Landtag,
7. Sitzung vom 23.11.2006, Wörtliches Protokoll - Seite 35 von 61
nicht aus einer ideologischen weltverändernden Brille zu sehen, wo ich glaube, ich muss irgendetwas Neues schaffen oder mit neuen Schlagworten wie „Regenbogenfamilie" oder sonst etwas aufbrechen, sondern dass man tatsächlich einmal an das herangeht und fragt, was für die Kinder das Beste ist, die Kinder tatsächlich einmal befragt, ernst nimmt, was zu dem Thema gesagt wird und dann eine Kampagne in die richtige Richtung macht. (Beifall bei der FPÖ. - Abg Barbara Novak: Das ist etwas ganz Neues!)
Präsident Johann Hatzl:
Zum Wort gelangt Frau Abg Straubinger.
Abg Mag Sybille Straubinger
(Sozialdemokratische Fraktion des Wiener Landtages und Gemeinderates): Sehr
geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Stadträtin! Meine Damen und Herren!
Herr Stefan, das ist eine gesellschaftliche Realität.
Es ist nichts, was man künstlich herbeireden oder erzeugen muss. Es ist einfach
eine Realität, dass es Kinder gibt, die in gleichgeschlechtlichen Beziehungen
leben. Die stammen aus heterosexuellen Beziehungen, die früher waren. Davon
gibt es nicht wenige. Davon gibt es sehr viele. Die leben gut mit ihren
Familien zusammen (Abg Robert Parzer: Das hat ja niemand bestritten!) und haben
sicherlich weniger Defizite als jene Kinder, die aus heterosexuellen Familien
herausgerissen werden müssen. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)
Vielleicht sollte man einmal kurz replizieren, warum
es Pflegeeltern gibt oder warum Kinder von ihren leiblichen Eltern und Familien
wegkommen. Das ist nämlich dann, wenn das Wohl des Kindes gefährdet ist. Das
heißt, wenn es zwar vielleicht mit Essen und mit Nahrung versorgt wird, wenn es
aber keine Liebe, keine Zärtlichkeit, keine Zuwendung gibt, wenn Kinder sexuell
missbraucht werden, wenn sie geschlagen werden, wenn die Probleme der
Erwachsenen, der Eltern oder nur der Mutter oder nur des Vaters, so groß
geworden sind, dass sie sich nicht mehr um die Probleme ihrer Kinder kümmern
können. Ich sage Ihnen etwas, die Pflegekinder stammen zu hundert Prozent aus heterosexuellen
Beziehungen! (Beifall bei der SPÖ.)
Die Aufnahme eines Pflegekindes erfolgt nach rein
sachlichen Gesichtspunkten, das heißt, unter Einbeziehung aller beteiligten Personen
nach sachlichen Kriterien. Das heißt, ob Eltern alleinerziehend sind, ob sie in
einer Ehe oder in einer Lebensgemeinschaft leben, ob sie schwul, lesbisch,
heterosexuell sind, ob sie blond, braun- oder schwarzhaarig sind, ist nicht das
Kriterium, sondern die Eignung ist das einzige Kriterium. Ich denke, das ist
auch das Kriterium, das zählen sollte.
Zur ÖVP und ihrem Antrag: Ich wundere mich wirklich
sehr, weil, der Herr Kollege Schreuder hat es auch schon angesprochen, es gibt
scheinbar unterschiedliche Meinungen in Ihrer Partei. Es war in der
„Presse" ein Artikel und es gab in der „Wiener Zeitung" ebenfalls
einen Artikel. In der „Wiener Zeitung" stand: „Ähnlich äußerte man sich
bei der Wiener ÖVP. Jede Familienkonstellation ist besser als ein Kind im
Kinderheim." - Und das aus dem Büro von ÖVP-Obmann Johannes Hahn. Ich weiß
nicht, was jetzt Ihren Schwenk verursacht hat. Oder, auch in der „Wiener
Zeitung": „Während die Wiener ÖVP diesen Vorstoß mit den Worten
,grundsätzlich keine schlechte Idee' beschreibt, ..." - Vielleicht
sollten Sie sich einmal überlegen, warum Sie jetzt einen eigenen Antrag
einbringen, der gleichlautend mit der FPÖ ist und ob Ihnen das nicht eigentlich
auch zu denken geben sollte. (Abg Robert Parzer: Der ist nicht gleich!)
Sehr geehrte FPÖ, in Ihrer deutschen
Kulturgemeinschaft, der Sie sich ja zugehörig fühlen, gibt es übrigens
ebenfalls Pflegekinder, die bei heterosexuellen Paaren, bei Alleinerziehenden
und auch bei homosexuellen Paaren leben. Und zwar werden schon seit über zehn
Jahren auch in Deutschland Kinder an Pflegeeltern, die homosexuell sind,
vermittelt. Ich sage Ihnen noch etwas, die Erfahrungen der deutschen
Jugendämter unterscheiden sich in dem Punkt nicht von denen in Wien und auch
nicht von jenen Erfahrungen, die sie mit den heterosexuellen Paaren machen,
sondern die sind einfach gleich gut und sind positiv, wie es bei Pflegeeltern
allgemein ist. Grundsätzlich sind homosexuelle Paare oder homosexuelle Eltern
nicht die besseren Eltern und sie sind auch nicht die schlechteren Eltern, sie
sind einfach Eltern, wie es sie in unserer Gesellschaft gibt. (Abg Kurth-Bodo
Blind: Wovon reden Sie? Das sind doch Ehen!) Manche davon sind gute Eltern,
manche werden nicht so gute Eltern sein, wie es einfach ein Spiegel unserer Gesellschaft
ist.
Das, was Kinder brauchen, um sich entwickeln und
entfalten zu können, ist Folgendes: Das ist Liebe, ist Geborgenheit, ist
Vertrauen, ist Zärtlichkeit und ist Unterstützung. Sie glauben wohl nicht
ernsthaft, dass das etwas ist, was vom Geschlecht oder von der sexuellen
Orientierung einer Familie abhängt. (Abg Mag Wolfgang Jung: Sie wissen nichts!)
Ich sage Ihnen etwas, Kinder, und da können Sie, wenn Sie es mir nicht glauben,
mit jedem Kinderpsychiater reden, erleben ihre Eltern als asexuelle Wesen.
Erinnern Sie sich doch einmal selbst an Ihre Kindheit zurück! (Abg Mag Wolfgang
Jung: Die haben Sie aber verschlafen!) Haben Sie sich vorgestellt, wie Ihre
Eltern miteinander Sex haben? Nein, Sie haben Ihre Eltern als asexuelle Wesen
erlebt. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)
Ich glaube, Sie befürchten, dass die Kinder dann alle
schwul oder lesbisch werden und dass Sie sich irgendwann in absehbarer Zeit
einem Heer von lauter Schwulen und Lesben gegenüber sehen. Aber ich kann Sie
echt beruhigen. Ich kenne Männer, die aus intakten Kernfamilien kommen und
schwul geworden sind. Ich kenne Männer, die bei zwei Frauen aufgewachsen sind
und heterosexuell sind. Ich kenne Männer, die nur bei ihrer Mutter aufgewachsen
sind und schwul geworden sind. Es ist ebenso bunt, wie das Leben halt ist. So
ist es einfach.
Wenn Sie es mir nicht
glauben, dann schauen Sie es sich an. Die Familienforschung beschäftigt sich
schon seit Längerem mit diesem Thema. Kinder in gleichgeschlechtlichen
Beziehungen gibt es ja nicht erst seit
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