Landtag, 28. Sitzung vom 21.11.2013, Wörtliches Protokoll - Seite 22 von 42
sehen, ob wir alle Kinder erreichen – das ist überhaupt keine Frage –, vor allem wenn wir damit konfrontiert werden, dass zunehmend Essen, Mittagessen ein Thema wird.
Was empfehlen uns die Experten/Expertinnen in der Bildung? – Kindergärten, Krippenplätze auszubauen und Ganztagsstrukturen zu schaffen – ein sehr wichtiger Beitrag zur Bekämpfung der Kinderarmut. In der Familienpolitik werden natürlich einige Empfehlungen abgegeben, wo wir vor allem in der Arbeitswelt ansetzen können. Und ich sage es direkt, weil ich bin nicht hier, um über Armut schönzureden: Wir sollen alles tun, damit es nicht zu Heimunterbringungen kommt. Hier geht Wien verstärkt einen neuen Weg in Richtung der Pflegefamilien. Das ist sehr ernst zu nehmen, denn das Ziel ist und bleibt es, jedem Kind hier in der Stadt eine Chance zu geben.
Der zweite Punkt ist der öffentliche Raum. Natürlich ist Armutsmigration ein Thema. Das ist überhaupt keine Frage, das ist ernst zu nehmen. Wenn Sie glauben, wir sind da auf einer Insel, weiß ich nicht, wie elitär Sie hier leben. Natürlich ist es so, dass Europa Armut schlichtweg nicht vorgesehen hat. Es ist vorgesehen, dass wir in den osteuropäischen Ländern wirtschaftlich Gewinne machen. Und wenn dann ein Teil der Menschen hierher kommt, auch seine Chance will und hier leben will, sagen wir, nein, das ist nicht vorgesehen.
Wir tragen hier genauso eine soziale Verantwortung und werden nicht alle Probleme lösen. Und natürlich wird auf Grund der Entwicklungen auch Armut im öffentlichen Raum sichtbar. Das ist überhaupt keine Frage, und wir werden so mutig sein müssen, den Menschen zu sagen, ja, das müssen wir euch zumuten, es wird sichtbar, es ist sichtbar. Wir tragen auch im Umgang mit Flüchtlingen, mit Obdachlosen, mit Drogenkranken, auch mit Frauen, die in der Sexarbeit arbeiten, enorme Verantwortung, hier sozial verträglich zu handeln – aber sicher nicht mit Kriminalisierung, Vertreibung und Verdrängung. Das ist nicht der rot-grüne Weg. (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.)
Ich sage es nur noch an einem Beispiel, und ja, es ist unbestritten auch kein Geheimnis: Ich finde es nicht in Ordnung, wenn eine alte Verordnung wie die Campierverordnung ausgepackt wird, um gegen Obdachlose vorzugehen. Wie ich jetzt gehört habe, wird jetzt auch ein Eisenbahngesetz aus dem Jahre 1953 eingesetzt, um gegen Armutsbetroffene vorzugehen.
Das heißt – lange Rede, kurzer Sinn –, wir werden gemeinsam die Armutsbekämpfung schaffen, mit der Zivilbevölkerung, mit den Kräften, die nicht davon leben, dass es immer mehr Armut gibt und mit Angst operieren. Wir stellen uns der Herausforderung. – Ich danke Ihnen vielmals. (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.)
Präsident Johann Herzog: Zum Wort gemeldet ist Herr Abg Ing Rösch. Ich erteile es.
Abg Ing Bernhard Rösch (Klub der Wiener Freiheitlichen): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Werte Kolleginnen! Werte Kollegen!
An der steigenden Armut in Europa sind nicht die Armen schuld, ist nicht die Bevölkerung schuld, daran ist eindeutig die Politik schuld, die das Ganze lenken sollte.
Europa befindet sich in zwei maßgeblichen Krisen. Das eine ist die Bankenkrise, bei der es um die Spekulanten geht, bei der es um die Manager-Boni geht, bei der es um Politiker geht, die spekuliert haben – also von BAWAG, Hypo, Kommunalbank, Medici, von Salzburg, Linz bis Wien ganz einfach verfehlte Finanzpolitik, riskante Finanzpolitik, bei der im Endeffekt der Steuerzahler die Zeche zahlt. (Zwischenruf von Abg Ernst Nevrivy.) – Ich habe der Fairness halber auch diese Bank genannt.
Ich möchte aber gar nicht über die Bankkrise und über die Armut reden, sondern ich will über die Strukturkrise reden. Ich kann mich noch daran erinnern, als uns, wie wir der Europäischen Union beigetreten sind, die Gitti Ederer nicht nur den Tausender versprochen hat, den wir ihr heute gerne schenken würden, hätten wir nur die gleiche Kaufkraft wie damals. 30 Prozent weniger Kaufkraft als damals – das hatte man uns nicht gesagt. Man hatte uns gesagt, die Beitrittsländer werden 80 Prozent des Lohn- und Sozialniveaus haben. Deshalb haben wir ihnen deswegen Übergangsbestimmungen gegeben. Nach ein paar Jahren Übergangsbestimmungen hat man sich an die Versprechen nicht mehr erinnern wollen. Man hat gesagt, aufmachen um jeden Preis, wir brauchen Billigstarbeitskräfte hier in Österreich.
Man hat aber nicht daran gedacht, was das für Folgen hat. Es war das Kalkül der SPÖ – und das muss man einfach sagen –, dass natürlich günstige Facharbeiter gekommen sind (Beifall bei der FPÖ. – Abg Dipl-Ing Rudi Schicker: Das war auch Ihr Sozialminister! – Abg Godwin Schuster: Das war der FPÖ-Sozialminister!), ganz einfach, weil die Sozialistische Internationale nämlich dem „Round Table 20“ das Wort spricht, weil Sie dort, wenn Sie abdanken müssen, versorgt werden. (Beifall bei der FPÖ.) Deshalb haben Sie keine sozialistischen oder sozialen Wurzeln mehr, sondern sind international nur mehr für die eigenen Jobs unterwegs.
Und das ist ja auch das große Problem. Das, was die Bürger geglaubt haben, dass eine Sozialunion wäre – dass wir alle gleiche Rahmenbedingungen in der sozialen Umwelt finden –, das ist es ja nicht: Dann könnten wir auch gleich wirtschaften, dann hätten wir vergleichbare Märkte, dann wäre auch der Euro in Wirklichkeit vergleichbar und nicht so in Schieflage, und wir müssten nicht, nachdem wir die Fachkräfte ja willig importiert haben und vor allem in den südlichen Ländern die Fachkräfte ausgeblieben sind, dann plötzlich auch die Armut importieren. Denn was sollen die Leute dort machen? Die haben nichts zu essen, sie kommen natürlich zu uns und führen – zur Freude der GRÜNEN, die ein bisschen politische Anarchie wittern – zum Kollaps. Ich habe sehr gut aufgepasst, in Wirklichkeit wäre es euch lieber, die ganzen Systeme durch einen Kollaps kaputt zu machen, Wirtschaftssysteme kaputt zu machen und dann irgendwo mit einer neuen Revolution, mit Peace oder sonst irgendetwas durchzustarten. Das wird so nicht funktionieren. (Anhaltende ironische Heiterkeit bei SPÖ und GRÜNEN.)
Die Schweiz, ein System, das sich über Jahrhunderte bewährt hat, und wo es auch in den einzelnen Kantonen
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular