Landtag,
30. Sitzung vom 26.03.2010, Wörtliches Protokoll - Seite 70 von 82
dieser Probleme treffen auf Wien zu? – Ich sage Ihnen: Statistisch
ist die Wahrscheinlichkeit, einem aggressiven und gefährlichen Hund zu
begegnen, in Wien ziemlich hoch, und zwar aus einem sehr simplen Grund. In Wien
gibt es an die 50 000 gemeldeten Hunde und darüber hinaus mindestens noch
einmal so viele. Das ist angeblich die Dunkelziffer der Hunde, die nicht
gemeldet sind, für die keine Steuer entrichtet wird und hinsichtlich welcher
man keine Ahnung hat, wie sie gehalten werden und ob es sie überhaupt gibt oder
nicht.
Wie meine Vorrednerin gesagt hat, spielt sich Hundehaltung im
Wesentlichen auch im Freien und im öffentlichen Raum ab. Das kann man in den
Parks und auf den Gehsteigen sehen, und man kann es auch jedes Wochenende im
Wienerwald erleben, wo auch ich mit meinem Hund unterwegs bin.
Im Übrigen möchte ich an dieser Stelle anmerken, dass diejenigen von
uns, die einen Hund haben, vermutlich viel besser wissen, wovon sie sprechen,
als diejenigen, die keinen haben. Hundehalter wissen nämlich, dass Hunde mit
Aggressionsproblemen nicht nur für Menschen brandgefährlich sein können,
sondern auch und vor allem für andere Hunde. So werden in Wien kleinere Hunde
regelmäßig tot gebissen, ich glaube, de facto sind jedes Wochenende welche zu
beklagen. Aber das ist halt für die Zeitungen nicht so spannend und wird
logischerweise nicht so ausgeschlachtet, wie wenn ein Mensch und gar ein
Kleinkind zu Schaden kommt. Dafür gibt es in den vergangenen Jahren viele
tragische Beispiele.
Das heißt, es liegt in unserem Interesse, dafür zu sorgen, dass
möglichst jeder Hund in Wien richtig gehalten wird und ein kompetentes Herrchen
oder Frauchen hat, denn auch jeder Hund in Wien verdient es, gut und artgerecht
gehalten zu werden und letztlich so etwas wie Lebensqualität zu haben.
Auf der anderen Seite – und das sage ich auch ganz
offen, denn das ist der Schwerpunkt meiner Überlegungen, und das ist auch mein
Herzensanliegen – verdient es jedes Kind, in dieser Stadt aufwachsen
zu können, im Wald laufen und in Parks spielen zu können, ohne Gefahr zu
laufen, von einem aggressiven Hund angefallen zu werden, der entweder das Kind
mit der Beute verwechselt oder aus anderen Gründen auf das Kind losgeht und es
manchmal schwer verletzen, manchmal aber auch tot zurücklassen kann.
Ich habe hier in diesem Haus mehrfach gesagt, dass die Größe des Hundes
relativ uninteressant ist, wenn wir von kleinen Kindern sprechen. Um einen
Erwachsenen schwer zu verletzen oder gar zu töten, braucht es einen relativ
mächtigen Hund, aber für ein Kleinkind kann sogar die Begegnung mit einem
aggressiven Dackel sehr böse ausgehen. Mein kleiner Jack Russel Terrier könnte
theoretisch ein Kind töten. Ein Dackel wird wahrscheinlich ein Kind nicht töten
können, aber er kann es schwerst verletzt zurücklassen. Deshalb macht es Sinn,
wenn man sich jetzt endlich nach vielen Jahren Gedanken darüber macht, wie man
das Problem in den Griff bekommen und wie man dafür sorgen kann, dass es
möglichst selten zu solchen tragischen Zwischenfällen kommt, dass man das Ganze
nicht entlang irgendwelcher – verzeihen Sie mir den
Ausdruck, aber ich muss ihn jetzt verwenden! – stupider Parteigrenzen
löst, sondern dass man sich einer Debatte stellt, die offen ist und in der das
Problem nüchtern betrachtet wird.
Das Problem sind aggressive Hunde, das können Dackel, Jack Russel
Terrier, Golden Retriever, Schäferhunde, Staffordshire Terrier oder Pit Bull
Terrier sein. So ist es und nicht anders, und jeder von Ihnen, der hier sitzt
und sich diese Debatte anhört, weiß das! Daher erschließt sich mir der tiefere
Sinn Ihres Handelns heute nicht. Warum wird ignoriert, dass jeder Hund
potenziell gefährlich sein kann?
Man weiß, dass Schäferhunde viel häufiger in Wien gehalten werden und
abgesehen davon häufig in der Hundebissstatistik aufscheinen. Man weiß, dass
Golden Retriever in den letzten Jahren die heißen Aufsteiger in der
Hundebissstatistik sind, weil sie als Familienhunde verbreitet sind und auch
Aggressionsprobleme haben können. Tierärzte sagen uns, dass inzwischen die
meisten Hunde, die sie während eines Jahres wegen Angriffen auf Menschen
einschläfern müssen, Golden Retriever sind. – Wenn wir all das wissen,
warum wird das einfach ignoriert? Warum wird das ignoriert, anstatt dass man
das einzig Sinnvolle und Logische tut, nämlich eine Hundeführscheinpflicht für
alle Hunde ab einer gewissen Größe einzuführen? Nein, das geschieht nicht,
sondern Sie versteifen sich auf eine Liste, auf der bestimmte Hunderassen, die
als besonders gefährlich eingestuft werden, vermerkt sind: Nur für diese soll
die Hundeführscheinpflicht gelten.
Das, meine Damen und Herren, ist der falsche Weg! Das ist jetzt ein
Tropfen auf den heißen Stein. Diejenigen, die wollen, das etwas geschieht, werden
sich freuen und applaudieren. Das ist ja verständlich. Wenn man will, dass wir
das Problem mit aggressiven Hundsviechern in den Griffen bekommen, wird man
applaudieren, dass jetzt zumindest ein paar davon auf eine Liste von Hunden
kommen, für welche die Hundeführscheinpflicht gilt.
Das ist aber nur die Spitze des Eisbergs, und das Problem löst man
damit nicht. In der Praxis wird sich dieser Weg als Irrfahrt erweisen. Es ist
nämlich sehr schwierig, wenn man auf bestimmte Rassen abstellt, nachzuweisen,
ob eine bestimmte Rasse auch bei Mischlingen dabei ist und zu welchem Anteil.
Und die meisten Wiener Hunde sind Mischlinge. – Das heißt, wir beschließen
hier einen zahnlosen Papiertiger. Einige wenige Hunde und ihre Herrchen werden
den Hundeführschein Gott sei Dank endlich absolvieren müssen, der ganze Rest
bleibt davon aber unberührt. Das wissen wir, und das wissen Sie.
Warum Sie sich daher einmal mehr auf diese
Vorgangsweise versteifen, ist mir völlig unklar! Warum nehmen Sie diese
Verantwortung auf sich? Wir können uns jetzt schon vorstellen, was für eine
Debatte es hier spätestens dann geben wird, wenn der nächste Schäferhund
jemanden angefallen und gebissen hat! Sie können sich wahrscheinlich
vorstellen, was geschehen wird, wenn ein
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