Landtag,
30. Sitzung vom 26.03.2010, Wörtliches Protokoll - Seite 49 von 82
dazu." - Auch mir ist es überhaupt nicht jedes Mal recht, wenn ich
Menschen betteln sehe. (Abg Franz Ekkamp:
Na geh'!) Ich gestehe, auch ich schaue manchmal weg. Manchmal gebe ich auch
etwas her. Und warum das Pervertierte, das Aggressive einmal in den Griff zu
kriegen? Ich gebe eher jemandem etwas, der mich anspricht. Ich sage, wie es
ist. Weil ich finde die devote Haltung, Blick auf den Boden, Körbchen in der
Hand, am allerschlimmsten. Das ist für mich das Schlimmste! Das macht mir das
schlechteste Gewissen, wo ich mir denke, eigentlich will ich es gar nicht
sehen. Aber niemals würde ich auf die Idee kommen und sagen, deshalb vertreiben
wir die Menschen, deshalb nehmen wir ihnen die letzte Möglichkeit, zu Geld zu
kommen. Mit dieser Verunsicherung müssen wir in einer reichen Gesellschaft
leben. Ich halte das für wichtig. Ich halte das auch für richtig. Deshalb hoffe
ich immer noch, dass zumindest bei manchen von Ihnen die Auseinandersetzung des
heutigen Tages dazu führt, dass man es genauso macht, wie die Organisationen
Caritas, Samariterbund, Rotes Kreuz, Hilfswerk, Bettlerlobby, SOS Mitmensch,
Wohnungslosenhilfe, Neustart, Armutskonferenz und Augustin vorschlagen, dieses
Gesetz einfach abzulehnen, dieses Gesetz zurückzuziehen, dieses Gesetz heute
einfach nicht zu beschließen.
So lese ich als letzte Stellungnahme die von Philipp Sonderegger von
SOS Mitmensch vor: „Ich bin Penner, was seid ihr? Die Polizei soll
‚Verwahrloste' leichter wegweisen können. Sie wird zur Vollstreckerin privater
Interessen. Uns versucht die Politik als KomplizInnen beim Zurückdrängen des
öffentlichen Raums zu vereinnahmen. Nächste Woche, am 26. März 2010, soll
im Wiener Landtag das Landes-Sicherheitsgesetz novelliert werden. ... Nach
aggressivem Betteln soll künftig auch gewerbsmäßiges Betteln strafbar sein. Von
der Polizei des Platzes verwiesen werden können soll künftig, ... wer
andere am Zugang zu öffentlichen Einrichtungen hindert ... und wer andere in unzumutbarer
Weise beim ‚widmungsgemäßen Gebrauch' öffentlicher Einrichtungen
einschränkt."
Jetzt nehme ich kurz einmal diesen Exkurs, vom Bettelverbot weg, zum
Wegweiserecht, auf. Mit der vorgeschlagenen Änderung kann, auch wenn klar ist,
dass das Demonstrationsrecht das höherwertige ist, jede Demonstration aufgelöst
werden. Denn jede Demonstration behindert Menschen, wie im Gesetz beschrieben,
am Zugang zum öffentlichen Raum. Nur, um das einmal auf den Punkt zu bringen.
Ich erlaube mir noch einen weiteren Exkurs, indem ich die ursprüngliche
Begründung vorlese. In einem Gesetzgebungsverfahren läuft es normalerweise so
ab, dass ich mir überlege, was ich will. Dieses ist im Normalfall die
Begründung. Dann schreibe ich ein Gesetz, das zu meiner Begründung passt. In
der Begründung ist gestanden: „Diese Belästigungen werden von Personen
hervorgerufen, die sich vorwiegend in Gruppen aufhalten, zum Beispiel
Suchtmittelabhängige, Obdachlose, Mitglieder organisierter Bettelbanden, und
bestehen darin, dass diese Personen allein durch ihr verwahrlostes Auftreten
eine erhebliche Verunsicherung auslösen und die Bürgerinnen und Bürger von der
widmungsgemäßen Nutzung der öffentlichen Einrichtung abhalten." (Abg Dr Kurt Stürzenbecher: Du weißt, dass
das gestrichen worden ist!) - Ja, ich weiß, das ist gestrichen worden. (Abg
Dr Kurt Stürzenbecher: Damit ist es gegenstandslos!) Bei einer gewissen Glaubwürdigkeit hätte ich mir gedacht, wenn
sich die Begründung ändert, dann wird sich auch der Gesetzestext ändern. Hat
sich aber nicht!
Es tut mir echt leid, ich kann Ihnen, der Sozialdemokratie, es nicht
abnehmen, dass sie von ihrem ursprünglichen Ziel, alles und jedes, was
verwahrlost aussieht, wegzuweisen, abgegangen ist. Es hat auch die Diskussion
heute diesbezüglich überhaupt nichts Erhellendes beigetragen. Wir haben gehört,
gewerbsmäßig interpretiert hinkünftig die Polizei. Wir haben gehört, dass es
viele gute Möglichkeiten für Projekte, die man machen soll, um den Menschen zu
helfen, gibt, ohne dass ein einziges heute vorliegt. (Abg Nurten Yilmaz: O
ja!) Wir haben heute eine allgemeine Diskussion darüber gehabt und Sie
haben uns immer noch nicht gesagt, was eigentlich mit den armen Menschen, die
wegen des Bettelverbotes auf Grund des Landes-Sicherheitsgesetzes mitgenommen
werden. Sie werden Strafe zahlen, obwohl sie die Ärmsten der Armen sind. Sie
werden Strafe zahlen, wenn sie sich noch einmal hinsetzen. Sie werden sich
nicht wehren können, weil sie keine Anwälte haben.
Ein Satz noch dazu: Wenn die Mafia darauf angewiesen wäre, von dem, was
Menschen erbetteln, zu leben, dann frage ich mich, warum es tatsächlich mafiöse
Zustände im Waffenbereich, im Drogenbereich und im Wirtschaftsbereich gibt. Von
den paar Netsch, die alle Wiener Bettler zusammen an einem Tag erbetteln, soll
eine Mafia reich werden? (Abg Nurten
Yilmaz: Nein, nicht eine Mafia!) Leute, noch einmal, es spielt sich nicht
so ab! Das Leben in Armut ist eines, das hoffentlich niemand von uns am eigenen
Leib verspüren muss. Aber das Leben in Armut ist gleichzeitig ein Leben in
Perspektivlosigkeit, wo sich Menschen an einen Strohhalm, wie betteln zu
dürfen, klammern. Und das wollen Sie ihnen nehmen!
Damit fordere ich abschließend im Sinne § 28 Abs 1a unserer
Geschäftsordnung eine namentliche Abstimmung über die Gesetzesvorlage. - Danke
sehr. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Präsident Prof Harry Kopietz:
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich erkläre die Verhandlung für
geschlossen und erteile der Berichterstatterin das Schlusswort. - Bitte, Frau
Stadträtin.
Berichterstatterin Amtsf StRin Sandra Frauenberger: Herr
Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren!
Es ist viel diskutiert worden. Es ist viel interpretiert und viel
hineingedeutet worden. Wir haben hier einen Entwurf vorliegen, der im Wiener
Landes-Sicherheitsgesetz folgende Änderungen tatsächlich vorsieht:
Im § 2 Abs 1 soll der Begriff unter
Punkt a) „oder gewerbsmäßig" eingefügt werden und im § 3 geht es
darum, unter Punkt 2) den Bereich des widmungsgemäßen
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