Landtag,
30. Sitzung vom 26.03.2010, Wörtliches Protokoll - Seite 38 von 82
volle Überzeugung geben, ich bin jemand, ich kann
etwas leisten. (Beifall bei der ÖVP.)
Präsident Heinz Hufnagl: Ich darf für das Protokoll festhalten, dass Herr
Abg Gerald Ebinger aus einer dringlichen familiären Verpflichtung heraus und
der Abg Wolfgang Gerstl berufsbedingt für diese Sitzung und deren weiteren
Verlauf entschuldigt sind.
Zum Wort gemeldet ist Frau Abg Yilmaz, ich erteile
es ihr.
Abg Nurten Yilmaz (Sozialdemokratische
Fraktion des Wiener Landtages und Gemeinderates): Sehr geehrter Herr
Präsident! Sehr geehrte Frau Landesrätin! Hohes Haus!
Es wird in Wien kein Bettelverbot geben. Was wir
heute beschließen, ist ein Schutz von Personen, die ausgenutzt und benutzt werden
und ein Schutz der Allgemeinheit. Betteln wird weiterhin erlaubt sein, das zur
Klarstellung. Und worum geht es hier heute:
Wir haben vor zwei Jahren hier im Rathaus
beschlossen, dass das Betteln mit Kindern und Kleinkindern verboten wird. Die
meisten von Ihnen haben unserem Verlangen zugestimmt, leider nicht alle. Heute
sind die Kleinkinder verschwunden, das Betteln mit Kleinkindern gibt es nicht
mehr. Aber wir haben heute ein anderes Problem, um das wir uns kümmern müssen.
Es geht um Organisationen, die deshalb nach Wien kommen, um durch Betteln
Einnahmen zu erzielen. Dazu ist vielleicht Folgendes zu klären: Wenn ich einer
Bettlerin einen Euro gebe, wie viel von diesem einen Euro bleibt ihr? Ich
behaupte, sehr wenig bis gar nichts, denn diese armen Menschen, die da
stundenlang auf den Gehsteigen sitzen oder stehen, diese Personen werden
skrupellos von Hintermännern ausgenutzt, der Löwenanteil der Bettlereinnahmen
geht an die Hintermänner und ihnen bleibt gar nichts oder sehr wenig.
Und jetzt frage ich Sie: Wollen Sie das, wollen Sie
Organisationen fördern, die sich oft auf Kosten behinderter Menschen
bereichern? Wir wollen das nicht. Und jetzt beginnen die Probleme, denn wie
schaffen wir es, das Ausnutzen von abhängigen Menschen zu verhindern. Wir wissen
alle, wie es nicht geht, nämlich, indem wir alles so lassen, wie es ist. Damit
ist weder den Bettlerinnen und Bettlern geholfen noch den Bürgerinnen und
Bürgern, sondern nur den Hintermännern ist geholfen, denn die kassieren
bekanntlich das Geld. Ich habe selbst gesehen, wie der Umgang der Hintermänner
mit ihren Bettelopfern tatsächlich erfolgt. Hier geht es nicht um freiwilliges
Betteln, hier geht es nicht um Selbstbestimmtheit, hier geht es nicht um
Freiheit, und schon gar nicht um freie Berufswahl. Wir haben es mit sehr straff
organisierten Banden zu tun, für die diese Menschen einzig und allein eine
Möglichkeit sind, um zu Geld zu kommen.
Also, noch einmal zur Klarstellung: Wir haben nichts
gegen Bettelei, jeder Mensch in einer Notsituation darf andere Menschen um
Hilfe bitten. Wir haben aber sehr wohl etwas dagegen, dass Menschen bei uns
betteln müssen, weil andere Menschen sie dazu zwingen. Wir haben etwas dagegen,
dass Menschen über die Grenze nach Wien gebracht werden, damit sie Schulden
begleichen, die ihre Familien bei Wucherern haben.
Sehr geehrte Damen und Herren, von Seiten der
Opposition sind einige Vorschläge gekommen, wie man mit dem Betteln in Wien
umgehen soll, kluge und weniger kluge. Die FPÖ ist für ein generelles
Bettelverbot, das lassen wir einmal so stehen, aber auch die ÖVP will ein
generelles Bettelverbot, weil es die Arbeit der Polizei erleichtern würde. Das
ist ein pragmatischer Zugang, Herr Dr Ulm, das wird ein bemerkenswerter
Paartanz der ÖVP mit der FPÖ. Die rechtslastige Ausrichtung des
ÖVP-Akademikerbundes ist offensichtlich kein Zufall, sondern Programm. Aber welche Vorschläge sind
von den Grünen gekommen, um den
bettelnden Menschen in Wien zu helfen? Richtig, keine. Sie haben keine
Vorschläge, sie haben ihre ganze Energie in den letzten Tagen und Wochen dazu
verwendet, unseren Ansatz als das Böseste darzustellen, das es geben kann.
Sehr geehrte Damen und Herren, soweit zu den
konstruktiven Ideen der Opposition, wie wir das Bettelverbot in Wien lösen
können.
Wir haben uns sehr intensiv mit der Materie
auseinandergesetzt, und dies ist kein Entschluss, der uns leicht gefallen ist.
Aber können wir erstens zulassen, dass private Organisationen ihr eigenes
System des Zwangs und der Drohung in Wien umsetzen, können wir zweitens
zulassen, dass neben dem Rechtsstaat eine eigene, ungerechte Ordnung der
Unterdrückung von Menschen etabliert wird? Das können wir nicht, denn dieses
organisierte Bettlertum schadet dem Aufbau eines funktionierenden, sozialen
Rechtsstaates in den betroffenen neuen EU-Mitgliedsländern. Wer es gestattet,
dass in Wien Menschen deshalb auf der Kärntnerstraße frieren müssen, weil ihre
Familie bei ihren üblen Kreditgebern Schulden hat, der arbeitet der
organisierten Kriminalität in die Arme.
Daher die Änderung des Landes-Sicherheitsgesetzes.
Gewerbsmäßiges Betteln wird verboten. Wir geben damit auch der Polizei die
notwendigen Instrumente, um gegen die Hintermänner des Bettlerwesens vorgehen
zu können.
Und worum geht es bei dem zweiten Teil der Novelle, beim
Wegweiserecht: Es geht darum zu verhindern, dass Park- und Kinderspielplätze
nicht mehr für Familien und Kinder unbenutzbar sind, es geht darum, dass
Krankenhäuser problemlos aufgesucht werden können und es geht darum, dass
Menschen in schwierigen Situationen nicht drangsaliert werden. Es geht um
Situationen, wo Menschen davon abgehalten werden, diese öffentlichen Orte zu
besuchen und in nicht zumutbarer Weise beeinträchtigt werden.
Es geht nicht um Auflösung der Demonstrationen, wie
Martin Margulies meinte, das ist eine absurde Interpretation. Wer die
Geschichte der Sozialdemokratie kennt, der weiß, wie wichtig für uns das
Demonstrationsrecht ist. Wir wollen den Zugang zu öffentlichen Einrichtungen
sicherstellen, zu sozialen und medizinischen Einrichtungen zum Beispiel. An
sich sollte so etwas selbstverständlich sein, dass jemand, der eine öffentliche
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