Landtag,
28. Sitzung vom 26.11.2009, Wörtliches Protokoll - Seite 9 von 76
Präsident Prof Harry Kopietz: Herr Landeshauptmann,
bitte.
Lhptm Dr Michael Häupl: Zunächst einmal: Ich bin
nicht der Ex-officio-Verteidiger der ÖVP - ich kann ja wirklich nicht in diesen
Geruch kommen -, aber man muss ein bisschen unterscheiden: Während sich die
Bundes-ÖVP immer geweigert hat und bis heute weigert, Untersuchungsausschüsse
als Minderheitsrecht zu akzeptieren, hat es die Wiener ÖVP gemeinsam mit den
Sozialdemokraten seinerzeit umgesetzt. Sie haben sich halt in der Bundes-ÖVP
nicht durchgesetzt. Ähnliches gilt für das Rederecht für die Europaabgeordneten
auch. Aber da wir gestern ja auch vereinbart haben, dass wir sozusagen
hoffnungsfroh gemeinsam in neue Zeiten des Paradigmenwechsels schreiten, denke
ich, dass es auch auf diese Art und Weise funktionieren wird.
Ein bisschen möchte ich schon darauf hinweisen, dass die Zeit vor
Inkrafttreten des Lissabon-Vertrags und die Zeit nachher nicht ganz dasselbe
sind. Denn es ist schon richtig, dass natürlich auch der Einfluss europäischer
Entscheidungen, europäischer Politik umgekehrt bis in die Gemeindestuben hinein
gegeben war, aber bis zu diesem Zeitpunkt war es sozusagen ein
One-Way-Einfluss. Wir konnten über große europäische Verbände, wie etwa dem
RGRE oder Eurocities, oder auch über den Ausschuss der Regionen - für Regionen
eben, aber es sind ja nur drei Städtevertreter darin tätig -, informellen
Einfluss nehmen - ich formuliere das ohnehin schon bewusst ziemlich positiv. -
Mit Inkrafttreten des Lissabon-Vertrages gibt es nun auch ein formelles
Einflussrecht. Das heißt, es ist jetzt kein One-Way-Einfluss mehr, sondern es
ist vielmehr durchaus auch eine wechselseitige Beziehung. Es gibt
Anhörungsverpflichtungen beispielsweise seitens der Kommission. Es gibt neue
Möglichkeiten für den Ausschuss der Regionen, tatsächlich Einfluss zu nehmen,
ja selbst für nationale Parlamente gibt es die Möglichkeit, Rügen zu erteilen,
die nachher natürlich Auseinandersetzungen verpflichtend nach sich ziehen, etwa
bei Verletzung des Subsidiaritätsprinzips.
Also ich denke, es gibt hier einfach auch neue Möglichkeiten für uns,
und da bin ich dann der Meinung, dass das auch neue Strukturen für uns
erfordert. Und ich denke, da sollte man eigentlich rasch auch gemeinsam darüber
nachdenken.
Präsident Prof Harry Kopietz: Danke. - Die 4.
Zusatzfrage wird von Herrn Abg Dr Tschirf gestellt. – Bitte.
Abg Dr Matthias Tschirf (ÖVP-Klub der
Bundeshauptstadt Wien): Ich finde es zwar spannend, wenn die GRÜNEN ein
Weltbild haben, wo zentral von oben bis unten alles gleichgeschaltet ist, das
entspricht aber nicht unserem bürgerlichen Verständnis.
Ich habe jedenfalls mit großem Interesse gehört, dass Sie gesagt haben,
dass über vieles nachgedacht wird. Die Fragen der EU betreffen ja nicht nur
Wien als Land, sondern sehr stark auch Wien als Gemeinde. Könnte man sich
vorstellen, dass wir hier auch bestimmte Entscheidungen, die gerade Wien als
Gemeinde betreffen - etwa auch als Unternehmen in bestimmten von der EU geregelten
Bereichen -, dass wir auch diese Fragen intensiver hier diskutieren?
Präsident Prof Harry Kopietz:
Bitte, Herr Landeshauptmann.
Lhptm Dr Michael Häupl: Das tun wir ja auch, im
Speziellen in Bereichen, von denen ich jetzt ein einziges Beispiel nenne, weil
es eine gewisse Aktualität hat: Die Fragen der Daseinsvorsorge sind natürlich
Gemeindeangelegenheit und nicht Landesangelegenheit - im Wesentlichen nicht
Landesangelegenheit -, und daher betrifft es natürlich auch die Gemeinde
direkt.
Wenn wir uns dazu entschließen sollten und auch die rechtlichen
Voraussetzungen dafür schaffen, dass wir hier einen entsprechenden Ausschuss
begründen, dann werden wir das, denke ich, so handhaben wie bei anderen
Ausschüssen, die die Gemeindeangelegenheiten ebenso behandeln wie die
Landesangelegenheiten. Quantitativ wird es ja auch der überwiegende Teil sein.
Präsident Prof Harry Kopietz:
Herr Landeshauptmann, ich danke für Ihre Beantwortungen.
Wir kommen nunmehr zur 4. Anfrage (FSP - 04841-2009/0001 -
KSP/LM), die von Frau Abg Katharina Schinner gestellt wurde und an die Frau
amtsführende Stadträtin der Geschäftsgruppe Finanzen, Wirtschaftspolitik und
Wiener Stadtwerke gerichtet ist. (Wenngleich sich die Arbeitsmarktsituation
durch die internationale Wirtschaftskrise natürlich auch in Wien verschlechtert
hat, konnten die negativen Auswirkungen hier bisher - auch im Vergleich mit
allen anderen Bundesländern Österreichs und neuerlich im Oktober 2009 - relativ
gering gehalten werden. Worauf, Frau Vizebürgermeisterin, führen Sie das
zurück?)
Bitte, Frau Stadträtin.
LhptmStin Mag Renate Brauner:
Einen schönen guten Morgen! Die Frage richtet sich auf eines der wichtigsten,
wenn nicht das wichtigste Thema, das uns jetzt beschäftigt, aber vor allem - das
habe ich im Zuge meiner Budgetbeiträge auch entsprechend klargemacht - im
nächsten Jahr auch noch begleiten wird, nämlich die Frage der
Arbeitsmarktsituation hier bei uns in Wien. Was können wir denn überhaupt - das
ist ja an sich eine grundsätzlich spannende Frage - aus Wiener Sicht hier tun?
Und es stimmt - wie in dieser Frage auch angesprochen wurde -, natürlich können
wir die negativen Auswirkungen einer internationalen Weltwirtschaftskrise nicht
ganz hintanhalten oder uns gar abkoppeln, aber wir versuchen mit aller Kraft,
die Auswirkungen möglichst gering zu halten. Und wie in der Frage auch
angesprochen wird, ist das bisher auch ganz gut gelungen.
Warum haben wir hier eine etwas andere Entwicklung
als in anderen Bundesländern und auch international? - Das hat sicher in sehr
hohem Ausmaß mit der Wiener Wirtschaftsstruktur zu tun. Wir haben einen sehr
hohen Dienstleistungsanteil – 80 Prozent -, wenig von sehr traditionellen
Industriebetrieben. Die Produktionsbetriebe, die es in Wien gibt, sind sehr innovationsorientiert,
sind sehr zukunftsorientiert – mit einer der Gründe, warum wir gerade in diesen
Bereich auch sehr viel Geld investieren. Das heißt, die traditionelle
Sachgüterproduktion, Schwerindustrie, wie es sie in anderen
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