Landtag,
12. Sitzung vom 21.09.2007, Wörtliches Protokoll - Seite 7 von 71
wirklich, dass die Geheimniskrämerei, die da
rundherum betrieben wird, der richtige Weg ist, um solche hanebüchenen
Unsinnigkeiten in Hinkunft zu verhindern? Und glauben Sie nicht, dass man eine
öffentliche Diskussion bräuchte, einen öffentlichen Druck auch, um solche
Relikte aus dem Mittelalter einfach in Hinkunft aus den Schulbüchln
fernzuhalten?
Präsidentin Erika Stubenvoll: Herr
Landeshauptmann, bitte.
Lhptm Dr Michael Häupl:
Ich mache Sie noch einmal darauf aufmerksam: Ich habe das Buch nicht
geschrieben, denn ich verstehe vom Islam und vom Koran, wie auch von anderen
Religionsgemeinschaften, nicht sehr viel. Ich bin sicherlich der Letzte, der
die Scharia verteidigt - was Sie hier zitiert haben, ist im Wesentlichen die
Wiedergabe der Scharia -, und es wird jeder absolut mein politischer Gegner
sein, und auch mit den nötigen Apparaten des Staates, der die Scharia etwa über
die österreichische Rechtsordnung stellt. Das ist überhaupt keine Frage!
(Beifall bei SPÖ, ÖVP und FPÖ.)
Damit haben sich aber möglicherweise schon die
Gemeinsamkeiten. Denn mir ist da auf der anderen Seite die Religionsfreiheit
sowie andere Fragen der Menschenrechte - im Gegensatz zu anderen Politikern in
Österreich, wie ich gestern wieder den Medien entnehmen konnte - tatsächlich
sehr, sehr wichtig. Daher geht es hier darum, genau auf der Basis auch dieses
§ 2 des Religionsunterrichtsgesetzes jenes herzustellen, was besagt:
Religionsfreiheit sowie andere Menschenrechte selbstverständlich unter
Beachtung der österreichischen Rechtsordnung.
Ich stelle fest, dass dies im gegenständlichen Fall
funktioniert hat! Denn der zuständige Fachinspektor - mit welcher Funktion er
im ehrenamtlichen Bereich sonst noch versehen ist - ist tätig geworden, hat
dieses Buch als im Widerspruch zur österreichischen Rechtsordnung befunden, und
es ist aus dem Verkehr gezogen worden.
Eigentlich sollten wir ja einen Hunderter-Nagel
nehmen, dies an die Wand heften und sagen: Das ist der Benchmark, genau so soll
es funktionieren! Denn es ist für jemanden, der für das Prinzip des Laizismus
eintritt, natürlich ein nicht zu akzeptierender Gedanke, dass religiöse
Prinzipien über die österreichische Rechtsordnung und die österreichische Demokratie
gestellt werden.
Im gegenständlichen Fall hat das funktioniert, so wie
auch vor wenigen Tagen, als Leute, die des Terrorismus verdächtigt wurden, von
der österreichischen Polizei aus dem Verkehr gezogen wurden. Es funktioniert
unser Rechtsstaat, es funktionieren auch unsere Sicherheitseinrichtungen, und
es funktioniert Gott sei Dank unsere Demokratie. Das werden wir nicht wegreden
können. (Beifall bei der SPÖ.)
Präsidentin Erika Stubenvoll: Wir
kommen zur 2. Zusatzfrage: Frau Abg Jerusalem, bitte.
Abg Susanne Jerusalem
(Grüner Klub im Rathaus): Herr DDr Schock hat jetzt so genickt, als wäre die
Geschichte mit „Täglich grüßt das Murmeltier" ein für alle Mal beendet,
was die GRÜNEN auch sehr begrüßen würden. Ich bin auch sehr froh darüber, dass
Sie, Herr Landeshauptmann, festgestellt haben, dass derartige Dinge an unseren
Schulen einfach nichts verloren haben. Im Übrigen kann man das Buch einfach
„googeln“ und bestellen. Das ist weiter kein Problem, meine Kollegin Korun hat
das gemacht.
Sie haben gemeint, man soll seine Phobien woanders
ausleben. Ich möchte jetzt trotzdem meine Phobie ein bisschen an Sie
herantragen, weil Sie so schön darauf hingewiesen haben, dass es ja eine Grenze
gibt, nämlich jene Grenze, dass auch der Religionsunterricht nicht im
Widerspruch zur staatsbürgerlichen Erziehung stehen darf. Jetzt frage ich Sie:
Ist das auch die Garantie dafür, dass uns die Kreationisten vom Halse gehalten
bleiben?
Präsidentin Erika Stubenvoll: Herr
Landeshauptmann, bitte.
Lhptm Dr Michael Häupl:
Es ist eine hochinteressante Diskussion, die Sie da anschneiden, und notabene
auf einem Themenfeld, mit dem ich mich äußerst intensiv beschäftigt habe.
Nein, es ist keine Garantie. Denn im
Religionsunterricht ist es durchaus möglich - und ich frage mich eigentlich
auch, ob dafür nicht eine gewisse Legitimation besteht -, dass man die
Kreationisten unterrichtet. (Abg Mag Harald STEFAN: In der Biologie?) Im
Prinzip ist das eigentlich nichts anderes als ein Teil der Bibel, nämlich die
Genesis, die man eben mit einem pseudo-naturwissenschaftlichen Mäntelchen
umhüllt. Sohin ist es als Teil des Religionsunterrichts weder besonders
sensationell noch neu, vielleicht didaktisch-pädagogisch noch interessant, aber
zweifelsohne hat es dort aus meiner Sicht auch seinen Platz.
Eine ganz andere Sache ist, so wie in einigen
amerikanischen Staaten oder wie etwa vorgeschlagen - oder kurzzeitig war es ja
auch Rechtsbestand - in Italien, dass Intelligent Design, also diese Abart des
Kreationismus, im naturwissenschaftlichen Unterricht, im Biologieunterricht
gleichwertig zur Evolutionstheorie unterrichtet werden muss. Das ist etwas, was
ich wiederum, und einmal mehr als Laizist, natürlich auf das Schärfste ablehne.
Denn bei allem Respekt vor der Religion, sie gehört in den Religionsunterricht;
und der naturwissenschaftliche Unterricht gehört in die Biologie, Physik,
Chemie, also in die naturwissenschaftlichen Unterrichtsfächer. Miteinander
haben sie nichts zu tun. (Demonstrativer Beifall bei den GRÜNEN.)
Daher denke ich, dass diese Diskussion auch entlang
dieser Linie zu führen ist, dass dies durchaus auch den Gedanken des
Menschenrechts der Religionsfreiheit berücksichtigt und auch den Respekt vor
der Religion. Oder um es mit Stephen Hawking zu sagen, der als letzten Satz in
seiner „Kurzen Geschichte der Zeit" prägnant schreibt: Hinter der
Singularität ist noch genug Platz für Gott.
Mag sein - aber dort lassen wir ihn auch! (Beifall
bei der SPÖ.)
Präsidentin Erika Stubenvoll: Danke
schön. - Wir kommen zur 3. Zusatzfrage: Herr Abg Dr Wolf, bitte.
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