Landtag, 2. Sitzung vom 16.12.2010, Wörtliches Protokoll - Seite 45 von 48
lich im Kleinkrieg! Da werden nicht die großen Gelder ausgegeben, sondern da wird an den kleinen Leuten gespart. Ich meine, es kann doch nicht sein, dass jemand diesbezüglich nicht entsprechend versorgt ist. Das hat ja auch entwürdigende Folgen und irgendwann einmal auch medizinische Konsequenzen.
Ich würde mich echt freuen, wenn die FPÖ-Abgeordneten aufpassen würden! Auch Sie werden einmal alt, und vielleicht brauchen Sie einmal Pull-ons! Also passen Sie jetzt schon auf und reden Sie nicht über Dinge, die nicht zur Sache gehören! Ich wünsche mir von Ihnen, dass Sie zuhören! (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.)
Die nächste Anmerkung in diesem Bericht im Zusammenhang mit der Pflegebedürftigkeit ist, dass die 24-Stunden-Betreuung für viele nicht leistbar ist, weil sie sich schlicht und einfach die Differenz zwischen dem, was sie über das Pflegegeld bekommen, und dem, was es kostet, einfach nicht erwirtschaften können und nicht auf der hohen Kante haben. Auch das ist ein Kritikpunkt, den man sehr stark unterstützen muss.
Wir reden immer von Nahtstellenmanagement. Allerdings sind in den Krankenhäusern die Kapazitäten an SozialarbeiterInnen viel zu gering bemessen. Es kann nicht sein, dass alten Menschen niemand hilft, ein Formular auszufüllen oder die Wohnungsadaptierung zu organisieren. Das sind Leistungen, die durch SozialarbeiterInnen zu erbringen sind. Auf diese Weise werden oft auch Folgekosten und vor allem persönliches Leid verursacht. Sozialarbeiter in den Spitälern sind wichtig und sollten ausreichend zur Verfügung stehen.
Über Procuratio-Fälle haben wir in diesem Haus schon sehr oft gesprochen. Für jene Kolleginnen und Kollegen, die neu sind und vielleicht mit diesem Wort nichts anfangen können, erläutere ich: Procuratio-Fall klingt so technisch legistisch. In Wirklichkeit geht es dabei um Menschen, die in Spitälern liegen, obwohl sie keine Krankheitsbehandlung mehr bekommen. Das heißt, sie sind vom Gesichtspunkt des Spitals her austherapiert, werden aber noch immer dort behalten, weil sie quasi so bedient sind, dass sie nicht nach Hause gehen können, obwohl sich jeder gerne aus dem Spital in häusliche Pflege begibt. Diese Menschen liegen einfach dort, weil es noch keine Anschlussbetreuung in einem Pflegeheim, in sonst einer Einrichtung oder in einem familiären Kontext gibt.
Sie werden Procuratio-Fälle genannt, sie liegen da, und im Grunde geht der Krankenhausbetrieb über sie hinweg. Sie sind dort wie bestellt und nicht abgeholt. Wir haben immer wieder kritisiert, dass Procuratio-Fälle eine Fehlversorgung sind und dass das auch ethisch ganz verkehrt ist, wenn das Management nicht ausreichend für Anschluss sorgt. Der Herr Patientenanwalt hat hier aber auch auf eine neue Dimension des Problems hingewiesen, die mir nicht bewusst war. Es verhält sich nämlich mittlerweile so, dass die Spitäler jemanden sehr schnell – und in einem konkreten Fall vorschnell – zum Procuratio-Fall erklären.
Im konkreten Fall geht es um eine alte Dame, die unter Übelkeit, Durchfall, Erbrechen und Austrocknung litt. Alle, zumindest die Angehörigen und wahrscheinlich die Betroffene selbst auch, hatten den Eindruck, dass sie Spitalsbehandlung braucht. Und sie war ja auch im Spital. Allerdings hat das Spital sie nach kurzer Verweildauer zum Procuratio-Fall erklärt.
Welche Konsequenzen hat das? – Sie war dort. Ob die Visite im entsprechenden Ausmaß angesetzt wurde, weiß ich nicht, sie war ja austherapiert. Die Kosten für zirka drei weitere Wochen Spitalsaufenthalt wurden jedenfalls schlicht und einfach nicht mehr bedeckt, und damit entsteht natürlich ein Härtefall für die Familie: Die Mama liegt im Spital und wird nicht als Spitalspatientin gewertet, trotzdem entstehen Kosten.
Auch hinsichtlich des Pflegegelds lässt der diesjährige Bericht des Patientenanwaltes an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Er spricht sich wie auch der Rechnungshof dafür aus, dass die Pflegegeldverfahren bei einer einzigen Stelle im Bundesland angesiedelt werden sollen. Das Dickicht an Zuständigkeiten ist schon für jemanden schwierig, der gesund ist, einen Internetzugang hat und dessen mächtig ist. Ganz besonders schwierig ist das aber für alte Menschen. Hier würde eine Klärung der Kompetenz und eine Vereinheitlichung der Entscheidungspraxis, was den bundesweiten Kriterienkatalog betrifft, Sinn machen.
Ich hab schon heute Vormittag davon gesprochen, was es heißt, wenn in Niederösterreich etwas so und in Wien ganz anders beurteilt wird. Die Menschen müssen sich ja dann glatt überlegen, ob sie strategisch umziehen sollen, bevor sie pflegebedürftig werden!
Ich komme jetzt noch einmal zurück auf den Patientenentschädigungsfonds. Uns bereitet der Umstand Anlass zur Sorge, dass die Entschädigungen aus dem Entschädigungsfonds in Summe seit 2007 stetig zurückgegangen sind. Es wird also weniger ausbezahlt als in der Vergangenheit. Man könnte jetzt natürlich sagen, dass weniger geschehen ist. Dieser Schluss ist möglicherweise nicht zulässig. Das Faktum, das man 2007 2,8 Millionen und 2009 nur mehr 2,4 Millionen ausbezahlt hat, ist für uns aber schon ein Anlass, nachzufragen, warum hier mit dem Geld doch sehr restriktiv umgegangen wird. Darauf würden wir uns auch eine Antwort erwarten!
Ich danke für den Bericht. Ich danke den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und dem Herrn Patientenanwalt für die Arbeit und hoffe, dass die Patienten und Patientinnen, wenn sie sich an diese Stelle wenden, niederschwellig und rasch das bekommen, was sie brauchen, nämlich Parteilichkeit für die Schwachen im Gesundheitswesen. Das Verhältnis zwischen Medizin, Institutionen, Ärzten und Ärztinnen sowie Patienten und Patientinnen ist in den seltensten Fällen auf Augenhöhe. Selbst wenn man sich sonst als stark empfindet, ist man als Patient potenziell schwach. Dann braucht es kräftige Unterstützung, und dafür ist die Patientenanwaltschaft da. (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.)
Präsident Prof Harry Kopietz: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abg Univ-Prof Dr Frigo. Ich erteile es ihm.
Abg Univ-Prof Dr Peter Frigo (Klub der Wiener Frei
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