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Landtag, 33. Sitzung vom 24.06.2010, Wörtliches Protokoll  -  Seite 86 von 100

 

EU-BürgerInnen auf kommunaler Ebene das Wahlrecht einzuräumen ist. Ich darf zitieren aus Art 20 Abs 2 lit b des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union – mit dem Lissabon-Vertrag ist dieses Recht erneuert geworden –, der besagt, dass Unionsbürgerinnen und Unionsbürger unter anderem das Recht haben, „in dem Mitgliedstaat, in dem sie ihren Wohnsitz haben, das aktive und passive Wahlrecht bei ... den Kommunalwahlen auszuüben." Es ist dies verpflichtend und bindend.

 

Auch Art 117 Abs 2 der österreichischen Bundesverfassung normiert: „Die Wahlen in den Gemeinderat" – wohlgemerkt in den Gemeinderat, nicht eine abstrakte Formulierung der kommunalen Ebene, wie man juristisch noch argumentieren könnte, dass durch die EU-Richtlinie von 1994 die kommunale Ebene beschränkt ist auf die Bezirksebene, nein, die Bundesverfassung normiert hier den Gemeinderat – „finden auf Grund des gleichen, unmittelbaren, geheimen und persönlichen Verhältniswahlrechts aller Staatsbürger statt." Ich lasse jetzt ein bisschen was aus. „Unter den von den Ländern festzulegenden Bedingungen steht das aktive und passive Wahlrecht auch den Staatsbürgern anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu."

 

Es ist dies also eine Norm, die wir umzusetzen haben und leider immer noch nicht umgesetzt haben, obwohl es ja verschiedene Vorstöße gab. Sie wissen das. Es gibt eigentlich, seit wir der Europäischen Union beigetreten sind, seitens der Grünen und anderer aktiver EU-Bürger und -Bürgerinnen den Versuch, dieses Recht natürlich umzusetzen. Es gab schon Klagen gegen die Wählerevidenz, auch etliche Debatten in diesem Haus, und ich denke, es ist letztlich keine wirklich juristische Frage.

 

Das Wahlrecht für den Gemeinderat darf nicht eine rein juristische Frage sein, sondern es ist eine politische Frage, ob wir es endlich wollen, dass den 100 000 EU-BürgerInnen, denen dieses Recht zusteht, auch endlich das Recht haben, den Gemeinderat zu wählen. Es ist für uns ein demokratiepolitisch wirklich unerträglicher Zustand, dass dies noch immer nicht umgesetzt ist.

 

Ich finde es sehr schade, dass auf unseren Vorstoß – wir haben am Dienstag ja eine Pressemeldung gemacht, in der wir einen neuen Vorstoß für das Wahlrecht für EU-BürgerInnen angekündigt haben – nicht eingegangen wurde, und wir sind eigentlich verwundert und enttäuscht, dass die SPÖ in Person des Klubvorsitzenden Lindenmayr so harsch und ablehnend auf unseren Vorstoß reagiert hat, weil wir ja eigentlich vor Jahren gemeinsam beschlossen haben, das so genannte AusländerInnenwahlrecht einzuführen. Der Herr Kollege Lindenmayr hat sich hier auf einen formaljuristischen Standpunkt zurückgezogen, indem er meinte, im Zuge der damaligen Debatte habe der Verfassungsgerichtshof im Rahmen der Aufhebung des AusländerInnenwahlrechts ja beschieden, dass auch für EU-BürgerInnen dieses Wahlrecht nicht möglich wäre. Das ich unrichtig.

 

Meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie! Ich finde es schade, dass Sie hier solche in unseren Augen fadenscheinige und auch falsche Argumente bringen, denn mitnichten hat sich der Verfassungsgerichtshof damals auf die EU-Bürger und EU-Bürgerinnen bezogen, sondern ausschließlich das Wahlrecht für so genannte Drittstaatsangehörige aufgehoben, nicht für EU-Bürger und EU-Bürgerinnen. Diesen ist es also zu gewähren, und es ist höchst an der Zeit, dass wir auch mit allen Mitteln, die uns zur Verfügung stehen, versuchen, dieses Wahlrecht in Wien einzuführen, und sei es durch eine Änderung der Bundesverfassung.

 

Meine Damen und Herren! Es geht hier um die Demokratie, es geht hier um die Weltoffenheit Wiens, und es geht hier letztendlich auch um eine Vorreiter- und Vorreiterinnenrolle Wiens in Europa. Der Herr Bürgermeister hat heute in einem langen Plädoyer zur Europapolitik im Rahmen einer mündlichen Anfrage sehr glaubwürdig davon gesprochen, dass er findet, es gibt viel zu wenig Demokratie in Europa, er hat davon gesprochen – ich habe mir seine Zitate aufgeschrieben –, der Lissabon-Vertrag ist erst der Anfang der Demokratie in Europa und darf nicht das Ende sein, und er hat auch davon gesprochen, dass man Allianzen finden sollte mit Städten, die ähnliche Problemlagen haben wie Wien, also Stadt und Land sind, wie Berlin, Hamburg und Bremen, um hier gemeinsam europapolitische Fortschritte zu machen.

 

Und genau darum geht es in der Frage des Wahlrechtes für EU-BürgerInnen. Es ist uns bewusst – das werden Sie von der SPÖ wahrscheinlich argumentieren –, dass die EU-Richtlinie in diesem Fall nur ein Mindeststandard ist und das Wahlrecht nicht zwingend auf die regionale Ebene, sprich den Landtag, ausdehnt. Ja, das stimmt. Aber, wie schon gesagt, die EU-Richtlinie, das EU-Recht sieht Mindeststandards vor. Es gibt keinerlei Grund, dass wir als Wiener Landtag nicht sagen, wir wollen bessere, wir wollen höhere demokratiepolitische Standards und daher das Wahlrecht sowohl für den Gemeinderat als auch in Folge für den Wiener Landtag auch EU-BürgerInnen einräumen.

 

Ich erwarte eigentlich von der Sozialdemokratie, die sich in der Vergangenheit oft für dieses Wahlrecht ausgesprochen hat, dass Sie uns Grüne auch bei den nächsten Schritten in dieser Frage unterstützen, nämlich bei einer entsprechenden Anfrage an die Europäische Kommission, beim Gang vor den EuGH und auch bei einer Reform der entsprechenden Wahlrechtsrichtlinie im Europäischen Parlament. Das erwarten wir eigentlich auf Grund Ihrer Äußerungen in der Vergangenheit. Wir finden es sehr schade, dass Sie so ablehnend auf unseren Vorstoß des EU-BürgerInnen-Wahlrechtes reagiert haben. (Abg Godwin Schuster: Wie lautet der Antrag? Lesen Sie den Antrag vor!)

 

Den Antrag wird formal mein Kollege Schreuder stellen, ich als Stadträtin darf in diesem Gremium keinen Antrag stellen. Sie werden den Antragstext jetzt

 

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