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Landtag, 22. Sitzung vom 29.10.2008, Wörtliches Protokoll  -  Seite 48 von 59

 

einen Text, und dann rechts einen leicht neu geschriebenen. Die Textgegenüberstellung hier schaut ein bisserl anders aus. Sie sehen hier, wo es blass ist und wo man nichts sieht, das ist der alte Text, und das daneben ist der neue Text. (Der Redner hält entsprechende Schriftstücke in die Höhe.) Also Sie sehen ein paar leere Kasteln, eine Seite, dann noch einmal eine komplette Seite und dann noch einmal eine, und so geht es dahin. Das sind nicht kleine Änderungen, sondern das ist ein komplett neuer Entwurf, und er bedeutet, dass vor allem nicht die Person abgefragt ist – und das ist ja auch die Kritik im Wesentlichen –, die um Hilfe ansucht, sondern Personen, die mit dem Antragsteller, der Antragstellerin im gemeinsamen Haushalt oder im Haushalt leben, an derselben Wohnadresse.

 

Und da geht es ein bisserl drunter und drüber, was man alles abfragen darf vom Lebensgefährten, von der Lebensgefährtin. Wie definiert sich das? Das findet man nicht, die Definitionen gibt es nicht. Das ist auch vorgeworfen worden, nicht nur von der ARGE Daten, sondern von der Arbeiterkammer, von der Rechtsanwaltskammer und so weiter. Dem Akt liegen lange Papiere bei von diesen Institutionen, die sich über einzelne Punkte beschweren.

 

Da war ursprünglich vorgesehen, dass man den Geburtsort aller Menschen, die im gleichen Haushalt leben wie die Person, die den Antrag stellt, abfragt. Welchen Zweck soll das haben, wenn es darum geht, ob Person A Sozialhilfe kriegt oder nicht, zu wissen, ob B und C, die da wohnen, in – weiß ich nicht – Wien geboren sind oder in Istanbul geboren sind oder in Helsinki? Welchen Zweck soll das haben? Wie kommt man überhaupt auf die Idee, so einen Entwurf vorzulegen, der dann zumindest teilweise zurückgenommen werden muss.

 

Wenn ich mir dann anschaue, was sonst alles in der Stadt im Bereich Abfragen passiert, da kann ich es mir schon vorstellen, was da los ist. Da gibt es irgendwo offensichtlich eine Gruppe, die damit beschäftigt ist, die Bürger und Bürgerinnen schärfer zu überwachen, als das ohnedies passiert. Ich erinnere an die Verleihung des Big Brother Award – das ist etwas, worüber man sich nicht freuen sollte, wenn man das kriegt – vor wenigen Tagen, nämlich im Gemeindebau witzigerweise an Wiener Wohnen in der Kategorie Behörden und Verwaltung.

 

Die Geschichte kennen die meisten, aber das ist genau der Geist, der momentan durch diese Stadt weht und den wir Grünen vehement ablehnen. Diese Überwachungsphantasien sind beim Gemeindebau ausgelebt worden, indem allen Bewohnern und Bewohnerinnen der Gemeindebauten ein Fragebogen zugeschickt wurde, der angeblich anonym war. Da war zwar eine Anrede mit dem Familiennamen, Herr Mustermann, Frau Musterfrau. Da hat es geheißen, sonst kann man es nicht zurückverfolgen, und diese Anrede liegt ja dann nicht mehr bei, das war nur für die persönliche Anrede, sonst ist er anonym. Nur hat dieser Fragebogen einen Barcode oben, ein Strichcode, an dem sich zurückverfolgen lässt, woher er kommt. Ganz im Gegensatz zu der falschen Auskunft aus dem Stadtratbüro, die leider dann auch Eingang in dieses kurze Sheet gefunden hat, das die Medien so aufgenommen haben und das leider dann auch so zitiert wurde, nämlich dieser Code dient lediglich der Sprengelzuordnung, also dass man im Großen und Ganzen weiß, dieser Fragebogen kommt aus dem Karl-Marx-Hof, und dieser Fragebogen kommt aus Sandleiten. Nur hat die Auskunft nicht gestimmt, und es war eine glatte Lüge. Das kann man nicht anders sagen, denn ich muss ja annehmen, dass das Büro weiß, was das für ein Fragebogen ist, ich muss auch annehmen, dass man weiß, welche Informationen abgefragt wurden.

 

Also kurz: Dieser Barcode hat die Kundennummer bei Wiener Wohnen beinhaltet. Na gut. Mit dem lässt sich zurückverfolgen, wer dort wohnt. Die Fragen waren unter anderem, ob man gut auskommt mit den Nachbarn oder nicht. Das kann man dann alles schön verknüpfen. Da kann man dann nachschauen, wer es beantwortet hat und so weiter und so fort.

 

Das ist a) eine Ungeheuerlichkeit, dass man so etwas abfragt, und es ist b) eine noch größere Sauerei, dass man nachher, wenn man dann auffliegt, sagt, das stimmt ja alles nicht. Die Anrede war nur, weil es persönlicher klingt, und der Code hat damit nichts zu tun. Eine Falschauskunft, für die man sich eigentlich bei allen GemeindebaumieterInnen entschuldigen müsste.

 

Die grüne Idee, um zurückkommen auf die Änderung des Sozialhilfegesetzes, ist eine ganz andere. Die Frage ist überhaupt: Ist es noch zeitgemäß, wenn man mit Regressmöglichkeiten arbeitet gegenüber Angehörigen oder Lebensgefährtin, Lebensgefährten? Ist das heutzutage noch das, was wir brauchen in dem Bereich? Es steht ja leider auch bei der Zielvorgabe dabei, das Wesentliche ist, den Missbrauch hintanzuhalten.

 

Abgesehen davon, dass man da quasi einer Diktion nachgibt, die von einer ganz anderen Richtung kommt, finde ich das schade. Denn ich glaube, wenn wir auf die Regressmöglichkeiten verzichten, haben wir eine kleine Anzahl an Missbrauch. Der lässt sich in anderen Bereichen auch nicht komplett abstellen. Das ist verkraftbar, und würde vor allem zu einem führen: dass alle Leute, die glauben, dass sie einen Anspruch haben, sich auch trauen, einen Antrag zu stellen. Denn das, was man da befürchten muss, ist diese Verunsicherung: Wenn ich hingehe und einen Antrag stelle, muss ich alle, die mit mir zusammenwohnen, outen, muss von denen Daten abfragen, und wenn ich das nicht tue, bekomme ich auch nichts. Das wird dazu führen, dass manche Leute, die verunsichert sind oder das ihrem Mitbewohner, ihrer Mitbewohnerin nicht antun möchten, nicht hingehen.

 

Das Ziel scheint mir – auch wenn das im Ausschuss natürlich vehement bestritten wurde – weniger zu sein, den Missbrauch zu kontrollieren, sondern das Ziel ist, die Anzahl der Antragsteller und Antragstellerinnen irgendwie hintanzuhalten, weil die explosionsartig gestiegen ist und vermutlich leider in Zukunft noch ansteigen wird.

 

Also die Idee ist genau nicht, Armut zu bekämpfen, die Idee ist genau nicht zu helfen, sondern genau dort, wo die Ärmsten der Armen zu Hause sind, dort geht man rein und schaut, wer das Zahnbürstl von wem benutzt

 

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