung der Frage, erlaube mir aber den Hinweis darauf, dass die Bestimmungen über die Geschäftsverteilung mehr oder weniger eines der Herzstücke einer Gerichtsorganisation sind; denn wenn es keine Geschäftsverteilung gibt, kann man auch die richterliche Unabhängigkeit nach innen gegenüber der Justizverwaltung auch entsprechend nicht wahrnehmen.

 

Wir haben ja auch oft hier Debatten über Vergangenheitsbewältigung. Es gibt auch juristische Vergangenheitsbewältigung. Es ist ja noch nicht so lange her, dass wir die Debatte über das Landesverwaltungsgericht Wien hier in diesem Hohen Haus geführt haben. Ich erinnere daran, dass es bereits im Vorfeld der Gesetzgebung massive Kritik an genau dieser Bestimmung gegeben hat, die in Österreich ja an sich einzigartig ist. Also es hat hier offenkundig die Landesregierung, der Landesgesetzgeber sehr viel intellektuelles Potenzial in die Richtung gelenkt, eine Geschäftsverteilung so zu gestalten, dass die Justizverwaltung, der Präsident, der Vizepräsident in dieser Konstruktion massiven Einfluss nehmen kann.

 

Jetzt im Nachhinein betrachtet, Herr Landeshauptmann: Hätte man es nicht viel billiger und einfacher haben können, wenn das Wiener Landesverwaltungsgericht genau so organisiert wäre wie der Verwaltungsgerichtshof auf Bundesebene, alle anderen Einrichtungen der Gerichtsorganisation, wo es ja Beispiele gibt, dass die Richter die Geschäftsverteilung unter sich in völliger Unabhängigkeit ausüben können?

 

Präsident Prof Harry Kopietz: Herr Landeshauptmann.

 

Lhptm Dr Michael Häupl: Sehr geehrter Herr Abgeordneter!

 

Ich verhehle nicht, der Abend ist immer gescheiter als der Morgen. Ich bin kein Spezialist für Details von solchen Rechtsfragen, aber ich bin Spezialist für das Anerkennen von Verfassungsgerichtshofurteilen - im Gegensatz zu anderen. Wir nehmen dieses Urteil zur Kenntnis und werden es umsetzen.

 

Präsident Prof Harry Kopietz: Danke. Die 2. Zusatzfrage stellt Herr Abg Dr Ulm. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 

9.39.39

Abg Dr Wolfgang Ulm (ÖVP-Klub der Bundeshauptstadt Wien): Sehr geehrter Herr Landeshauptmann!

 

Ich darf Ihnen mitteilen, dass das Landesverwaltungsgericht Wien sich schlecht behandelt fühlt. Es fühlt sich als ungeliebtes Kind. Ich kann das auch dokumentieren, nämlich durch Schreiben des Dienststellenausschusses und durch Schreiben der Verwaltungsrichtervereinigung.

 

Nun kann so ein Empfinden auf größere Ursachen zurückgehen wie zum Beispiel Defizite bei der Regelung der Geschäftsverteilung oder auf ein großes Defizit, dass Dienstposten nach wie vor unbesetzt sind. Da warnt der Dienststellenausschuss davor, dass es zum Eintritt von Säumnis und Verjährungen kommen wird, weil es ganz einfach an den Schreibkräften fehlt. Das Verwaltungspersonal ist schon sehr ausgedünnt worden. Aber nicht einmal dort, wo es die Dienstposten gibt, werden die mit ausreichend Schreibkräften besetzt.

 

Dann gibt es auch noch so kleine Details, die zu Unwohlsein führen. Da gibt es jetzt eine neue, große Behörde – kein neues Haus, aber eine neue Behörde. Da sollte man sich doch denken, na ja, da sollte es doch wenigstens ein anständiges Entree und ein entsprechendes Schild geben. Und dazu schreibt die Verwaltungsrichtervereinigung doch:

 

„Der Eingangsbereich des Amtshauses wurde mit viel Aufwand neu dekoriert und ein neues Emblem wurde angebracht. Allerdings nicht für das neue Verwaltungsgericht, sondern für jene Magistratsabteilung, die das Amtshaus verwaltet. Für das Verwaltungsgericht Wien begnügte man sich mit einem Schriftzug in Klebefolie, der an kaum sichtbarer Stelle am Eingang angebracht wurde. Diese Vorgangsweise kann durchaus als aussagekräftige Symbolik für das Verhältnis des Landes Wien zu ‚seinem’ Verwaltungsgericht verstanden werden.“

 

Sehr geehrter Herr Landeshauptmann, wie gedenken Sie, diese Defizite zu beheben?

 

Präsident Prof Harry Kopietz: Herr Landeshauptmann.

 

Lhptm Dr Michael Häupl: Also, sehr geehrter Herr Abgeordneter!

 

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