Landtag,
19. Sitzung vom 10.07.2008, Wörtliches Protokoll - Seite 9 von 49
den Parteitag der SPÖ gesammelt. Wolfgang Radlegger,
der ehemalige SPÖ-Chef, sammelt Unterschriften und will die Wahl von Faymann
verhindern. Radlegger beschreibt Herrn Faymann wie folgt: „Aalglatt ist für
Faymann ein falscher Ausdruck. Gegen diesen Typus von Politiker greift sich ein
Aal rauer an.“ – Und Herr Radlegger hat für diese Meinung schon
Mitstreiter gefunden, etwa den früheren Zentralsekretär Heinrich Keller, den ehemaligen
Bürgermeister Josef Reschen und auch unsere frühere Stadträtin, Ursula Pasterk.
(Lhptm Dr Michael Häupl: Die Kronzeugin der FPÖ!) Sie alle wollen
am Parteitag die Wahl von Faymann verhindern. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Meine Damen und Herren! Es üben ja nicht nur
pensionierte Politiker, sondern auch aktive Politiker Kritik, etwa der
Salzburger Bürgermeister Schaden, der ganz sicher ein Delegierter zum
Bundesparteitag der SPÖ sein wird. Er sagt: „Ich bin wirklich sauer, das Duo
Gusenbauer und Faymann macht aus der SPÖ eine Bananenrepublik, und damit auch
aus der Republik Österreich.“ Weiter sagt er: „Diese kuschenden Bemerkungen,
die jetzt von vielen Seiten der SPÖ kommen – ja, ja, das passt
schon –, die machen mich erst recht fuchsteufelswild. Es hat keine
innerparteiliche Demokratie und Willensbildung gegeben auf Kosten Europas. Ich
schäme mich für die SPÖ.“ – So Herr Schaden.
Herr Landeshauptmann! Jetzt kommen wir zum Punkt:
Diese Kritik kommt ja nicht nur aus Salzburg, sondern dieser Zickzackkurs hat
längst auch Ihre Wiener SPÖ erreicht, und zwar nicht nur Ursula Pasterk, die
sehr wohl der Wiener SPÖ zuzuordnen ist, allerdings eine pensionierte
Politikerin ist. Vielmehr haben auch aktive SPÖ-Mandatare neuerlich einen
offenen Brief geschrieben, und zwar diesmal nicht an einen Herausgeber, sondern
an Herrn Faymann. In diesem offenen Brief, den Mandatare Ihrer Partei aus Wien
Alsergrund geschrieben haben, lehnen sie überhaupt jede Volksabstimmung
grundsätzlich ab. – Ich zitiere wörtlich: „Wir sind überzeugt, dass jede
Konzession an den Anti-EU-Populismus der europäischen Idee und der SPÖ
nachhaltig schaden wird."– So schaut also Ihre neue Linie aus! Herr
Faymann gibt etwas vor. Sie sagen: In Gottes Namen, machen wir halt mit! Aber
ein Bezirk schert sofort aus.
Wer sind eigentlich die Verfasser dieses Schreibens?
Das ist ja auch interessant: Das ist nicht nur Caspar Einem, der ja ebenfalls
alle Funktionen schon zurückgelegt hat, oder Nationalratsabgeordnete Gertraud
Knoll, sondern unter den Briefschreibern befinden sich etwa auch
Bezirksvorsteherin Martina Malyar und der Wiener Gemeinderat Siegi Lindenmayr.
Meine Damen und Herren! Die Tatsache, dass ein
Abgeordneter dieses Hauses diesen Brief unterzeichnet hat, zeigt ja diesen
Zick-Zack-Kurs und diese Spaltung, die bereits tief in die Wiener
Sozialdemokratie hineinreicht.
Meine Damen und Herren! Sie sollten daher heute Farbe
bekennen! Sie sollten daher heute in diesem Haus Ihre Karten auf den Tisch
legen. Wir wollen nämlich heute die Nagelprobe machen, dass das nicht nur
Theaterdonner oder wieder ein Wahlschwindel ist, sondern dass Sie es wirklich
ernst meinen. Ich bringe daher folgenden Beschlussantrag ein:
„Die Bundesregierung wird aufgefordert, alle
Maßnahmen zu setzen, um sicherzustellen, dass zukünftige Änderungen der
Verträge über die Europäische Union und über die Arbeitsweise der EU, die die
österreichischen Interessen berühren, durch eine Volksabstimmung entschieden
werden sollen. Das gilt auch für den Fall der Ratifizierung eines geänderten
Vertrages von Lissabon" – das ist genau das, was Herr Faymann sagt – „und
insbesondere auch für einen möglichen Beitritt der Türkei zur Europäischen
Union."
Meine Damen und Herren! Herr Landeshauptmann! Ich
beantrage in formeller Hinsicht eine sofortige und namentliche Abstimmung.
Ich fordere Sie auf: Stehen Sie dazu, was Sie dem
Herausgeber einer großen Tageszeitung versprochen haben! Meine Damen und Herren
von der Wiener SPÖ! Stehen Sie dazu, was Sie den Wählerinnen und Wählern in
Wien versprochen haben! Stehen Sie dazu, und stimmen Sie heute diesem Antrag
zu! (Beifall bei der FPÖ.)
Präsidentin Erika Stubenvoll: Als
nächster Redner zu Wort gemeldet ist Frau Abg Mag Vassilakou. Ich erteile ihr
das Wort.
Abg Mag Maria Vassilakou (Grüner
Klub im Rathaus): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Damen und Herren!
In der Tat macht es Sinn, dass wir uns heute mit dem
durchaus beeindruckenden Schwenk der SPÖ in Sachen EU-Politik aufhalten. Ich
meine, dass man in diesem Zusammenhang zwei Ebenen diskutieren sollte.
Die erste Ebene ist die Haltung der österreichischen
Parteien zur EU und auch die Haltung der österreichischen Bevölkerung in Sachen
EU. Man muss sich damit beschäftigen, was hier alles schief gelaufen ist und
was man tun könnte, um in Zukunft eine bessere Zustimmung zu erreichen.
Andererseits muss man sich aber auch zumindest eine Zeit lang mit der Form
auseinandersetzen, wie dieser Schwenk seitens der SPÖ vollzogen wurde, denn das
ist in der Tat geradezu etwas Einzigartiges für die politische Kultur in
Österreich.
Ich möchte mit der EU selbst beginnen, weil dieses
Thema sehr wichtig ist und mir sehr am Herzen liegt. Ich glaube, dass die
schlechten Zustimmungswerte, die es in der österreichischen Bevölkerung gibt, letztlich auf dem eigenen Mist
der Regierungsparteien in den letzten Jahren gewachsen sind. Man wird es kaum
in einem anderen europäischen Land in der Art und Weise erleben, dass aus der
EU und aus Brüssel so ziemlich nichts durchdringt. EU-Parlamentarier sind
zunächst einmal einige Jahre lang in Brüssel und arbeiten dort durchaus
tüchtig. Das möchte ich jetzt nicht in Abrede stellen. Sie erreichen dort auch
manchmal ganz tolle Dinge, thematisieren immer wieder Probleme und setzen
Änderungen und Besserungen durch.
Nur,
nichts von alldem wird hierzulande den Menschen bewusst, nichts von alldem ist
ihnen bekannt.
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular