Landtag, 26. Sitzung vom 27.06.2013, Wörtliches Protokoll - Seite 9 von 75
Sie haben hier einen Plan in der Hand. Dieser Plan stellt dar, was das Gesetz regelt, nämlich, dass im Wohngebiet die Straßenprostitution verboten ist. So ist sie auch in Liesing im Wohngebiet verboten. Wir haben jetzt Straßenprostitution in Liesing an einem Ort, der laut Flächenwidmung kein Wohngebiet ist, daher ist dort die Straßenprostitution erlaubt. Wir haben aber auf Grund des Ansinnens des Bezirkes und der nahe diesem Industriegebiet wohnenden AnrainerInnen – nämlich im Wohngebiet hinter diesen Supermärkten, wo die Wohnungen stehen – im angrenzenden Wohngebiet eine zeitliche Beschränkung eingeführt.
Diese zeitliche Beschränkung wirkt jetzt, sodass nur zwischen 22 Uhr und 6 Uhr morgens die Prostitution ausgeübt wird. Das heißt, diese Belästigungen, die uns von den Bewohnerinnen und Bewohnern Liesings, die im Umfeld leben, kommuniziert worden sind, diese Belästigungen sind mit dieser zeitlichen Beschränkung abgestellt, denn es steigt ja wohl um 22 Uhr weder ein Kind alleine mit der Schultasche aus einem Bus aus noch muss der Papa mit dem Kindersitz hinten im Auto zum Hofer fahren und die Frauen sehen, denn der Hofer hat zu diesem Zeitpunkt schon zu.
Präsident Johann Herzog: Die 2. Zusatzfrage stellt Frau Abg Hebein. Ich ersuche darum.
Abg Birgit Hebein (Grüner Klub im Rathaus): Guten Morgen, Frau Landesrätin!
Ich finde es sehr wichtig, dass Sie noch einmal bekräftigen, dass Rot-Grün für keine Verdrängung, Kriminalisierung zu haben ist. Vielleicht reden wir tatsächlich über Sensibilität in dieser Frage, denn mir erscheint es schon in keinster Weise in irgendeinem Verhältnis zu stehen, worüber wir diskutieren. Wir haben tausende Frauen in der Sexarbeit. Es gibt maximal 20 Frauen auf der Brunner Straße laut Polizei und NGO. Ich erlaube mir die sensible Frage: Wie geht es denn den Frauen in der Straßenprostitution?
Präsident Johann Herzog: Frau Stadträtin, ich ersuche um Beantwortung.
Amtsf StRin Sandra Frauenberger: Frau Abgeordnete!
Um ganz ehrlich zu sein, nach all den vielen Diskussionen und auch Auseinandersetzungen, die wir hier in diesem Hause zu diesem Thema geführt haben, muss man nach wie vor sagen: Es ist keine politische Debatte, sondern eine Vermischung aus vermeintlichen Interessensvertretungsansätzen und Moral. Deswegen ist das nicht zu gewinnen.
Es geht aber, und das müssen wir eben auch einmal erkennen, bei diesem Thema nicht darum, dass man etwas gewinnt. Und die letzten Glieder in der Kette dieser Debatte sind nicht die Freier – dabei sind sie es letztendlich, die dafür sorgen, dass es Prostitution überhaupt gibt –, sondern das letzte Glied in dieser Debatte sind die Frauen, die Prostituierten selbst.
Ich kenne – ich wiederhole das hier, auch diese Fragen sind ja schon so oft wiederholt worden, also kann ich auch meine Antworten immer wieder wiederholen – kein kleines Mädchen, keine junge Frau, die ist irgendwann einmal dagestanden und hat gesagt, wenn ich groß werde, werde ich Prostituierte. Sondern diese Frauen haben massive Leidenswege und soziale Schwächen und haben oft keine andere Wahl – unter Anführungszeichen –, als in die Prostitution zu gehen.
Nicht alle diese Frauen entsprechen den Vorstellungen von Bordellbesitzerinnen/Bordellbesitzern oder Laufhausbesitzerinnen und Laufhausbesitzern, und haben oft gar keine andere Wahl, als sich auf der Straße zu prostituieren. Abgesehen davon, dass sie auch oft gar nicht in der finanziellen Lage sind, indoor zu arbeiten. Deswegen wird es Straßenprostitution immer geben, wie auch immer wir sie regeln. Aber genau aus diesem Grund braucht es neben der Gesundheitsversorgung, neben der entsprechenden, jetzt sage ich einmal, sozialen Brille, die man aufsetzen muss, wenn man auf diese Frauen schaut, auch entsprechende Angebote.
Wir haben mit SOPHIE und mit LEFÖ zwei Organisationen gefunden, die wirklich als Partnerinnen mit uns arbeiten und sich um diese Frauen kümmern, hervorragendes Streetwork machen. Und die Frauen, die in diesen Organisationen das Streetwork machen, schauen nicht nur auf die Frauen, sondern haben auch zum Beispiel in der Zeit, als wir im 15. Bezirk oder auch in der Leopoldstadt stark ausgeprägte Straßenprostitution gehabt haben, natürlich auch mit den Anrainerinnen und Anrainern gearbeitet; aber ihre Aufgabe ist es auch, zu schauen, dass diese Frauen nicht diskriminiert werden, nicht missbraucht werden und auch nicht Opfer von Gewalt werden, denn das ist auch die Verantwortung unserer Gesellschaft.
Präsident Johann Herzog: Die 3. Zusatzfrage stellt Abg Mag Jung. Ich ersuche darum.
Abg Mag Wolfgang Jung (Klub der Wiener Freiheitlichen): Danke, Herr Präsident.
Ich bin wahrscheinlich nach Ihrer Rechnungsweise ein alter Player, wie Sie es vorher genannt haben, in diesem Bereich, und zwar deswegen, weil es den Bürgern wirklich mehr als nur auf den Nerv geht. Nicht umsonst ist dieses Thema seit Monaten in Liesing, gerade in den Bezirkszeitungen, Thema Nummer 1, kann man sagen.
Es ist jetzt auf unser Betreiben zu einem Antrag gekommen, den eigentlich außer den GRÜNEN der ganze Bezirk mitgetragen hat, was auch bezeichnend ist, der eine zeitliche Einschränkung – aus unserer Sicht kann es nur ein erster Schritt sein – gebracht hat.
Nun sagt Ihre Verhandlungspartnerin in der Koalition, Frau Hebein, diese Maßnahme wäre eine Verdrängung, die keine Probleme löst. Sie sagt wörtlich: „Diese Einschränkung widerspricht den Zielen des Prostitutionsgesetzes und folgt stattdessen dem Floriani-Prinzip. Die zeitliche Einschränkung, die jetzt beschlossen wurde, entspricht einer schleichenden Abschaffung. Hier werde der Spielraum der Polizei auf unverhältnismäßige Art politisch benützt. Die Einschränkung widerspricht den Zielen des Prostitutionsgesetzes.“
Sind Sie dieser Meinung, oder was meint jetzt die Koalition wirklich?
Präsident Johann Herzog: Frau Stadträtin, ich darf um die Antwort bitten.
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