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Landtag, 19. Sitzung vom 13.12.2012, Wörtliches Protokoll  -  Seite 29 von 46

 

lich fortschrittliche Bestimmungen in Wien durchsetzen konnten.

 

Wenn Sie jetzt sagen, der jetzige Entwurf ist ja gegenüber dem ersten ohnedies schon entschärft, dann kann ich dem entgegnen: Ja, er ist ein bisschen entschärft, aber mit einem bisschen kann man sich hier nicht zufriedengeben, denn es ist nach wie vor ein Entwurf der Mächtigen, die die Kontrolle nicht aus der Hand geben wollen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg Dr Kurt Stürzenbecher: Ihre Argumente ... Schlagworte!) - Ich sage Ihnen die Kritikpunkte im Einzelnen:

 

Es beginnt einmal mit dem Präsidenten beziehungsweise der Präsidentin des Gerichts. Diese/dieser wird mit einer nicht notwendigen Machtfülle ausgestattet – worauf ich später noch eingehe - in Bezug auf das Dirimierungsrecht. Und allein bei der Ernennung für eine der wichtigsten und sensibelsten Schaltstellen in der Stadt gelten gerade einmal die minimalsten Transparenzerfordernisse. Es gibt kein echtes Hearing, es gibt keine nachvollziehbaren Procedere bei der Bestellung. Das heißt, es ist sogar so, dass die Landesregierung über den Präsidenten oder die Präsidentin entscheidet beziehungsweise sie ernennt. (Abg Dr Kurt Stürzenbecher: Das ist in der Verfassung, in der Bundesverfassung so vorgesehen!) Entschuldigung, nein: Die Regierungsfraktionen ernennen ihn unter Vorgabe der SPÖ. Und ganz versteckt im Gesetzestext nennen Sie eine Kommission, die Sie nebenbei erwähnen, die ein fachliches Gutachten über den Kandidaten abgibt.

 

Oberösterreich zum Beispiel hat es transparenter und objektiver gemacht. Da gibt es eine wirkliche Begutachtungskommission mit transparenten und objektiven Regelungen.

 

Der zweite Kritikpunkt ist die Zusammensetzung des wichtigen und sensiblen Geschäftsverteilungsausschusses. Das ist unserer Meinung nach überhaupt verfassungswidrig. Der Ausschuss soll in Wien aus nur vier Mitgliedern bestehen, und zwei davon sind der Präsident und der Vizepräsident, und der Präsident hat ein Dirimierungsrecht. Das heißt, damit ist immer eine Mehrheit der politisch bestellten Amtsträger gesichert. Das ist mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine unabhängige Gerichtsbarkeit unvereinbar. (Beifall bei der ÖVP.) Und es läuft den Zielen der Reform absolut zuwider.

 

Es geht ja auch anders. Wie gesagt, bei den bereits heute beim UVS bestehenden Regelungen hat man normale, von der Vollversammlung gewählte Richter, mit drei in der Mehrheit. Und weiter, auch beim Bundesverwaltungsgericht und praktisch allen Bundesländerverwaltungsgerichten ... - Können Sie bitte etwas leiser sein, links von mir? Entschuldigung! An die Fraktion der FPÖ: Etwas leiser, wenn es geht. - Danke.

 

Präsidentin Marianne Klicka (unterbrechend): Darf ich Sie bitte um etwas mehr Ruhe im Saal ersuchen. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Abg Mag Barbara Feldmann (fortsetzend): Es bedeutet diese Vorlage aus meiner Sicht, dass wir in Wien keine wirklich unabhängigen Richter garantieren können und dass im Extremfall politisch entschieden wird, welcher Richter für welchen Fall zuständig ist.

 

Meine Damen und Herren! Hier geht es auch um Augenscheinsunabhängigkeit. Das heißt, diese Regelung wird der Prüfung des Verfassungsgerichts nicht standhalten können.

 

Einer der Hauptkritikpunkte ist im Zusammenhang damit zu sehen, dass dieses Gericht unzählige neue Kompetenzen bekommen wird. Es wird über jene Fälle entscheiden, die heute die Spezialberufungsinstanzen haben, wie der Berufungssenat, die Abgabenberufungskommission, die Bauoberbehörde oder der Vergabekontrollsenat. Das heißt, qualitativ und quantitativ wird das ein Mehr.

 

Und was machen Sie in der rot-grünen Stadtregierung? - Sie stocken auf Grund dieses Mehraufwands in diesem hochsensiblen Bereich nicht etwa die Richterdienstposten auf. Nein, Sie machen aus dem Verwaltungsgericht ein Rechtspflegergericht. Ich sage, Rechtspfleger sind an und für sich eine gute und begrüßenswerte Institution, aber sie werden hier zu Nebenrichtern gemacht. Und in Wien gibt es für Rechtspfleger nur einen einjährigen Lehrgang, im Bund hingegen einen dreijährigen. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Das heißt, diese Rechtspfleger bekommen vom Geschäftsverteilungsausschuss wie die echten Richter eigene Aufgaben zugewiesen, die Richtermaterie sind. Ich weiß, Sie beteuern, dass die Richter in Einzelfällen das an sich ziehen können, aber Sie wissen genau, wie das in der Praxis gehandhabt wird.

 

Zu den Rechtspflegern selbst: Viele werden aus dem Magistrat kommen. Sie werden gehaltsmäßig, beförderungsmäßig und dienstrechtlich viel zu eng an den Magistrat gekoppelt sein. Wir bieten hier als ÖVP unsere Unterstützung an: Wir werden neben dem Abänderungsantrag zum vorliegenden Organisationsgesetz auch einen Abänderungsantrag zum dazugehörigen Dienstrechtsgesetz einbringen.

 

Meine Damen und Herren! Ich bringe zunächst einen Abänderungsantrag ein, welcher die genannten und noch weitere Kritikpunkte aufgreift und einer Lösung zuführen will. Ich bitte Sie, stimmen Sie diesem Abänderungsantrag zu, denn er dient einer Aufwertung des Verwaltungsgerichts zu einem Gericht, das in diesem Fall das Attribut wirkliche Unabhängigkeit führen kann.

 

Und wenn Sie nicht zustimmen, dann kann ich nur sagen, die beiden Gesetzentwürfe bedeuten in dieser Form einen klaren Rückschritt hinter den aktuellen Stand des bestehenden Unabhängigen Verwaltungssenats und drehen das Rad der Zeit in längst vergangen geglaubte Zeiten zurück. Es drohen massenhaft Entscheidungen, die auf Grund wahrscheinlicher Verfassungswidrigkeit angefochten und aufgehoben werden könnten.

 

Ich kann nur hoffen, ich wünsche es dem Gericht als Institution, vor allem den dort arbeitenden Richterinnen und Richtern, den Rechtspflegerinnen und Rechtspflegern und allen anderen Bediensteten, dass Sie zu dieser Reform in letzter Minute bereit sind. - Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Präsidentin Marianne Klicka: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abg Dr Vana. Ich erteile es ihr.

 

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