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Landtag, 16. Sitzung vom 28.03.2008, Wörtliches Protokoll  -  Seite 55 von 78

 

Es ist mir wichtig, an dieser Stelle festzuhalten, dass von einem solchen generellen Bettelverbot alle profitieren würden. Es ist ja heute auch schon oft genug angesprochen worden: Die Bettelei ist ein Missstand, man will sie nicht haben. Es ist nur die Frage: Wie komme ich zu diesem Ziel? Glauben wir tatsächlich, dass wir zu weniger Bettelei kommen, indem wir da einen Fleckerlteppich von Verwaltungsstraftatbeständen schaffen, oder mit einer klaren Lösung, die die Polizei oder wer auch immer einfach vollziehen kann.

 

Der Bettler wird ausgebeutet, sein Selbstwertgefühl geht verloren, er befindet sich in einem Teufelskreis von Armut und sozialer Isolation, und wir wissen, dass die Bettelei die Einstiegsphase in eine kriminelle Karriere darstellt. Die Experten von der „Drehscheibe" haben es uns gesagt, erst kommt die Bettelei, dann kommt der Diebstahl.

 

Sehr geehrte Damen und Herren von der Sozialdemokratie! Öffnen Sie die Augen! Bettelei ist kein Menschenrecht, sondern lediglich Ausdruck, dass Hilfe versagt hat, und zwar Hilfe entweder von privater oder öffentlicher Seite. Bettelei ist Ausdruck einer unsolidarischen Gesellschaft und Ausdruck mangelnder Nächstenliebe, wenn Sie wollen.

 

Bringen Sie die Hilfe endlich an die Hilfsbedürftigen heran, dann wird Bettelei nicht notwendig sein, es sei denn, sie ist organisiert oder Einzelne wollen sich unrechtmäßig bereichern. Aber dafür habe ich überhaupt kein Verständnis. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Sehr verehrten Damen und Herren! Alle Argumente, die Sie richtigerweise gegen die Kinderbettelei ins Treffen geführt haben, die gelten ja auch für die Bettelei von Erwachsenen. Wie können wir es akzeptieren, dass Menschen tagelang der Kälte ausgesetzt sind, dass sie in einem beklagenswerten, gesundheitlichen Zustand sind, dass sie unter Schmutzekzemen leiden, dass ihre Kleidung verschmutzt ist, dass sie kaum etwas zu essen haben? Andere Bundesländer, die wirklich von Grund auf dieses Problem beseitigen wollen, die haben es geschafft. Dort leidet niemand mehr. Dort leiden vor allem auch die Bettler nicht mehr. In Vorarlberg, Tirol und Salzburg ist es mit einem generellen Bettelverbot gelungen. (Abg Mag Waltraut Antonov: Das glauben Sie selbst nicht!)

 

Und jetzt kommt das Gegenargument: Das sind ja nicht nur die Ausländer, da gibt es doch auch Inländer. Und da sage ich Ihnen, die Unterstandslosen, die Sandler, das sind ganz wenige geworden, die gibt es fast nicht, die da im öffentlichen Raum betteln. Es gibt manche Bettler, die sagen, als Ausdruck einer besonderen Jugendkultur gehört das Betteln mit Hunden dazu, ob bei U-Bahn-Stationen, bei Rolltreppen oder auf Verkehrsinseln. Aber da sage ich Ihnen, diese Bettler, die haben aus meiner Sicht überhaupt keinen Anspruch auf Schutz, denn da schütze ich schon lieber die Mütter mit Kindern oder die Senioren, denen es mehr als unangenehm ist, durch solche Räume zu gehen. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Die Lebensqualität der Bettler und der Wienerinnen und Wiener ist stark beeinträchtigt, solange sich die Sozialdemokratie nicht durchringen kann, hier zu einer endgültigen, sinnvollen Lösung zu kommen.

 

Ein weiteres Problem ist, dass der Trickdiebstahl mit einem generellen Bettelverbot natürlich auch leichter in den Griff zu bekommen wäre. Sehr oft passiert es, dass wiederum vermeintlich ältere oder schwächere Personen angegangen werden um ein paar Cent oder um ein paar Euro, ob man ihnen nicht mit Kleingeld aushelfen kann. Man zückt die Geldbörse, und wenig später muss dann das Opfer feststellen, dass nicht nur die Münzen, sondern auch die Scheine fehlen.

 

Wir haben einen Beschlussantrag vorbereitet. Er gibt Ihnen, sehr verehrte Damen und Herren, die Möglichkeit, das Bettelunwesen in dieser Stadt im Sinne aller Beteiligten – der Wienerinnen und Wiener, aber insbesondere im Interesse der Bettler –, zu verhindern. Nutzen Sie die Gelegenheit und stimmen Sie unserem Antrag zu! (Beifall bei der ÖVP.)

 

Präsidentin Erika Stubenvoll: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abg Dr Stürzenbecher. Ich erteile es ihm.

 

Abg Dr Kurt Stürzenbecher (Sozialdemokratische Fraktion des Wiener Landtages und Gemeinderates): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Stadträtin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

 

Die zuständige StRin Frauenberger und wir Abgeordnete haben es uns – sehr gut beraten von den ExpertInnen und Beamten des Magistrats – wirklich nicht leicht gemacht, hier diese Lösung zu finden, und sind wirklich nach eingehender Beratung zu dieser Lösung gekommen. Wir haben uns wirklich angestrengt für eine differenzierte, sachgemäße und zielführende Lösung.

 

Es ist nicht immer so, dass zwischen zwei Extremen der Mittelweg genau das Richtige ist, das kann man nicht generell sagen, aber es ist ziemlich oft so, dass der Mittelweg richtig ist, und im vorliegenden Fall ist es sicher so, dass wir den goldenen Mittelweg gefunden haben, nämlich nicht ein generelles Bettelverbot, was eben nicht okay wäre, genauso wenig wie nichts dagegen zu machen, den Kopf in den Sand zu stecken und die tatsächlichen Probleme zu ignorieren. Daher haben wir uns eben bemüht, die differenzierte Lösung zu finden, die möglichst viel an Leid wegnimmt, die vor allem den Kindern nützt und die Kinder vor Ausbeutung und Misshandlung schützt. Ich glaube, dass wir dieses Ziel konsequent verfolgt haben, war richtig, und dazu stehen wir auch. (Beifall bei der SPÖ.)

 

Zum generellen Bettelverbot. Ich habe mir im Vorjahr eine Ausstellung im Museum der Stadt Wien angeschaut, eine sehr gute Ausstellung über Armut seit 2 000 Jahren, aber auch über die Jahrhunderte. Da hat man feststellen können, dass es erstens Bettelei natürlich immer gegeben hat, dass es aber besonders drakonische Bettelverbote in den Zeiten gegeben hat, in denen eine Massenbettelei durch die gesellschaftlichen Zustände eigentlich sogar provoziert und herbeigeführt worden ist und dass natürlich drakonische Bettelverbote in mit heute selbstverständlich nicht vergleichbaren Zeiten – aber dennoch sage ich es – nie zu etwas geführt haben,

 

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